Wann und warum hat der Mensch einen erhöhten Vitalstoffbedarf?

von Jürgen Vormann

Die Supplementierung unserer Ernährung mit verschiedenen Mikronährstoffen hat in den letzten Jahren zunehmend Bedeutung erlangt. Die Begründung dafür ist vielfältig und reicht von

• unausgewogener Lebensmittelauswahl,

• Verarmung einzelner Lebensmittel an verschiedenen Mikronährstoffen,

• Verluste von Mikronährstoffen durch lange Transportwege und inadäquate Zubereitungsweise, sowie

• erhöhtem Bedarf bei verschiedenen pathophysiologischen Zuständen.

Hinzu kommt eine wesentliche Begründung, die sich aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen ableiten lässt. In seiner jetzigen Form gibt es den Menschen seit ca. 300 000 Generationen. Den weitaus größten Teil dieser Zeit haben die Menschen als Jäger und Sammler gelebt. Erst vor 500 Generationen begann die Entwicklung der Landwirtschaft, seit 10 Generationen spricht man vom Industriezeitalter und erst seit 2 Generationen – praktisch erst nach dem 2. Weltkrieg – haben wir uns daran gewöhnt, hochgradig verarbeitete Lebensmittel zu verzehren. Genetisch unterscheidet sich der Mensch der Gegenwart nur in sehr geringem Maß von den Menschen der Urzeit, d. h. die physiologischen und biochemischen Abläufe in unserem Stoffwechsel sind optimal angepasst an Lebens- und Ernährungsbedingungen wie sie in der Steinzeit vorherrschten. Die Ernährung des Steinzeitmenschen war jedoch deutlich anders als in der Gegenwart. Der Steinzeitmensch ernährte sich vornehmlich von Wildtieren, dementsprechend war der Anteil von Protein in seiner Nahrung sehr hoch – und von gesammelten Früchten, Blättern, Nüssen und Samen. Insbesondere der sehr hohe Anteil von Früchten und Blättern, nach unserem gegenwärtigen Sprachgebrauch „Obst, Gemüse und Salat“, versorgte den Menschen mit einer sehr großen Menge von Mikronährstoffen. Nach der Erfindung und Entwicklung der systematischen Landwirtschaft veränderte sich das Lebensmittelangebot erheblich. In großem Umfang wurden nun pflanzlichen Kohlenhydratspeicher gezielt erzeugt. Getreide, Reis, Mais aber auch Knollen wie Kartoffeln stellten nun einen erheblichen Anteil der verfügbaren Lebensmittel dar. Zusätzlich wurden das (fettreichere) Fleisch von Haustieren sowie in größerem Umfang auch Milchprodukte verzehrt. Diese Änderung der Ernährung führte dazu, dass Kalorien überwiegend über Speicherkohlenhydrate (Stärke) bzw. relativ fetthaltige Haustier- und Milchprodukte zugeführt wurden [1]. Der Anteil der frischen pflanzlichen Lebensmittel ging entsprechend erheblich zurück. Dieses erklärt, dass die tägliche Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in der voragrarischen Zeit um ein erhebliches höher war als es gegenwärtig der Fall ist [2]. Unsere physiologischen Abläufe entwickelten sich aber schon in weit früherer Zeit und sind somit an eine hohe Zufuhr von Mikronährstoffen adaptiert. Es wird deshalb in der Wissenschaft immer mehr akzeptiert, dass eine Zufuhr von Nährstoffen so wie sie in der Steinzeit war für eine optimale Funktion unserer physiologischen Vorgänge günstiger wäre, als die gegenwärtige Ernährung.

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Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Vormann
Institut für Prävention und Ernährung
Adalperostr. 37
D-85737 Ismaning



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Naturheilpraxis 8/2003