Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Chinesische Medizin aus den Klassikern:

Nüke Baiwen – 100 Fragen zur Frauenheilkunde

von Udo Lorenzen

„Die Achtsamkeit des Herzens ist die Essenz unserer Arbeit“

6. Frage: Wie kommt es, daß beim Warten auf die Periode diese mal zu früh, mal zu spät oder mal zu unbestimmter Zeit erscheint?
Die Antwort lautet: Krankheiten der verheirateten Frau treten auf, wenn das Monatswasser plötzlich zuviel oder plötzlich zu wenig oder entweder zu früh oder zu spät erscheint. Manchmal entwickeln sich dabei Schmerzen. Die Mediziner berufen sich in allen Beispielen auf Krankheiten der Regel (jing bìng ). Niemals sollte man (allerdings) einfach sagen, das Yin besiegt das Yang! In dem Fall wird eine Dosis an Medizin wenig Wirkung haben. Denn Yin-Qi im Überfluss überwältigt das Yang, sodaß kaltes Qi in der Gebärmutter Kälte (hervorbringt). Das Blut ist dann nicht (mehr) in Bewegung. Die Klassiker sagen deshalb: Kälte am Himmel läßt den Erdboden gefrieren, daß Wasser erstarrt und wird zu Eis. So kommt es, daß plötzlich (das Monatswasser) weniger wird und erst später als nach einem Monat eintritt.
Ähnlich ist es, wenn das Yang-Qi im Überfluss ist und das Yin überwältigt. In dem Fall fließt das Blut sich exzessiv zerstreuend (san yì ). Die Klassiker sagen deshalb: die Sommerhitze am Himmel läßt den Erdboden heiß werden, das Monatswasser läuft kochend über (fèi yì ), sodaß plötzlich (die Blutung) zuviel ist und schon früher als nach einem Monat (einsetzt).

Man sollte (immer) das Yin und das Yang in Einklang bringen (hé ) und Qi und Blut harmonisch mischen (tiáo ). Dann kehrt Ruhe ein und das Glück ist gewiss!

Krankheiten und Rezepturen

Das Yang-Qi besiegt das Yin: die Regel kommt fälschlicherweise (zu früh) und (die Blutung ist zu) viel.
Rezeptur: Dang Gui Yin = Trank mit Dang Gui. Er zügelt das Yang und hilft dem Yin. So werden die Leitbahnen und Gefäße (jing mài ) harmonisch ausgerichtet.

1 Qian: eigentlich Geld oder eine Münze, war im alten China ebenfalls ein Maß zum Abmessen von Gewichten, hier ein Zehntel eines chinesischen Liang oder Unze (ca. 36 g), also 3,6 g. vergl. F. Hübotter: Chinesisch-Tibetische Pharmakologie und Rezeptur, Ulm, 1957. Man beachte, daß die Maße und Gewichte in den verschiedenen Dynastien Chinas unterschiedlich waren!
2 bedeutet wahrscheinlich: ohne mit Feuer in Kontakt zu kommen, also roh.
3 auch Hua Jiao (Pericarpium Zanthoxyli); die getrocknete Schale der reifen Frucht vom Pfefferbaum; sehr erwärmend, Kälte zerstreuend, Parasiten bekämpfend; die Dämpfe bei der Zubereitung sind etwas giftig, deshalb die Vorsichtsmaßnahmen.
4 etwas die Größe eines Kirschkerns
5 Wu Ling Zhi ist Fledermauskot!
6 Zeng Ruo Xu : ein berühmter daoistischer Arzt aus der Song-Dynastie, der besonders für seine erfolgreichen Behandlungen bei Frauen bekannt war.
7 Die Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) hat eigentlich nur wenige Akupunktur-Klassiker hervorgebracht. Zu erwähnen sind das Tong Ren Shu Xue Zhen Jiu Tu Jing (Klassiker mit Abbildungen der Akupunkturpunkte am Bronzemenschen), 1027 von Wang Wei Yi und das Zhen Jiu Zi Sheng Jing (Der lebensbewahrende Klassiker der Nadel- und Moxa-Therapie) des Wang Zhi Zhong, 1220. Im Zuge der Neuformierung des Konfuzianismus entwickelte sich in der Song-Zeit auch in der Medizin eine Neuorientierung in Richtung auf Bürokratisierung und Qualitätssicherung; diese war zwar gelehrtengeprüft und von der Obrigkeit abgesegnet, mangelte aber an wirklichen Innovationen und daoistischen Freigeist. Die Anpassung an das System stand nun im Vordergrund, d.h. für die verheiratete Frau ihre Gebärfähigkeit und für den Ehemann seine Karriere im Beamtenstaat. In dem Sinne waren auch die Bücher dieser Zeit konzipiert: Kompendien aus den Werken vergangener Dynastien, systematisch aufbereitet als Gelehrtenmedizin, die geordnet Wissen vermittelte, ohne neue Erkenntnisse zu bieten..

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Anschrift des Verfassers:
Udo Lorenzen
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E-Mail: u.lorenzen@ki.comcity.de
Web: www.zhenjiu.de



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