Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Yi Lun

Stromlinien oder Individualisten?

Wir Therapeuten der Chinesischen Medizin sind es gewohnt, Außenseiter zu sein, entweder als Heilpraktiker, die sowieso eher als Scharlatane angesehen werden, oder als Ärzte für TCM, die zwar inzwischen mehr Annerkennung bekommen, aber trotzdem herrscht noch immer ein gewisser Unglaube über die Wirksamkeit der Chinesischen Medizin. Unvergessen sind die Artikel in so gewichtigen Zeitungen wie der ZEIT und der FAZ, in denen der Akupunktur einzig und allein ein Placeboeffekt zugestanden wird.

Dieser gesellschaftliche Druck auf uns individuelle Therapeuten (wer kennt den Spruch nicht: Wenn’s hilft, schaden kann es ja nicht; oder: Hilft es auch, wenn man nicht dran glaubt? Ja es hilft!) bewirkt, dass wir im Laufe der Zeit einen ziemlich breiten Rücken bekommen haben, und dass wir uns mehr oder weniger auf bestimmte Art und Weise zu Einzelkämpfern entwickelt haben, ein idealer Nährboden für Individualisten.

Wie schwer ist es dann zu ertragen, wenn plötzlich Gleichmacherei aufkommt? So wie es im Augenblick bei uns in der AGTCM, im Rahmen der Neustrukturierung der Kooperationen mit den Aus- und Weiterbildungs-Zentren (AWBZ) geschieht? Hier soll es auf einmal Standards geben, ja vielleicht sogar Qualitätskontrollen? Da regt sich doch sofort der gesunde Widerspruchsgeist, der sich gegen jede Form der äußeren Autorität wenden muss: Das kann ja nur zu einem Verlust der Individualität der Schulen führen!

Beides falsch: Weder gibt es eine Autorität, die von außen kommt, noch werden die in Rede stehenden Maßnahmen zu einem Verlust der Individualität der Schulen führen. Das Gegenteil ist der Fall.

Zunächst ist zu bemerken, dass die Autorität nicht von der AGTCM alleine kommen wird, sondern nur von der AGTCM zusammen mit den Kooperationsschulen (AWBZ). Geplant ist es, eine Kommission zu bilden, die paritätisch von der AGTCM und den AWBZ besetzt sein soll. Das heißt, jede Entscheidung, die in dieser Kommission mit Mehrheit gefällt wird, muss von den AWBZ mit getragen werden, andernfalls wird es keine Mehrheit geben. Jeder Standard und damit auch jede Qualitätskontrolle kann es nur dann geben, wenn die AWBZ sie selbst mittragen.

Zur Individualität: Die Erfahrungen aus England zeigen, dass ein gewisser Grad von Vereinheitlichung (und der ist in England noch sehr viel extremer) nicht zu einem Verlust der Individualität führt, sondern im Gegenteil zu einer Ausprägung der Eigenheiten der Schule. Das ist auch nur logisch, denn wenn alle Schulen in gewissen Teilen gleich sind, müssen sie anfangen, ihre Unterschiede heraus zu arbeiten, um so auf dem Markt der zukünftigen Schüler und Interessenten heraus zu stechen.

Individualität ist ohne jeden Zweifel gut und wichtig. Auf dem expandierenden Markt der TCM ist jetzt jedoch die Zeit der Kommunikation gekommen. Es ist dringend erforderlich, einen Dialog darüber zu führen, was an den einzelnen Schulen gelehrt und gelernt wird, damit ein echter Austausch an Ideen und Möglichkeiten stattfindet, der dann wieder unseren Schülern und damit unseren zukünftigen Patienten zugute kommt.

Nils von Below
1.Vorsitzender der AGTCM



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Naturheilpraxis 10/2005