Dies ist für die Kinder, die anders sind

von Erika Holler-Erpenbach

Es ist nicht zu leugnen! Auffällige Kinder können uns zur Weißglut treiben. Die kleinen Tyrannen beherrschen die Szene. Sie müssen rascheln, reden, aufspringen, hin und her laufen oder träumen unansprechbar vor sich hin. Der ständige Ärger mit dem Kindergarten oder der Schule, mit der Familie oder dem Ehepartner wegen dem Kind, lässt die Nerven an einem seidenen Faden baumeln.

Welches Elternteil ist schon im Umgang mit einem Kind geschult, das Symptome wie Konzentrationsstörungen, Träumen, Ablenkbarkeit an den Tag legt? Welcher Lehrer/in kann souverän mit Impulsivität, die sich durch Wutanfälle und einem hastig überhüpfendem Wahrnehmungsstil (bekommt einerseits schnell etwas mit, aber übersieht Wichtiges, vergisst sein Heft, Turnzeug...), äußert, umgehen? Kommt zu den gerade genannten ADS- (Aufmerksamkeits Defizit Syndrom) Merkmalen auch noch die motorische Hyperaktivität einer ADHS (Aufmerksamkeits Defizit Hyperaktivitäts Störung) dazu, wird von den Erwachsenen eine Meisterleistung im Umgang mit “den Kindern, die anders sind” abverlangt.

Eine erschwerte Meisterprüfung ist dann zu leisten, wenn soziale Beziehungsstörungen, eine geringe Frustrationstoleranz, Kaspern, Einschlafschwierigkeiten, Lernstörungen, Distanzlosigkeit, Entwicklungsverzögerungen vorhanden sind.

Zeigt das sonst eher “normale” Kind eine MCD (minimale cerebrale Dysfunktion), kann das in so mancher Familie zu massiven Problemen im Miteinander führen. Eine Lese-Rechtschreibstörung kann Eltern in der Paarbeziehung auf eine Zerreißprobe stellen. Die MCD Kinder nehmen zu viele Details wahr, verlieren sich in Einzelheiten und verpassen so das Gesamtthema, weil sie die Reize ungenügend integrieren können.

Wir können uns vorstellen, wie nervig es sein kann, mit diesem Kind Hausaufgaben zu machen. Eine Arbeit, die das Kind alleine bewältigen sollte und nicht zustande bringt.

Stellen wir uns vor, ein Kind mit MCD ist mit akademischen Eltern gesegnet.

In den ersten Schuljahren stellt sich heraus, dass eine Lese-Rechtschreibstörung vorhanden ist. Plötzlich wird der Ehemann oder die Ehefrau durch die Forderung nach besserer Leistung zum Feind. Ein Partner sitzt dann zwischen zwei Stühlen, will dem Kind Unterstützung sein und will sich auch die Paarbeziehung nicht verderben. Wir können nachvollziehen, welchen Spagat dieses Elternteil leisten muss und welche Schuldgefühle auf diesem Kind lasten. “Wegen mir...” steht auf dem Banner, das Zappelphilipp oder Träumerlein vor sich herträgt...

Rp.
Amara Tropfen Pascoe 50,0
Quassia Similiaplex 50,0
M.d.s. 2x tgl. 4-8 gtt. a.c. in Wasser (je nach Alter)
Neurapas balance Tbl. N2
D.s. 2x tgl. 1 Tbl. a.c.(Kinder von 6-12 Jahren)

Als Idee kann an folgende homöopathische Einzelmittel gedacht werden:

– Agaricus – Wutausbrüche, Türenzuschlagen, zappeliges Hin – und Herrennen, verstärkt Gallen- und Pankreassekretion, besänftigende Wirkung auf das Nervensystem
– Hyoscyamus – Zerstörungswut, eifersüchtig, selbstzerstörerisch, Kinder schlagen, beißen, kratzen
– Lachesis – Große Redelust, empfindlich, gereizt, schläft schlecht
– Mercurius – hastiges unkonzentriertes Wesen, Angst
– Moschus – höchste Erregung, geballte Spannung, bis zur totalen Erschöpfung
– Phosphorus – ist nicht gern allein, enorm dynamisch, stets voller Ideen, aber schnell erschöpft

Es ist klar, dass noch viele, viele Aspekte der Ursachen und der Behandlung berücksichtigt werden müssen und können.
Eine kompetente Begleitung in Gesprächen und ressourcenorientiertes Arbeiten zeigt den Eltern und dem Kind die positiven Elemente der Familie und vor allem des Kindes auf.
Eigene Interessen der Eltern und ihre Zweisamkeit sollten wieder gepflegt werden, sodass der Focus Problemkind von dem Kind wieder genommen werden kann!
Freiräume geben und Grenzen setzen! Kinder spiegeln gnadenlos eigene Konflikte der Eltern, so dass Eltern eigentlich auch ihr System anschauen müssten. Das ist allerdings der schwierigste Part der Therapie. Leicht geschrieben, in der Praxis schwer gemieden!

Die Kinder, die Ohren haben, zweimal so groß wie die der Altersgenossen, sie sind interessant, phantasievoll, kreativ, sensibel und passen sooft nicht in das vorgegebene Raster.

Es ist eine besondere Aufgabe als Eltern und als Therapeuten diese schillernden Kinder im Leben zu begleiten. Erhalten wir ihre Kreativität, finden wir morgen Erwachsene, die unsere Gesellschaft dringend benötigt

“Denn wenn sie erwachsen sind, die Geschichte hat es gezeigt, sind es die Unterschiede, die sie einzigartig machen.”
Eine ganzheitliche Therapie, die das familiäre Gefüge, das Wesen und das Stoffwechselgeschehen des Kindes berücksichtigt, bekommt es eine Stütze, mit der es Mauern überspringen kann.
Oder soll es von Medikamenten sediert auf der Mauer sitzen bleiben?

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Quellen:
“Keine Pillen für den Zappelphilipp” (Reinhard Voss/ Roswitha Wirtz)
“Pharmakologie und Toxikologie B 1” Wissenschaftsverlag Grundlagenwerk für Studenten, der Pharmazie, Chemie, Biologie
“Taschenbuch der unerwünschten Arzneiwirkungen”
“Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern” (Lauth, Schlottke)
“Die Familie und das hyperaktive Kind” (Dr. Vera Rosival)

Verfasserin:
Erika Holler-Erpenbach



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Naturheilpraxis 12/2004