KREBSFORUM

Primärprävention des Mammakarzinoms

von R. Kirkamm

Metabolite des Östrogenstoffwechsels scheinen in der Entstehung östrogen-abhängiger Tumorerkrankungen wie dem Mammakarzinom eine entscheidende Rolle zu spielen. Insbesondere Östrogenmetabolite mit starker östrogenartiger Wirkung wie die 16-OH-Östrogene stellen einen Risikofaktor dar.

Ein neuartiges Untersuchungsverfahren erlaubt die Bestimmung der 2- und 16-Hydroxyöstrogene im Urin und damit eine Beurteilung der Prädisposition einer Frau für die Entstehung östrogenabhängiger Tumorerkrankungen.

Durch verschiedene einfach durchzuführende diätetische Maßnahmen und Änderungen des Lebensstils kann eine günstige Beeinflussung des Östrogenmetabolismus und somit eine individuelle Primärprävention erreicht werden.
Östrogenmetabolite spielen bei der Entstehung östrogenabhängiger Tumorerkrankungen der Fortpflanzungsorgane eine entscheidende Rolle. Beim Mammakarzinom wird vermutet, dass Östradiol und seine Metabolite als Wachstumsfaktoren wirken, die maligne entartete Zellen zur weiteren Proliferation veranlassen.

Die Hauptmetabolite des Östradiolstoffwechsels, die sich durch unterschiedliche biologische Eigenschaften auszeichnen, werden entweder in C2- oder C16-a-Position hydroxyliert. In C-2-Position hydroxylierte Metabolite zeigen keine periphere biologische Wirksamkeit, sondern besitzen eher anti-östrogene Eigenschaften. Im Gegensatz hierzu stehen die in Position C-16-a hydroxylierten Östrogenmetabolite (16-OHE1), die wie Östriol (E3) über starke östrogenartige Fähigkeiten verfügen. 16-OH-Östrogene sind in der Lage, kovalent an den Östrogen-Rezeptor, an nukleäre histonische Proteine und an die DNA zu binden.

Bei Frauen mit Mammakarzinom sowie bei Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko konnte eine verstärkte Bindung von 16-OH-Östrogenen an den Östrogenrezeptor nachgewiesen werden. Auch im Tiermodell (Mäuse) konnte eine Korrelation zwischen der 16-Hydroxylierung und der Inzidenz von Mammatumoren gezeigt werden. 16-OH-Östrogenmetabolite konnten sowohl in humanen als auch in murinen Mamma-Zelllinien nachgewiesen werden.

Zusätzlich zu den beschriebenen östrogenen Eigenschaften konnte gezeigt werden, dass 16-OH-Östrogene im Gegensatz zu Östradiol (E2) und Östriol (E3) in normalen (nicht maligne entarteten) Zellen Initiator- und Promotorfunktionen besitzen. In Karzinogenitätsuntersuchungen zeigten 16-OH-Östrogene Aktivitäten, die mit denen des sehr starken Karzinogens Dimethylbenzanthracene (DMBA) vergleichbar sind. E2 und E3 zeigten diese Wirkung nicht.

In Untersuchungen zur Mutagenität wurde deutlich, dass 16-OHE1 eine wesentlich stärkere Induktion von DNA-Reparaturmechanismen besitzt und somit deutlich mutagener als E2 oder E3 ist.

16-OHE1 ist das einzige Östrogen, dass im AMES-Test über eine deutliche mutagene Wirkung verfügt.

Aufgrund der ausgeprägten östrogenartigen Eigenschaften der 16-OH-Östrogene können diese Metabolite einen hyper-östrogenämischen Zustand hervorrufen – mit einem massiven Einfluss auf die Ätiologie gynäkologischer Tumore, insbesondere des Mammakarzinoms.
Auch andere östrogenabhängige Tumorerkrankungen werden durch die 16-OH-Metabolite gefördert, so z.B. die maligne Entartung von mit Papillomavirus infizierten Zellen des Gebärmutterhalses zum Zervixkarzinom.

Verschiedene prospektive und retroprospektive Studien belegen, dass durch die Bestimmung der Östrogenmetabolite 2/16-OH zuverlässige Aussagen über positive oder negative Veränderungen im Östrogen-Stoffwechsel getroffen werden können.

Bei Frauen mit Gebärmutter- oder Brustkrebs konnte eine Verminderung der 2/16-OH-Ratio nachgewiesen werden. Studien belegen zudem, dass durch diätetische Maßnahmen, wie z.B. die erhöhte Nahrungszufuhr von Broccoli, die 2/16-OH-Ratio im Sinne eines günstigen Metabolismus – mit Verringerung der 16-OH-Östrogene – beeinflusst werden kann.

