Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Yi Lun Chinesische Medizin – aktuell

Über Essen, Werte und die Qualität ...

Der in den letzten Monaten sowohl die Regenbogen- als auch die Fachpresse belebende neuerliche Disput über low carb oder low fat bewirkt notgedrungener maßen eine vermehrte themenbezogene Zuwendung bei entsprechend zuwendungsbedürftigen Patienten – sprich: den durch den serpentinenartigen Empfehlungskurs der ErnährungspäpstInnen entweder zutiefst verunsicherten oder himmelhochjauchzend begeisterten PatientInnen. Also heißt es zunächst einmal tief durchatmen und in Erinnerung rufen: Ess- und Trinkgewohnheiten sind immer Merkmale einer bestimmten Stufe der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung gewesen.

Was spielt sich nicht alles neben der reinen Nahrungsaufnahme, in ihrem Kontext ab: Da sind die gesellschaftlichen Rituale wie das gemeinsame Abendessen im Kreis der Familie, das gemeinsame Arbeitsessen- bei denen immer noch die wichtigsten Entscheidungen in der Geschäftswelt getroffen werden- das Abendmahl in der christlichen Kirche bis hin zum „Leichenschmaus“. Aber auch der gesellschaftliche Status, der bestimmten Nahrungsmitteln assoziiert wird – Kaviar und Champagner ebenso wie die Currywurst oder die Bierdose. Alles dieses ist den Wandeln der Zeit unterworfen. So sind die Rituale gemeinsamen Essens im privaten Bereich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr obsolet geworden – zugunsten einer Fastfood-Kultur und einem rein mechanischen Akt der Nahrungs- und Nährmittelaufnahme. Und der gleichzeitigen Ignoranz gegenüber der qualitativen Verwertung und der Ausscheidungsprozesse. Der Alltag des Essens in einer Grossstadt des 20. Jahrhunderts ist ein anderer als auf dem Land vor 500 Jahren. Essen wird in China der heutigen Zeit anders bewertet als im alten Rom. Diese Überlegungen helfen vielleicht den Blick zu schärfen für die Relativität von vielem, was uns heute, gestern und morgen als „Norm“ und Selbstverständlichkeit vorgegaukelt wird. Vieles kann und muss in Frage gestellt werden, was die Absolutheit vom „Müssen“, „Dürfen“ uns „Sollen“ sowie ihrer Verneinungen betrifft.

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Andreas A.Noll
Vorsitzender der AGTCM
E-Mail: noll@agtcm.de


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Naturheilpraxis 8/2004