Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Jubiläumskongress des BKHD vom 01.-03. April 2005 in Leipzig - Kongressbericht

von Roger Rissel

Freitag

Pünktlich um 14 Uhr eröffnete Andreas Zenner, erster Vorsitzender des BKHD, mit einer Begrüßungsrede den Kongress zum 250. Geburtstagsjubiläum von Samuel Hahnemann. Der Kongress unter dem Motto “Einheit in der Vielfalt” wollte Stätte der Begegnung und des Austausches der Homöopathinnen und Homöopathen verschiedener Schulen sein. Dieser Herausforderung stellten sich Veranstalter und Teilnehmer gleichermaßen und spannend blieb die Frage, ob es gelingen würde Einheit zu zeigen.

Herr Burkhard Jung, Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule, sprach Begrüßungsworte für die Stadt Leipzig und betonte darin die gute Wahl dieses Kongressortes. Hahnemann war mehrmals in Leipzig und in den Jahren von 1811 bis 1821 lebte, arbeitete und lehrte Hahnemann in dieser traditionsreichen Universitätsstadt. Die Ausbildung von Homöopathen hat hier ihren Anfang genommen. So war dieser Ort für den Kongress bestens geeignet.

Karin Rohloff, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie (DGKH), schaffte ebenso charmante wie kompetente Überleitungen zwischen den Programmpunkten und stellte dabei jeden Referenten kurz mit den wichtigsten Daten seiner Laufbahn vor.

Der Freitag hatte einen wissenschaftlichen Schwerpunkt, und mit den Vorträgen von Professor Dr. Karen Nieber (Leiterin des Pharmakologischen Instituts der Universität Leipzig) und ihrem Kollegen Professor Dr. Wolfgang Süß war ein erster Höhepunkt des Kongresses gleich zu Beginn gesetzt worden.
Frau Professor Nieber trug dem Auditorium in anschaulicher Weise die Fragestellung, die Methodik, die Versuchsanordnungen und die interessanten Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit vor.
Es ging um den Nachweis von Wirkungseffekten von flüssigen Belladonna- und Atropin-Potenzen an einem geeigneten in-vitro-Testmodell. Am isolierten Darm der Ratte wurde eine Wirkung nach vorheriger Stimulation durch Acetylcholin gemessen.
Es konnte gezeigt werden, dass homöopathische Verdünnungen (Potenzen) die Acetylcholin-induzierte Kontraktion am isolierten Ileum der Ratte signifikant beeinflussen. Es konnten sowohl Kontraktionsverstärkung (niedrige Potenzstufen wie D6 oder D10) als auch Kontraktionshemmung (hohe Potenzstufen wie D30, D60 und D100) bei gleicher Volumenzugabe in die Versuchsanordnung gemessen werden.

Im Unterschied dazu konnten Kontraktionen, die durch Histamin oder Kaliumdepolarisation induziert wurden, nicht beeinflusst werden.
Arzneiverdünnungen, die nicht verschüttelt, sondern nur zum gleichmäßigen Vermischen gerührt wurden, zeigten in den höheren Potenzen keine messbaren Effekte. Eine Versuchsreihe mit Nux vomica zeigte keine messbaren Effekte.
Als Ergebnis ließ sich aus den vielfältigen Versuchsreihen ableiten, dass das Potenzierungsverfahren bei der Herstellung flüssiger homöopathischer Arzneimittelpotenzen eine Bedeutung für die Wirksamkeit hat. Der Nachweis der Wirkeffekte ist abhängig von dem Mechanismus der Stimulation und dem Wirkungsmodus der Arzneisubstanz (dass die Versuchsreihe mit Nux vomica bei Stimulation nach Acetylcholin keine Wirkeffekte zeigte, liegt an dem anderen Wirkort (Rezeptor) dieses Arzneimittels – als Homöopathen würden wir sagen, dass es nicht homöopathisch zur Krankheit ist).

Frau Professor Nieber betonte, dass ihre Versuche und die Ergebnisse noch keinen Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie darstellen. Es sind Versuche die sozusagen im Reagenzglas stattfanden. Kollegen an anderen Instituten wollen ihre Versuchsreihen auf Nachvollziehbarkeit prüfen.

Betroffen machte die Aussage Frau Niebers, dass sie durch die Veröffentlichung ihrer Versuchsergebnisse Anfeindungen erfahren hat.
Professor Süß stellte seine Versuche vor, die sich mit der Übertragung des “wirksamen Agens” aus einer flüssigen homöopathischen Hochpotenz durch Imprägnierung von Milchzucker, Streukügelchen und Tabletten befassten.

Der diesem Vorgehen zugrunde liegende Mechanismus war bisher unbekannt.

In vorbereitenden Versuchen konnte am gleichen Modell, das auch Frau Professor Nieber verwendet hat, gezeigt werden, dass das Lösungsmittel einer flüssigen Arzneipotenz Wasser enthalten muss, damit Wirkungen nachgewiesen werden können. Reiner Alkohol oder Aceton als Arzneimittelträger (hier der Belladonnapotenz) zeigen keine Wirkung. Erst ein Alkohol-Wasser-Gemisch oder reines Wasser sind geeignete Träger für das “wirksame Agens”.

Diese Vorversuchsreihe zeigte, dass Wasser eine entscheidende Bedeutung bei der Herstellung der Arzneipotenzen zukommt.
Professor Süß untersuchte nun, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um die wirksame flüssige Atropinpotenz auf verschiedene Feststoffe zu übertragen (zu imprägnieren).