In einer Fallkontrollstudie haben Kabat et al. gezeigt, dass das relative Brustkrebsrisiko für postmenopausale Frauen mit einer 2/16-OH-Ratio unter 1,38 um das 3,3fache höher war, als das von vergleichbaren Patientinnen mit einer Ratio zwischen 1,38 und 1,90.

In einer weiteren Fallkontrollstudie von Luo et al. und Ho et al. an 101 chinesischen Frauen – 65 Brustkrebspatientinnen und 36 Kontrollpatientinnen (histologisch gesicherte gutartige Brustkrebserkrankungen) zeigte sich eine deutliche Veränderung der Östrogenmetabolite im Urin der Brustkrebspatientinnen. Die Berechnung des relativen Brustkrebsrisikos (Odds Ratio) zeigte bei Frauen mit einer 2/16-OH-Ratio unter 0,9 ein 10fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Frauen mit einer Ratio über 0,9. Diese Risikoverteilung findet sich sowohl bei prä- als auch bei postmenopausalen Frauen.

Der prädiktive Wert eines Testes zeigt sich insbesondere bei der Untersuchung von Risikogruppen. Bei afroamerikanische Frauen besteht eine höhere Mortalität und klinische Ausprägung des Mammakarzinoms als bei anderen Rassen. Taioli et al. konnte zeigen, dass afroamerikanische Frauen im Vergleich zu kaukasischen Frauen eine signifikant niedrige Ratio der 2/16-OH-Östrogenmetabolite im Urin zeigten. In der Gruppe der afroamerikanischen Frauen zeigt sich ein veränderter Metabolismus des MSP-1-Genpolymorphismus des CYP1A1-Gens. Frauen mit diesem genetischen Polymorphismus können keine 2-hydroxylierten Östrogene bilden.

Das CYP1A1-Gen codiert das Protein Cytochrome P450 1A1. Dieses ist für die oxidative Hydroxylierung von Östradiol und Östron verantwortlich. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden auch von Coker et al. bestätigt. In dieser Studie zeigten afroamerikanische Frauen signifikant niedrigere 2OH-Östrogenwerte als kaukasische Frauen und dies auch in Fall-Kontroll-Untersuchungen bei prä- und postmenopausalen Frauen. In Übereinstimmung mit anderen Studien zeigten Patientinnen mit Brustkrebs eine signifikant niedrigere 2/16-OH-Ratio – unabhängig von Rasse, Alter und Menopausenstatus.

Die individuelle 2/16-OH-Ratio einer Frau ist nicht ausschließlich genetisch determiniert. Eine Vielzahl von diätetischen Maßnahmen und Lebensstilfaktoren können die 2-Hydroxylierung der Östrogene durch die Induktion des CYP1A1-Gen beeinflussen. Hierzu gehört Indol-3-Carbinol, ein Bestandteil von Kreuzblütlergewächsen wie Broccoli, Kohl, Rosenkohl. 1-2 Mahlzeiten pro Tag mit Gemüsen wie Broccoli oder Rosenkohl können das Brustkrebsrisiko signifikant senken. Die Indole dieser Gemüsearten können auch den programmierten Zelltod (Apoptose) induzieren – ein Vorgang, der bei Tumorzellen gehemmt ist. Auch durch Leinsamen lässt sich die 2/16-OH-Ratio senken. Ähnliches gilt für die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaenolsäure (EPA) und Docosahexaenolsäure (DHA) aus Fisch. Ferner können Schilddrüsenhormone, das Einschränken von Rauchen sowie das Medikament Cimetidin die 2/16-OH-Ratio im Sinne einer Primärprävention günstig beeinflussen.

Bei Frauen mit einer verminderten 2/16-OH-Ratio sollte eine mögliche Hormonersatztherapie mit Östrogenen kritisch überdacht werden. Ist allein durch diätetische Maßnahmen keine Erhöhung der 2/16-OH-Ratio möglich, ist ggf. auch eine Therapie mit einem synthetischen Anti-Östrogen wie Raloxifen® sinnvoll. Neuere Studien berichten, dass die Raloxifen-Einnahme über 4 Jahre das Brustkrebs-Risiko um 72 % herabsetzt.

Fazit und Empfehlungen für Patienten:

Therapieempfehlungen:

Präanalytik und Probennahme:

Referenzbereich:

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Literatur auf Wunsch beim Verfasser:

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. R. Kirkamm
Facharzt für Labormedizin
GANZIMMUN AG
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