Wenn die Darmflora laufen lernt

von Andreas Rüffer, Jürgen Balles und Gero Beckmann

Kaum erblicken wir das Licht der Welt, gehen die Probleme auch schon los. Nicht nur, dass die bequeme Einzimmerwohnung schlagartig per Räumungsklage gekündigt wurde. Atmung, Verdauung ... – viele Dinge müssen nun eigenverantwortlich geregelt werden. Und zu allem Überfluss klopfen tagtäglich Unmengen von potentiellen Krankheitserregern an und verlangen Einlass ...

Dreh- und Angelpunkt kleinkindlicher Darm

Eigentlich erstaunlich, dass Neugeborene trotz all dieser Widrigkeiten wachsen und gedeihen. Ein gewichtiger Grund dafür liegt im Darm. Die Darmflora übernimmt eine Schlüsselposition v.a. für die immunologische Entwicklung des Menschen. Und sie lässt sich positiv beeinflussen – mit weitreichenden Folgen. Dies zeigte eindrucksvoll eine skandinavische Studie [20, 21]. Die orale Gabe von Laktobazillen an Mütter (perinatal) und ihre Säuglinge reduzierte signifikant die Prävalenz eines atopischen Ekzems bei den Kindern. Die 4 Jahre später durchgeführte Follow-up-Beobachtung bestätigte den allergiepräventiven Effekt. Nun untersuchen – nach jahrzehntelanger Ignoranz der intestinalen Mikroökologie – verschiedene Universitäten im Rahmen eines europäischen Projektes probiotische Strategien zur Allergieprävention bei Säuglingen ...

Mütterliche Schluckimpfung

Normalerweise legen Keime der mütterlichen Zervikovaginal- und Fäkalflora den Grundstein für die mikrobielle Darmbesiedlung. 5 bis 10 Minuten nach der Geburt per vias naturalis sind erste mütterliche Keime im Neugeborenenmagen, 24 Stunden später erste Bakterien im Stuhl nachweisbar. Escherichia coli und Enterokokken sind dabei die Trendsetter (Abb. 1 - siehe Naturheilpraxis 12/2004). Ihnen folgen zunächst v.a. Bifidobakterien und Laktobazillen. Später, insbesondere nach Zufütterung, kommen weitere Bakteriengruppen dazu. Etwa ab einem Jahr entspricht die Zusammensetzung der Darmflora weitgehend der des Erwachsenen.

Ohne Mikroflora läuft nichts

Parallel zur mikrobiologischen Entwicklung erfolgt die Reifung der kindlichen Darmschleimhaut und des Immunsystems. Das wurde eindrucksvoll an Gnotobioten, also keimfrei geborenen und aufgezogenen Tieren demonstriert. Erst der permanente Stimulus durch die körpereigene Flora bedingt die vollständige Entwicklung der Darmschleimhaut sowie die Funktionsfähigkeit der Immunabwehr. Gnotobioten fehlt das mikrobielle Training. Sie besitzen z.B. 10-fach weniger IgA-produzierende Zellen als mikrobiell besiedelte Tiere. Gerade das IgA fungiert jedoch auf den Körperschleimhäuten als erster „Abfangjäger“ für potentielle Schadstoffe. Gnotobioten sind in der belebten Umwelt nur kurze Zeit überlebensfähig. Bagatellinfektionen machen ihnen rasch den Garaus.

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Literaturhinweise bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:
Dr. Andreas Rüffer
Dr. Jürgen Balles
Dr. Gero Beckmann
Enterosan® / Labor L+S AG
Mangelsfeld 4
D-97708 Bad Bocklet
Tel.: 0800 / 977 08 98 (Kostenfreie Service-Hotline für Therapeuten)
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