Plädoyer für eine psychoanalytische Pädagogik

von Elisabeth O. Theisen

Zugegeben, der Begriff Psychoanalytische Pädagogik klingt manchem zu sehr nach Theorie oder nach einer Tendenz. Er wird trotzdem gewählt, weil er ein historisch gewachsener Begriff ist, und weil er zwei wesentliche für die Erziehung junger Menschen notwendige Elemente verbindet.

Psychoanalyse hilft menschliches Handeln in seiner Vielschichtigkeit zu begreifen und neben dessen aktivem Ziel seinen verborgenen, unbewussten Sinn zu verstehen.
Pädagogik unterstützt junge Menschen, sozial verträgliche Ziele zu erreichen, und fördert individuelles Wachstum.

Wesentliche Merkmale einer psychoanalytischen Pädagogik sind:

– die Berücksichtigung der psychischen Wirklichkeit eines Kindes und deren Beziehung zur realen Lebenssituation. Zum Beispiel hinterfragt man unverständliche und antisoziale Äußerungen auf ihren unbewussten Sinn hin.
(Ein 5-jähriges Mädchen beklagte sich in meiner Praxis über ihre „Sch. . ..Eltern“. Ich wusste, dass sie ein anhängliches und geliebtes Kind war und fragte nach, was vorgefallen sei. Sie erklärte mir, dass sie „wegen der Sonne“ nicht rausgehen dürfe und auch nicht „Sand spielen“ dies nur wegen „dem Fernsehen“, wobei die Mama selbst sagen würde, dass nicht „alles stimmt, was im Fernsehen kommt“. In seiner Gedankenwelt erschien das Ausgehverbot der Eltern, das diese wegen des Vorfalls von Tschernobyl erlassen hatten, als Wortbruch, als Enttäuschung. Das Mädchen hatte den Sinn des Verbots nicht erfasst.
Ich gab ihr zu verstehen, dass ich ihre Enttäuschung nachvollziehen könne und forderte sie auf, dies ihrer Mutter zu sagen. Die Mutter zeigte sich betroffen von der Not des Kindes und sprach mit ihr darüber, dass es manchmal Situationen gibt, die erfordern, dass auch Eltern nicht Wort halten können. Sie versuchte ihr den realen Grund für das Ausgehverbot zu erklären. So konnten Mutter und Kind ihre Frustration gemeinsam bewältigen.)

– die einfühlende Annäherung an das Erleben von Kindern und Jugendlichen.

Damit verändert man die Wertung des Verhaltens und erschließt die Möglichkeit, ein Bild von der inneren Verfassung des Kindes und ein Verständnis dessen, was es meint, zu gewinnen.

Psychoanalytische Pädagogik in der Schule

Projekt: Erlebnis Schule

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Literatur:
Dolto, Francoise: Alltagsprobleme mit Kindern und Jugendlichen, 1992 München Berlin
Fürstenau, Peter: Entwicklungsförderung als Therapie, München 1992
Hirblinger, Heiner: Einführung Psychoanalytische Pädagogik der Schule, 2001 Würzburg
Kluwe Siegbert: Das ist doch meine Geschichte (Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen) München 2001
Mead, Magaret: Der Konflikt der Generationen (Jugend ohne Vorbild), 1974 München

Zeitschriften:
Psychosozial: Pioniere der Psychoanalytischen Pädagogik, hrsg. v. Reiner Kaufhold, Gießen 1993
Spiegel Spezial: Lernen fürs Leben, 2004

Anschrift der Verfasserin:
Elisabeth O. Theisen M. A.
Psychotherapeutin f. Kinder u. Jugendliche
Mitglied der Arbeitsgruppe Psychoanalytische Pädagogik der Münchner Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie.
Kobellstr. 2
80336 München
Tel: 089 - 53 72 49



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