Blätter für klassische Homöopathie

Behandlung einer Patientin mit Reizkolon (Colon irritabile)

von Ruth Seifert

Reizbares oder spastisches Kolon ist eine häufige, klar abgegrenzte Erkrankung meist junger Erwachsener. Die Stühle sind flüssig und wässrig. Schleim kann anwesend sein, aber Blut ist nicht üblich. Kolikartige Bauchschmerzen verschwinden nach Stuhlentleerung. Der tägliche Rhythmus der Beschwerden ist ausgeprägt. Der Durchfall ist gewöhnlich schlimmer beim Aufstehen im Laufe des Morgens, während in den späteren Tagesstunden die Beschwerden geringer sind oder vollkommen verschwinden. Der Schlaf ist nicht gestört. Der Kranke sieht gut aus, verliert kein Gewicht und ist imstande zu arbeiten.
(Jan Brod/Alan Knell: Diagnose in der inneren Medizin)

Man unterscheidet zwei Hauptformen: Das spastische Kolon mit Schmerz, Obstipation, schafkotartigem Stuhl und gelegentlichem Schleimabgang. Und die emotionelle Diarrhoe ohne Schmerzen mit breiigen oder wässrigen Stühlen.

Die Ursache der weitverbreiteten Störung ist nicht bekannt, zweifellos wird der Zustand aber durch psychische Belastung ausgelöst bzw. verstärkt.

(Thews/ Mutschler/Vaupel: Anatomie, Physiologie, athophysiologie des Menschen)
Das Reizkolon wird den psychosomatischen Erkrankungen zugerechnet und tritt häufig bei vegetativ labilen Personen auf, häufig bei Frauen im mittleren Lebensalter. Symptome: rezidivierende krampfartige Bauchschmerzen, Diarrhoe oder Obstipation (auch alternierend), Völlegefühl, Blähungen, Flatulenz; anfallartiges Auftreten v.a. in Belastungssituationen.
(Pschyrembel; Klinisches Wörterbuch)

Eine 38-jährige Frau kam in meine Praxis und berichtete, dass sie an Durchfällen leide, welche der Arzt als Reizkolon diagnostiziert habe. Er habe ihr erklärt, dass man nichts dagegen machen könne und dass sie damit leben müsse. Damit konnte sich die Patientin nicht abfinden und suchte nach anderen Therapiemöglichkeiten. Dabei wurde sie auf meine homöopathische Praxis aufmerksam.

Die Patientin berichtete Folgendes: Sie leidet an Bauchschmerzen, nachts mit Schweißausbrüchen und Angst, es könnte etwas Schlimmes sein. Auch tagsüber bestehen die Bauchschmerzen. Der Schmerz ist ziehend, kommt und geht, Wärme bessert. Der Bauch ist gespannt, Blähungsabgang ist nicht stark riechend. Bevor die Durchfälle einsetzen, spürt sie Rumoren im Bauch. Meist ist dies morgens, aber nicht aus dem Bett treibend, manchmal aber auch ganztags. Nachts tritt kein Durchfall auf. Der Stuhl ist braun und wässrig.

Angefangen hatten die Beschwerden vor 5 Jahren mit Rumoren im Bauch. Seither treten die Durchfälle phasenweise auf, unterbrochen von kurzzeitiger Beschwerdefreiheit, z.B. 4 Wochen Durchfall, dann 1 1/2 Wochen Beschwerdefreiheit, wo der Stuhl normal ist und regelmäßig erfolgt.

Außerdem leidet sie seit einem Jahr an Schwindel. Es ist kein Drehschwindel, eher ein unsicheres Gefühl bei Gehen, auch beim Hinlegen oder Aufstehen. Seit 10 Tagen ist er nicht mehr aufgetreten.

Seit einem Jahr leidet sie auch an Migräne mit Erbrechen. Jetzt tritt sie weniger oft und ohne Erbrechen auf. Der Schmerz ist hämmernd, in der rechten Schläfe und Stirnseite lokalisiert. Bewegung verschlimmert, Aspirin, Liegen und Schlafen bessern. Die Migräne beginnt abends, die Patientin kann aber schlafen. Wenn die Kopfschmerzen am Morgen noch fortdauern, nimmt sie Aspirin. Die Sonne wird gut vertragen.

Ihre Menses erfolgen ohne Beschwerden, alle 4 Wochen. Eine Woche vorher spürt sie während einem Tag ziehende Bauchschmerzen. Das Blut ist dunkel, manchmal klumpig, die Blutung das eine Mal stark und eine Woche länger, das andere Mal schwach und 3-4 Tage dauernd. Sie hat oft kalte Hände und Füße. Der Schlaf ist gut, das Fenster muss aber offen sein. Die tägliche Trinkmenge beträgt 1 1/2 Liter, vor allem Mineralwasser, selten Kaffee. Der Appetit ist normal. Bevorzugt werden salzige und scharfe Speisen.

Sie sei nachtragend, empfindlich auf Beleidigungen und weine schnell. Den Ärger äußere sie lautstark und verdränge ihn nicht. Trost tue ihr gut. Angst habe sie vor Hunden und in großer Höhe.

Auf die Frage, ob vor 5 Jahren, dem Beginn der Erkrankung, etwas vorgefallen sei, erzählt sie: Seit ca. 5 Jahren habe sie Schwierigkeiten im Umgang mit ihrer jetzt 18-jährigen Tochter, die sich sehr abweisend verhalte. Sie mache ihr täglich Vorwürfe, auch dass sie nicht wie andere Frauen arbeiten gehe, um mehr Geld zur Verfügung zu haben, sondern nur zu Hause sitze. Sie jedoch sei mit dem Haushalt ausgelastet und habe keine anderen Bedürfnisse. Sie fühle sich von ihrer Tochter nicht ernst genommen und verachtet. Schon als Kind war ihr älterer Bruder schneller in der Auffassung und wurde von den Eltern bevorzugt.

Vor 5 Jahren hatte sie zum ersten Mal eine Bronchitis und erhielt ein Antibiotikum. Seither sei keine Bronchitis mehr aufgetreten, sie sei auch selten erkältet.

Operationen: als Kind Tonsillektomie, mit 12 Jahren Appendektomie.

Familienanamnese: Die Oma mütterlicherseits, hatte Magenkrebs, der Vater Hüftarthrose. Sonst sind ihr keine Krankheiten bekannt.

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Anschrift der Verfasserin:
Ruth Seifert
Bächlistraße 26
CH-8280 Kreuzlingen



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