Hintergrund

Das Gesicht der Wahrheit ist mit einer goldenen Schale überdeckt: Gesundheit durch Surya Namaskar

von Christian Reichard

Du hast die Erde geschaffen nach Deinem Belieben,
Allem Lebendigen gibst Du Speise für immer,
Du erteilst das Maß der Lebenszeit einem jeden.
Aufgang und Untergang schaffst Du, lebende Sonne,
Dunkel vergehst Du und strahlend kehrest Du wieder,
Du bist das Pochen in meinem Herzen!
Alles, was wir in Deinem Lichte erschauen,
Wird vergehen,
Du aber lebst und blühst für immer und ewig!1

Diese altägyptische hymnisch-trunkene Verehrung der Sonne ist im Laufe der Zeit einer eher nüchternen Betrachtung unseres Zentralgestirns gewichen: „Die Sonne ist ein Stern, eine selbstleuchtende Gaskugel, die ihre Energieausstrahlung durch Verschmelzen von Atomkernen deckt. Hinsichtlich Größe, Masse und Leuchtkraft ist die Sonne ein ganz gewöhnlicher Durchschnittsstern. Nur weil sie uns im Vergleich zu den (Fix-)sternen so nahe ist, erscheint sie am irdischen Firmament als grell leuchtender Feuerball, der alles andere überstrahlt“.2 Wir wissen aus allen Hochkulturen dieser Erde, dass man der Sonne eine ganz besondere Bedeutung zugemessen hat, dass sie als Sinn- und Abbild der göttlichen Wesenheit tief in der menschlichen Seele empfunden wurde. So ist unsere heutige Anschauung von dieser unbestritten lebensspendenen Kugel da droben das mager-nüchterne Zeichen dafür, dass diese Welt inzwischen von Gott und allen lichtdurchfluteten Göttern enthoben worden ist – so wie auch unser menschliches Dasein so keinen rechten spirituellen Sinn mehr zu haben scheint. So bleibt denn übrig lediglich dieser grelle atomare Feuerball als materialistisches Relikt in einem ewigen kalten Weltraum, in dem wir und unsere Erde lediglich von physikalischen Gesetzten getrieben sinnlos herumtrudeln. Schauen wir mit den stofflichen Augen, so sehen wir in der Tat nur Physikalisches, Mechanisches, welches naturgesetzesmäßig einem fernen kalten Tod in einem galaktischen Schwarzen Loch entgegentaumelt. Doch sehen wir mit den Augen der Seele, dann leuchtet aus allem heraus Seelisches, dann vermag die Natur wieder als erfüllt mit Gottheiten und Elementarwesen verstanden werden. Nicht nur die Sonne, nein auch die Wandelsterne, die Planeten haben ihre ganz besondere Bedeutung für den andächtig lauschenden Menschen. “Du beobachtest wohl des Nachts mit sehr weisem Verstande die Sterne an dem Himmel über deinem Hausdach, aber du weißt nicht, dass der Weg zu ihnen durch ihr Ebenbild führt, das in dir wohnt, und du verfällst nicht auf den Gedanken, dass dich Götter von oben grüßen, die da wollen, du möchtest zu ihnen emporsteigen”.3

Heilkraft von innen

Yoga für jeden

Praxis

Das Sonnengebet

OM. Ich verehre Surya, die geistige Sonne, den schönen Herrn der Welt, den Unsterblichen, von dem alle Heiligen Schriften sprechen, den Bezeuger aller Gunst, der Kenntnis ist in der Form von Brahman (das Absolute), den Herrn der Engel, den Unbefleckten, das eine wahre Bewusstsein der Welt, den Herrn der Geistwesen und der Menschen, den Lehrer der Engel, den Juwelen-Eckstein der drei Welten, den Einen in der Form der Dreifaltigkeit, den Geber des Lichts.

Das Gesicht der Wahrheit ist mit einer goldenen Schale überdeckt. Lüfte diese Schale der Materie, oh Sonne, damit ich hinter ihr Deine geistige Wahrheit erkennen kann.

O geistiger Ernährer, einzig-seiendes, alles-beherrschendes Wesen, Logos, Sohn des Schöpfers, sende Deine Strahlen aus und sammle Dein brennendes Licht an; ich gewahre Deine glorreiche strahlende Form, ich bin Er, das Wesen in Dir.11

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Anmerkungen

  1. Aus dem Sonnengesang des Echnaton (übertragen von Ludwig Goldschneider)
  2. Hans-Ulrich Keller, Astrowissen, Stuttgart 1994
  3. Gustav Meyrink, Der Engel vom westlichen Fenster, München 1975
  4. Swami Satyananda Saraswati, Asana, Pranayama, Mudra, Bandha, Bihar 1980
  5. .es ist eine sehr gute Methode, um alle Gelenke und Muskeln des Körpers zu lockern, ebenso wie die inneren Organe. Es ist eine hervorragende Morgenübung nach einem Bad und bevor man andere Yogaübungen macht. Wenn sich jemand irgendwann am Tag müde fühlt, so wird diese Übung die verlorene Vitalität wiederherstellen – körperlich wie auch geistig.
  6. Rajah von Aundh, Das Sonnengebet, Artha Verlag, Haslach o.J.
  7. Der gleiche Strom des Lebens, der Tag und Nacht durch meine Adern fließt, strömt durch die Welt und tanzt in rhythmischen Maßen. Das gleiche Leben ist es, das freudevoll durch den Staub der Erde schießt in zahllosen Gräsern und ausbricht in den rauschenden Wogen von Blättern und Blumen. Das gleiche Leben ist es, welches geschaukelt wird in der Ozeanwiege von Tod und Geburt, von Ebbe und Flut. Ich fühl meine Glieder erstrahlen von der Berührung der Welt dieses Lebens. Und mein Stolz stammt aus dem Lebenspuls der Äonen, die durch meine Adern tanzen in diesem Augenblick.
  8. Abbildung: Harish Chandra, aus: Phulgenda Sinha, Yoga, Bombay 1976
  9. z.B. Swami Sivananda Sarasvati, Kundalini-Yoga, München 1953
    Werner Bohm, Die Lotusblumenkraft Chakras, München 1974
  10. Näheres zu den Bija-Mantras finden Sie in Raja von Aundh, Das Sonnengebet, Artha-Verlag, Haslach o.J.
  11. Swami Sivananda, Das Sonnengebet, Bern o.J. Humata Verlag

Anschrift desVerfassers:

Christian Reichard
Heilpraktiker
Hauptstr. 36
85664 Hohenlinden
www.praxis-reichard.de



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