Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Interview mit einem Akupunkteur

Michael van Gorkom im Gespräch mit Peter Deadman

Ich traf Peter Deadman anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung des Arbeitskreises Süd der AGTCM in München. Thema war die Verwendung ungebräuchlicher Akupunkturpunkte sowie die unkonventionelle Anwendung gebräuchlicher Akupunkturpunkte.

Peter Deadman ist – zusammen mit Marzin Al-Kafaji und Kevin Baker – der Autor des Buches „A Manual of Acupuncture“. Dieses Buch stellt heute eines der Standardwerke in Ausbildung und Praxis der Akupunktur in ihrer auf klassischen Quellen basierende Form dar.
Er ist auch der Herausgeber des “Journal of Chinese Medizin“ und deshalb der richtige Mann um zu Forschung und Entwicklung innerhalb der Chinesischen Medizin angesprochen zu werden.

MvG:
Peter, ich weiß, Du befasst Dich seit 30 Jahren mit Chinesischer Medizin und deshalb möchte ich Dich bitten, die Quintessenz dieser Zeitspanne zu formulieren.

PD:
Das Wachstum der Chinesischen Medizin im Westen war in den letzten 30 Jahren phänomenal und ich habe keinen Grund zur Annahme, dass dieses Wachstum nicht genauso kräftig weitergehen wird.

MvG:
Hier in München hast Du über die Verwendung ungebräuchlicher Punkte gesprochen. Was verstehst Du unter einem ungebräuchlichen Punkt, und warum ist es gut, sich mit diesen Punkten auszukennen?

PD:
Genau gesagt habe ich versucht, nicht nur die ungebräuchlichen Punkte, sondern auch den ungewöhnlichen Gebrauch häufig verwendeter Punkte abzudecken. Es ist aus mehreren Gründen wichtig sich hier auszukennen. Zunächst ist Akupunktur – wie alles andere auch – bestimmten Modeströmungen unterworfen, und wenn wir Punktbeschreibungen in verschiedenen Klassikern betrachten, sehen wir – im Vergleich zum heutigen Gebrauch – sehr verschiedene Muster der Punktverwendung. Es ist sehr wichtig sich an dieses Material zu erinnern.

Zweitens ist es heute bei Therapeuten weit verbreitet, nur eine relativ geringe Anzahl von Punkten in ihrer Praxis täglich einzusetzen, so dass sie fast vergessen, dass es darüber hinaus jede Menge von Akupunkturpunkten gibt, die sie nie verwenden. Mehrere Punkte ins Kalkül einer Behandlung zu ziehen, hilft, die Möglichkeiten unserer Behandlungen zu erweitern.

Drittens wurde in den letzten Jahren der Akzent mehr auf eine Punktselektion auf der Basis der Syndromlehre gesetzt. Erst mal ist das nichts Schlechtes, aber es wird riskiert, etwas an die Wand zu drücken, das ich “Akupunktur der Akupunkteure” nennen möchte und das seine Punktwahl zum einen mehr in der Leitbahn-Differenzierung und zum anderen in einem empirischen Gebrauch der Punkte begründet. In diesem Seminar haben wir beispielsweise betrachtet, wieso so viele distale Punkte des Magen-Meridians bei psycho-emotionalen Problemen indiziert sind und stellten fest, dass ein innerer Ast des Magen-Meridians zum Herzen abzweigt, während der Hauptmeridian sich bei den Punkten Shengting Du 24 und Renzhong Du 26, die bei diesen Beschwerden ebenfalls sehr wichtige Punkte darstellen, mit dem Du Mai und damit mit dem Gehirn verbindet.

Zu guter Letzt sind sich nur wenige Behandler aller traditionellen Indikationen und Einsatzmöglichkeiten der häufig verwendeten Punkte bewusst. Zum Beispiel behandeln viele distale Leber-Punkte – allen voran Xingjian Le 2 und Taichong Le 3 Probleme der Miktion. Zum einen, weil der Leber-Meridian über die Blase verläuft, zum anderen aufgrund der Rolle der Leber bei der Transformation des Blasen-Qi.

...

MvG:
Peter, ich möchte Dir für dieses Gespräch danken und freu mich, Dich dann bei diesem Kurs wieder zu sehen und zu hören.

Übersetzt von Michael van Gorkom

Peter Deadman freut sich über Kommentare zu diesem Interview (Bitte unbedingt in Englisch!!): peter@jcm.co.uk
Bei Interesse am Kurs bitte an: AK-Süd im EIOM München, Augustenstr. 77, 80333 München, Tel.: 089 - 52 05 75 80
E-Mail: info@eiom.de,

Andrologische Beschwerden in der Behandlung mit Akupunktur, Peter Deadman (East Sussex/GB)
29.–30.10. 2005, Sa 10–18 Uhr; So 9–17 Uhr, 15 Creditstunden Anmeldung/Kursort: EIOM,
Augustenstr. 77, 80333 München,
Anm. 15.10.: 220,--/270,-- Euro, danach + 25,-- Euro

Das genannte Buch von Peter Deadman ist unter dem deutschen Titel „Großes Handbuch der Akupunktur“
ISBN: 3-927344-42-7 im Verlag ganzheitliche Medizin / Erich Wühr erschienen.
Näheres zu den STRICTA-Richtlinien findet sich im Internet unter der Adresse: www.ftcm.org.uk/stricta_article.htm



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