Die Stoffe Lactosemonohydrat, wasserfreie Lactose, Xylitol, kristalline und gemahlene Saccharose zeigten keine Wirkung.
Triturationen, also Verreibungen von Lactosemonohydrat zeigten jedoch einen hochsignifikanten Effekt. Durch verschiedene bildgebende Untersuchungsmethoden (Röntgendiffraktometrie, FTIR-Mikroskopie, Thermogravimetrie und Differenzkalorimetrie) konnte gezeigt werden, dass die Verreibung im Mörser (tribomechanische Behandlung) zu Gitterstörungen im Lactosemonohydrat-Molekül und einer Vergrößerung der Hydratkanäle führt. Dies ist ausschlaggebend für die Erhaltung des Wirkeffektes bei der Imprägnierung.

Mit weiteren Versuchen an Glaskügelchen mit verschiedenen Porengrößen konnte gezeigt werden, dass eine bestimmte Porengröße notwendig ist, damit die Wirkung der flüssigen Zubereitung bei der Übertragung auf einen Feststoff erhalten bleibt.
Die Übertragung auf Streukügelchen und poröse Substanzen mit Porengrößen kleiner 30 nm ist möglich. Eine Vorbedingung für die Übertragung scheint eingeschlossenes Wasser (confined water) mit seiner speziellen Wasserstruktur in Poren kleiner 30 nm oder Hydratkanälen des Laktosemonohydrates zu sein.

Die Versuchsreihe von Prof. Süß konnte notwendige Bedingungen für die Herstellung wirksamer Arzneiformen aufzeigen. Sie zeigt auch, wie zuverlässig mit dem Testmodell gearbeitet werden kann.

Vor dem dritten Vortrag von Dr. Eckehard Eibl konnten sich die Teilnehmerinnen erfrischen mit Getränken und kleinen Speisen und die Ausstellung besuchen. Hier präsentierten sich Arzneimittelhersteller, Softwarehersteller und Büchertische verschiedener Firmen.

In seinem Vortrag über die neurophysiologischen Aspekte von Geistes- und Gemütssymptomen ging der Biologe und Heilpraktiker Dr. Eckehard Eibl, Simmerath, auf den Stand der aktuellen Forschung auf diesem Gebiet und deren Bedeutung für die Homöopathie ein.
Eckehard Eibl wies auf die Bedeutung von Grundrhythmus und Kompensation bei jedem Individuum hin. Die erste Erfahrung im Leben gäbe den Takt vor, das Individuum antworte darauf mit einer Kompensation, weitere Erfahrungen und aktuelles Geschehen komplettierten das Bild. Ein Therapeut, der den Taktgeber nicht erkenne oder nicht berücksichtige, habe so ein Problem bei der erfolgreichen Behandlung eines Patienten. Wenn beispielsweise der Fötus im Mutterleib starke Blutzuckerschwankungen der Mutter erfahren habe, gäbe das Thema Mangel und Versorgung den Grundrhythmus vor. Nur wenn dieser behandelt würde könne sich das Gesamtbild verändern.

Mit dem vierten Vortrag für diesen Tag erfolgte der Übergang in die praktische Ausübung der Homöopathie. Dr. med. Michael Barthel, bekannt als Herausgeber des Deutschen Journal für Homöopathie, durch die Bücher des Barthel und Barthel Verlags und als Arzneimittelhersteller, stellte zwei von unter seiner Leitung geprüften und in den homöopathischen Arzneimittelschatz eingeführten neuen Arzneimittel vor.

Die einleitend gestellte Frage, ob denn neue Arzneimittel in der Homöopathie benötigt werden, beantwortete der Referent mit einem eindeutigen “Ja”.
Als erstes wurde das Arzneimittel Bulbophyllum neilgherrense, eine Orchideenart, die in den Tropen heimisch ist und bei Eingeborenen als Heilmittel bekannt ist, vorgestellt. Dieses Arzneimittel kann bei vielen Erkrankungen besonders von Herz und Kreislauf, Atembeschwerden und Magenproblemen indiziert sein, und an Fallbeispielen konnte Dr. Barthel die Wirksamkeit bei Herzkrankheiten und Hypertonie demonstrieren. Ein besonderes Begleitsymptom, das mittelweisend sein kann, ist ein Angstzustand, der beim Fahren im Tunnel auftritt.

Die zweite Arznei, Canscora diffusa aus der Familie der Gentianaceae, weist einen spezifischen Bezug zu Störungen des ZNS auf. Wieder kam der Hinweis auf die pharmakologische Wirksamkeit dieser Pflanze von Eingeborenen. Sie ist bei Problemen, die während der Schulzeit der Kinder beobachtet werden, angezeigt. Im Besonderen bei Konzentrationsstörungen, Legasthenie und Lernstörungen konnte das neue Mittel schon erfolgreich eingesetzt werden.
Die Pflanze ruft als Vergiftungssymptome mentale Störungen hervor, insbesondere depressive Zustände und Schizophrenie ähnliche Symptome.

Die Falldarstellungen des erfahrenen Praktikers beeindruckten die Zuhörerinnen und Zuhörer.
Nach einem reichhaltigen Vortragsprogramm nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den freien Abend, um in kleinen Gruppen sich Leipzig näher anzuschauen und vielleicht bei einem Glas Gosse 1 zu entspannen.

Samstag

Besuch des Denkmals

Galaabend

Sonntag

...

1 Eine Art Bier, das Hahnemann schon getrunken hat.

Berichterstatter:
Roger Rissel, Für die freundliche Unterstützung von Angela Baral und Helga Häusler bedanke ich mich herzlich.

Fotos: Angela Baral, Claudia Wittenberg



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