Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Hamamelis – die Zaubernuss

von Gerd Aronowski

In einem Aufsatz mit dem Titel „Belehrungen für den Wahrheitssucher“ geht Hahnemann darauf ein, dass auch höhere Verdünnungsstufen einer Arznei, wie sie in der Homöopathie verwendet werden, Wirkung auf Kranke haben können und stellt fest:

„Die Materie hält bloß noch der Pöbel für tote Stoffe, da sie doch dahin gebracht werden kann, unglaubliche, nie geahnte Kräfte aus ihrem Inneren zu entwickeln. Alle neuen Entdeckungen dieser Art pflegen Widerspruch und Unglauben zu finden bei dem großen Haufen der Menschen, welche weder hinreichende Kenntnis der Erscheinungen in der Physik so wenig als der Gründe zu diesen Erscheinungen, noch auch Fähigkeit haben, selbst genau zu beobachten und über das Wahrgenommene nachzudenken.“ 1

Auch in der heutigen Zeit betrachtet die Schulmedizin die Homöopathie – nicht zuletzt aufgrund der Anwendung hoher Potenzstufen – weiterhin zumindest mit Skepsis. Noch mehr verbreitet ist der „Unglaube“ gegenüber unserer Heilmethode. Kann man das einem „modernen“, naturwissenschaftlich geprägten Menschen, welcher die Wahrheit an physikalischen Größen und Gesetzen festmachen will verübeln? Eigentlich ja! Denn die Erfahrungen mit der Homöopathie zeigen seit zweihundert Jahren vieltausendfach an Kranken, dass diese in der Lage ist, selbst ernste und chronische Störungen (unter Zuhilfenahme verschiedenster, auch hoher Potenzen) zu lindern oder zu heilen. Die Heilung vollzieht sich dabei für den mit der Homöopathie Vertrauten ganz und gar gesetzgemäß, ganz angelehnt an das, was Hahnemann erforschte und in seinen verschiedenen Werken an uns weitergegeben hat.

In den ersten Jahren meiner Berufsausübung ärgerte ich mich über die Ignoranz, die man unserer Heilkunst von Seiten der Lehrmedizin teilweise immer noch entgegenbringt. Goethe schrieb über die vorschnelle Ablehnung neuer Denkansätze dazu passend:

„In der Wissenschaft gilt nur das als Eigenthum, was auf Universitäten gelehrt oder aus der Vergangenheit überliefert ward, und wenn Jemand mit etwas Neuem auftritt, welches dem Glauben, den wir jahrelang respektierten und Anderen beibrachten, widerspricht oder ihn umzustoßen droht, so erheben sich alle Leidenschaften gegen ihn...Die Leute widersetzen sich mit aller Macht und thun, als könnten sie weder hören noch begreifen! Sie sprechen von der neuen Ansicht, als wäre sie nicht der Mühe einer Untersuchung oder nur Beachtung werth und so mag eine neue Wahrheit lange warten, ehe sie sich geltend machen kann.“ 2

Mittlerweile wünsche ich mir zwar immer noch mehr Anerkennung der Homöopathie, wichtiger für mich persönlich ist jedoch das Gefühl geworden, an einer großartigen Sache teilzuhaben, auch wenn zum derzeitigen Zeitpunkt die Wirkungsweise der Homöopathie, insbesondere der Hochpotenzen, mit den bisher geltenden naturwissenschaftlichen Modellen noch nicht ausreichend erklärt werden kann.

Die Homöopathie lädt den „Freidenkenden“ dazu ein, eigene Erfahrungen mit ihr zu machen. Wer sich auf sie einlässt, sollte es aber in Hahnemanns Sinne genau mit ihr nehmen, denn sonst ist kein gutes Resultat von ihr zu erwarten. Hürden auf dem Weg zum erfolgreichen Umgang mit der Homöopathie gibt es dabei reichlich. Die Homöopathie lässt sich nicht im Sturm erobern! Wichtig für den Praktiker ist ein intensives Arzneimittelstudium, das mit den Jahren auch die sogenannten „kleinen Mittel“ berücksichtigen sollte.

