Diskussion

Bleibt die Gesundheitsreform wieder irgendwo stecken?

von Josef Karl

I.

Es sah in den letzten 20 Jahren so aus, als würde die Heilpflanzenanwendung aus ihrer Nische, die vor allem von uns Naturheilkundigen gepflegt wurde, heraustreten. Zur Erinnerung: der Gesetzgeber beschloss in den siebziger Jahren ein neues Arzneimittelgesetz (AMG), das 1978 in Kraft trat. Eine Anzahl von Kommissionen sollte das gesamte Arzneimittelwesen „aufarbeiten“, sowohl chemische Medikamente wie auch jene der sog. besonderen Therapierichtung, das sind Phytotherapie, Homöopathie und die Anthroposophische Medizin. Transparenz sollte erreicht werden durch genau definierte Inhaltsstoffe, Mengenangabe sowie Preis; Apotheken und der Verbraucher sollten vergleichen können.

Vorab schon gleich: dies ist bis heute (nach 25 Jahren!) nicht erreicht. Suchen Sie, werte Leser, in der Roten Liste beispielsweise das beste Preisleistungsverhältnis eines monografiekonform dosierten Mariendistel-, Crataegus-, Ginseng- oder Ginkgo-Präparats. Als Nichtpharmazeut werden Sie keine Freude an diesem Vergleich haben. Nun gut, bei einem Weißdornpräparat:

1. Zunächst weist nahezu jedes der Monopräparate eine andere Menge an Trockenextrakt aus: 450 mg, 80 mg, 300 mg, 240 mg, 175 mg

2. Das Auszugsmittel, auf das es ebenfalls ankommt, ist einmal mit 70% Methanol, ein andermal mit 45% Ethanol deklariert

3. Völlig schwierig wird es für den Nichtpharmazeuten schließlich, wenn bei den einzelnen Präparaten Angaben wie folgende sich finden: 2,65% Flavonoide berechnet als Hyperosid 0.9 – 1,1% standardisiert als Hyperosid standardisiert auf 12,5 – 17,5 mg oligomere Procyanidine berechnet auf Epicatechin

800 mg Gesamtflavonoide, bestimmt als Gesamtphenole, berechnet Hyperosid. Wer wagt jetzt noch zu sagen: er könne ohne größere Umstände Preisvergleiche anstellen? Ich kenne weder Ärzte noch Heilpraktiker die das Preis-Leistungsverhältnis herstellen können. Das ist ärgerlich. Und in der Kommission E (Phytotherapie), wo ich diese Angelegenheit wiederholt zur Sprache bringen wollte, sagten mir innerhalb der Sitzung die Fachleute, dass dies die Hersteller eben halten könnten, wie sie wollten. Mein Einwand, dass doch der Anwender (Verordner) eine schnelle Vergleichsmöglichkeit brauche, um effizient arbeiten zu können, stieß auf achselzuckendes Unverständnis. Und wie häufig auf offiziellen Sitzungen erfährt man wichtige Randbemerkungen erst mittags in der Kantine: Pharmazeuten versuchten meine Verärgerung zu dämpfen indem sie meinten, dass das auch für sie nicht immer durchsichtig sei.

Bei chemisch definierten Arzneimitteln geht es natürlich leichter; Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paracetamol, Ibuprofen oder ASS machen es nicht schwer zu vergleichen.

Allerdings bleibt keine ganz unerhebliche Einschränkung, die Praktiker/innen („Anwender“) im Laufe eines längeren Praxislebens nicht verborgen bleibt: Original und Generikum müssen nicht identisch sein in der Galenik, das heißt, Aufbereitung, Zubereitung und die Begleitstoffe können sehr differieren, voneinander abweichen und damit Wirksamkeit und Verträglichkeit beeinflussen (biologische Äquivalenz).

Allerdings darf dies die Bestrebungen einer Gesundheitsreform nicht blockieren, weil diese Faktoren in der Sachabwägung als sekundär gelten dürfen. Ehe der endgültige Kollaps aus finanziellen Gründen erfolgt, wird das kleinere Moment in Form eines sog. Nachahmerpräparats hinzunehmen sein. Leider blockieren Hersteller, Apotheker und Ärzte diese seit Jahren von den Kassen gewünschte Generikaempfehlung nach wie vor in hohem Maße, obwohl große Summen gespart werden könnten. Das muss als unverantwortlich bezeichnet werden.

Obwohl seit Jahrzehnten keine wie immer geartete Bundesregierung es geschafft hat, Kostensenkung bei allen Beteiligten zu erreichen, versucht es die amtierende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wieder:

1. Das geplante „Institut für Qualität in der Medizin“ soll künftig als eine Art „Stiftung Gesundheitstest“ anhand systematischer Datenauswertung empfehlen, welche neuen Medikamente es wert sind, auf Kassenkosten verschrieben zu werden.

2. Die Positivliste der verschreibungsfähigen Medikamente soll endlich Gesetzeskraft erhalten, um die Kassen von den Kosten „unwirksamer Hustenlöser, Venensalben und Pseudoinnovationen“ zu entlasten.

3. Die Krankenkassen sollen ermächtigt werden, die überteuerten Analogpräparate trotz Patentschutz in Gruppen mit gleich wirkenden Generika zusammenzufassen und dafür einen gemeinsamen Höchstpreis festzulegen.

4. Die Pharmahersteller sollen bei der Preisfestsetzung für innovative Medikamente nicht mehr freie Hand haben. Stattdessen sollen die Kassen verpflichtet werden, die Preise auszuhandeln.

Freilich sind wir als Heilpraktiker mit der Formulierung in Punkt 2, dass Hustenlöser oder Venensalben unwirksam sein sollen, nicht einverstanden.

Es betrifft uns eine rigorose Positivliste jedoch nicht in erster Linie – wann die Privaten Krankenversicherer (PKV) jenen Ausschlüssen von Medikamenten der Gesetzlichen (GKV) folgen werden, das ist im Augenblick noch unsicher, ist meiner Ansicht nach zu befürchten. Das Gerangel um Positiv- und Negativlisten zieht sich seit Jahren hin.

Die vielen (finanziellen) Interessenlagen führten zu einem Stillstand und der Status quo blieb weitgehend erhalten. Jetzt, wo aber die „fetten Jahre“ wohl endgültig vorbei sind, schlicht das Geld ausgeht, wird aus der Not die Tugend zum Sparen kommen. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, auf wessen Rücken dieses Sparen ausgetragen wird: Auf dem Rücken des Patienten, wie schon bisher, nur in Zukunft noch wesentlich stärker.

Die Pharmaindustrie mit ihrer einflussreichen Lobby und Schmiergeldpolitik (Ärzte werden regelrecht als Verordner mit Honoraren, Geschenken und Reisen „gekauft“) weist horrende Gewinne aus. (Nicht so die kleinen und mittelständischen Hersteller von biologischen Arzneien: Sind sie nicht schon die letzten Jahre „gestorben“, werden noch viele aufgeben müssen, weil ihre Präparate nicht mehr zugelassen werden bzw. verordnungsfähig sind. Das ist ein trauriger und verheerender Umstand, der nicht zuletzt am Niedergang der mittelgroßen und kleinen Betriebe mit allen ihren volkswirtschaftlich deprimierenden Folgen unübersehbar ist.

II.

III.

IV.

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Josef Karl
Heilpraktiker
Alpenstr. 25
82377 Penzberg



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