Hintergrund

Die Idee der Ausleitung bei Paracelsus

von Olaf Rippe

Die ersten systematischen Betrachtungen zum Thema Ausleitung sind uns aus antiker Zeit überliefert. Auf Hippokrates gehen die fünf Kardinalmethoden der Entgiftung zurück: Schwitzen, Aderlass, Erbrechen und Abführen (Purgation nach oben oder unten) sowie die Kauterisation (künstliche Wunden). Man war damals der Ansicht, dass die Gesundheit (Eukrasie) von der Harmonie der vier Säfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) abhängig ist. Man glaubte, dass das dauerhafte Überwiegen eines der Säfte unweigerlich zu einer Disharmonie und damit zur Krankheit, der Dyskrasie, führen würde. Nur durch die Ausleitung der schuldigen Materie war die Wiederherstellung der harmonischen Säftemischung möglich.

Über 2000 Jahre war die Säftelehre die unumstrittene Grundlage medizinischen Denkens. Erst mit Aufkommen der reduktionistischen Weltvorstellung in der Medizin vor ca. 200 Jahren, mit ihrer Trias Wirkstoffe, Erregerlehre und Zellularpathologie, verlor die Säftelehre nicht nur in Deutschland an Bedeutung. Zwischen den zwei Weltkriegen waren die Ausleitungsverfahren in der Naturheilpraxis jedenfalls so gut wie unbekannt, bis auf einige Volksmediziner, die noch nach alter Tradition arbeiteten. Dies war sicher ein Rückschritt und kein Fortschritt, denn altes Wissen ist nicht veraltet, sondern die Grundlage für zukünftiges Denken und Handeln. Der Arzt Bernhard Aschner schrieb hierzu im Jahre 1928: “Man kann mit ruhigem Gewissen sagen, dass die interne Medizin vor 100 Jahren der heutigen trotz aller neueren diagnostischen und technischen Errungenschaften hinsichtlich der Heilerfolge oft weit überlegen war. Und das nur, weil sie auf dem viel universelleren Standpunkt der Humoralpathologie beruhte und auch über das ganze dazugehörige empirisch-historische Heilwissen verfügte.”

Ende der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts kam es aber auch zu einer Neubesinnung. Besagter Bernhard Aschner übertrug zu dieser Zeit die Huser’sche Gesamtausgabe des Paracelsus in ein zeitgemäßes Deutsch, um die Werke dieses bedeutendsten abendländischen Arztes seit Hippokrates einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Diese mühevolle Arbeit und seine eigenen Schriften, machten Bernhard Aschner zu einem der wichtigsten Ärzte des letzten Jahrhunderts. Seine Bücher zur Konstitutionstherapie sind unbedingt lesenswert und die Grundlage einer Entgiftungstherapie nach antikem Vorbild, die durch ihn in der Nachkriegszeit eine regelrechte Renaissance erlebte (siehe Literatur).

Ohne die Übersetzung des Paracelsus wäre dies aber vielleicht nie geschehen, denn erst durch die Beschäftigung mit den Vorstellungen des “Monarchen der Medizin”, bekam Bernhard Aschner die Inspiration zu seinen eigenen Werken. Obwohl Paracelsus aus praktischen, aber auch aus philosophischen Motiven, ein (zu) vehementer Gegner der Humoralpathologie war, verwendete er sämtliche damals bekannten Techniken zur Entgiftung, z.B. Aderlass, Schröpfen, Fontanellen, Cantharidenpflaster, Blutegel sowie die arzneilichen Entgiftungsverfahren durch Anregung körpereigener Ausscheidungsprozesse, z.B. durch Diuretika, Diaphoretika, Emmenagoga, Cholagoga, Niesmittel, Resolvenzien, Brech- und Abführmittel. Allerdings sprach Paracelsus nicht von auszuleitenden Säften, sondern, viel moderner, von endogenen und exogenen Giften, die er Tartarus nannte; der volksmedizinische Begriff “Schlacken” besagt Ähnliches. In etwa entspricht der Tartarus der gichtisch-rheumatischen und dyskratischen Konstitution.

Nachfolgend sollen Zitate aus der vierbändigen Aschnerausgabe des Paracelsus die Aktualität der alten Verfahren verdeutlichen (Zitatstellen in Klammer). Nur wo es unbedingt notwendig erschien sind einige Anmerkungen vorgenommen worden, denn den Worten des Paracelsus gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen.

Über die Innere Alchimie

Der Tartarus bei Paracelsus

Über Aderlass und andere Ausleitungsverfahren

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Literatur:
Abele / Stiefvater: Aschnerfibel; Haug Verlag; 1964
Aschner, Bernhard: Lehrbuch der Konstitutionstherapie (mit Anhang Medikamente und Rezepte); Hippokrates Verlag, 1933
Aschner, Bernhard: Technik der Konstitutionstherapie; Haug Verlag, 1961
Aschner, Bernhard: Befreiung der Medizin vom Dogma; Haug Verlag; 1962
Aschner, Bernhard: Paracelsus Sämtliche Werke in 4 Bänden (1930); Anger Verlag, 1993
Honegger, Heinrich: Die antidyskratische Behandlung als Basistherapie chronischer Krankheiten; Haug Verlag; 1959
Rippe Olaf u.a.: Paracelsusmedizin; AT-Verlag; 2001

Unter www.natura-naturans.de finden Sie weitere Veröffentlichungen des Autors und ein umfangreiches Weiterbildungsangebot zum Thema “Traditionelle Abendländische Medizin”; Gesamtprogramm beim Verfasser anfragen.

Olaf Rippe
Heilpraktiker
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