Hamamelis ist eine der kleinen Arzneien, die nicht so häufig zur Anwendung kommt. Bekanntlich steigt die Anzahl der Verschreibungen einer Arznei, mit der man sich ausführlich befasst hat, merkbar an. Wenn sich unter dem Eindruck der intensiven Beschäftigung mit einem Arzneimittel in der ersten Zeit vielleicht auch die eine oder andere voreilige und falsche Verschreibung einschleichen mag, so setzen sich mit der Zeit erfahrungsgemäß die zweckmäßigen, richtigen Verschreibungen durch. Und dies selbst in Fällen, in denen man zuvor noch nicht einmal an die Arznei gedacht hätte. Wir erkennen eben nur das, was wir kennen! Jede gründlich studierte Arznei wird somit zu einer echten Hilfe bei der Bewältigung des Praxisalltages. Jeder einzelne Krankheitsfall, in dem wir eine für uns neue Arznei erfolgreich in Anwendung bringen können, wiegt dabei mit Sicherheit die Mühe auf, die es kostet, sie umfassend zu studieren.

In der hier vorgelegten Betrachtung möchte ich den Wert der Arznei Hamamelis aufzeigen.

...

Literaturanhang:
– Allgemeine Homöopathische Zeitung, Jg. 1866, Bd.72, Heft 13 und 14 und Jg. 1875, Bd. 91, Heft 6
– Boericke, W., Homöopathische Mittel und ihre Wirkungen, Leer/Ostfriesland 1972
– Boger, C.M.,Synoptic Key, Similimum Verlag; Ruppichteroth 2002
– Boger, C.M., Vorlesungen über Materia medica, Haug Verlag Heidelberg, 1989
– Bradford, T.L., Dr. Lippe´s charakteristische Symptome; Haug Verlag Heidelberg 1967
– Dewey, W.A., Homöopathische Grundlagen in Frage und Antwort, 6. Auflage; Haug Verlag Heidelberg, 1987
– Hahnemann, S., Kleine Medizinische Schriften, Haug Verlag, Heidelberg 1989
– Hering, C., The gioding symptoms of our materia medica, Vol.7, New Dehli 1995
– Lippe, zur, A., Grundzüge und charakteristischen Symptome der homöopathischen Materia Medica; Göttingen 1992
– Mezger, J., Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, Band 1 ; Heidelberg 1995
– Morrison, R., Handbuch der homöopathischen Leitsymptome und Bestätigungssymptome, Groß Wittensee 1997
– Phatak, M.B.B.S., Materia medica of homoeopathicMedicines, Bombay 1982
– Simbürger, Dipl.-Ing., f., ComRep Ml Repertorisationsprogramm

1 Belehrungen für den Wahrheitssucher in: Nr. 165 des Allgemeinen homöopathischen Anzeigers der Deutschen, Jg. 1825; abgedruckt in: Kleine Medizinische Schriften; Samuel Hahnemann; Haug Verlag; Heidelberg 1989; Zweiter Band, S. 211
2 J.W. von Goethe; Briefwechsel mit Eckermann, s. Euchmann, „Aphorismen über die Affinitäten der Stoffe...“ in: AHZ 1883
3 in: Allgemeine Homöopathische Zeitung ; Hrsg. Dr. V. Meyer; Band 72; Heft 13 und 14 aus dem Jahre 1866, S. 103f und 111f. Der besseren Lesbarkeit wegen wurden von mir kleine sprachliche Veränderungen vorgenommen.
4 Eine Unze entspricht ca. 28 Gramm d.h. 14 Gramm; entspricht 14 ml einer wässrigen Lösung.
5 Dr. J. Guerin-Meneville, „Eine instructive Heilung durch Hamamelis“ in: Allgemeine Homöopathische Zeitung; Band 91; Jahr 1875; Heft 6; Seite 47 f. Der Fall wird im Folgenden in leichter Kürzung kursiv zitiert.

Anschrift des Verfassers:
Gerd Aronowski
Gottfried-von-Herder-Weg 13
78464 Konstanz



weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis 12/2003

Naturheilpraxis 12/2003