Personalia

Emanuel Swedenborg – verkannt, verleumdet, totgeschwiegen

von H. Speiser

Wo sind sie geblieben? sang einst Marlene Dietrich. Ja, wo sind sie geblieben, die Männer mit Zivilcourage? Statt ihrer dominieren heute Duckmäuser und katzbuckelnde Liebediener überall, in der Politik, im Staatsdienst und nicht zuletzt in der Wissenschaft – denk an deine Karriere ... . Ein weites Feld, bemerkte Fontane. Man ballt die Faust im Sack und hält sein Maul.

Was das mit unserem Thema zu tun hat, wir wollen sehen. Da steht vor uns einer der ungewöhnlichsten Menschen der Neuzeit, dessen Einfluss auf das europäische und amerikanische Geistesleben gewaltig war. Trotzdem ist er nahezu unbekannt: Emanuel Swedenborg. Allein schon sein Name weckt negative Emotionen. Bohrt man nach, warum, stößt man schnell auf Unkenntnis, ererbte Vorurteile oder einfach auf schlichte Ignoranz, sogar in Homöopathenkreisen, was sehr bedauerlich ist. Wahrscheinlich hängt das mit dem Verlust eines festen religiös-geistigen (nicht kirchlichen!) Fundaments in weiten Teilen der Ärzteschaft zusammen.

Swedenborg jedoch spricht eindeutig von einem übersinnlich-geistigen Dasein, so selbstverständlich wie vom natürlichen, das wir mit unseren körperlichen Sinnen wahrnehmen. Es liegt nur an unseren mangelhaft oder gar nicht ausgebildeten geistigen Sinnesorganen, die uns jenes nicht wahrnehmen lassen – Geistiges kann nur durch Geistiges erkannt werden. Erst beide Welten zusammen ergeben die ganze wahre Wirklichkeit, die es zu erforschen gilt. In der geistigen Welt liegen die Ursachen verborgen, die in der natürlichen Wirkungen zeitigen. Die geistige Welt leugnen, bloß weil man selbst keinen Zugang zu ihr hat, zeugt von einer betrüblichen wissenschaftlichen Haltung. Sein Wort, dass die göttliche Vorsehung es gewollt hat, “dass der Mensch in Freiheit handle nach seiner Vernunft”, sollte eigentlich zu denken geben.

Der Swedenborgkenner Baron v. Geymüller schreibt in seinem Buch “Swedenborg und die übersinnliche Welt” den bemerkenswerten Satz: “Der große Schwede hat als erster das geistige Gebiet der Herrschaft der Naturgesetze unterworfen, denn in seinen Augen herrscht die göttliche Ordnung auf allen Stufen der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung und bildet ein gleichartiges untrennbares Ganzes”.

Nun werde ich den Verdacht nicht los, dass sich gewisse Homöopathen opportunistisch dem areligiösen Zeitgeist beugen. Warum sonst scheuen sie davor zurück, Gott mit der Homöopathie in Verbindung zu bringen? Unterschlägt man aber die geistige Dimension in der Lehre Hahnemanns, sinkt dessen neue Heilkunst auf eine bloße Behandlungsmethode ab.

Swedenborg nennt Gott die Geistige Ursubstanz schlechthin, die einzig bewirkende und Leben spendende Macht. Hahnemann ist derselben Meinung. Wenn sich also Homöopathie-Macher, wie ich die oben erwähnten nun nennen möchte, wehren, Swedenborg und Hahnemann in einem Atemzug zu erwähnen, dient dies nicht gerade dem Ansehen der Homöopathie. Ob ihrer Handlungsweise Berechnung oder Schimmerlosigkeit zugrunde liegt, bleibt sich gleich.

“Die Seele des Menschen ist sein inneres Wesen”, sagt uns Swedenborg. – “Sie schafft und gestaltet gleichsam den Körper nach ihrem Bild, und zwar so, dass sie durch ihn handelt und empfindet, ganz wie sie will und denkt, so dass ihr Körper gleichsam die Wirkung, und die Seele gleichsam die Ursache ist.” Die Natur treibt demnach vom Inneren (dem Geistigen) zum Äußeren (dem Körperlichen). Die Seele ist also, salopp gesprochen, die Auffangstation für die unablässig von oben, von Gott, der Geistigen Ursubstanz her einfließende Lebensenergie. Ohne die Seele gäbe es folglich kein Leben für den Menschen. – Wer denkt jetzt nicht an Constantin Herings berühmt gewordene Formulierung des Gesetzes von der homöopathischen Heilung des ganzen Menschen, die “aber immer nur von innen nach außen oder von oben nach unten geschehen kann”, denn, so fährt Hering fort, “das Innere ist der Herr des Äußeren, Höheres beherrscht Niederes, das Innerste des Menschens ist seine Seele” – sic!

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Anschrift des Verfassers:
Dipl. rer. pol. Hermann Speiser
Wilhelm-Speiser-Weg 3
73033 Göppingen



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