von Josef Karl
1535 war es, als ein einsamer Wanderer in Begleitung zweier Gefährten aus dem Eisacktal über das Penser Joch gegen Meran zog, wo er „Ehr und Glück“ fand. Der Wandersmann mit dem kahlen Schädel und den feingliedrigen Händen hatte trotz seines geringen Alters schon viel erfahren, Leid und Anfechtungen genug: Der Hohenheimer aus Einsiedeln, genannt Paracelsus, beschrieb seine Erfahrungen gerade in einem Büchlein „Vom Ursprung der Pestilenz“. Der Ruhelose zog von Meran weiter ins Veltin, sah und beschrieb es als „ein so gesundes Land, dass nicht viel gesünder Orte gefunden werden mögen“.
Dann überschritt er weitere Alpenpässe und gelangte ins Oberengadin. Hier waren es vor allem die Heilquellen von St. Mauritz, denen sein Interesse galt und von deren Kraft er Wirkung auf das Tartarische, also Nieren-, Blasen- und Gallensteine erhoffte. Lesen wir ihn selbst: „Aber ein acetosum fontale, das ich für alle, so in Europa erfahren hab, preise, ist im Engadin zu St. Mauritz, derselbig laufft im Augusto am feurigsten, wer desselbigen Tranks trinket, wie einer Arznei gebühret, der kann von Gesundheit sagen und weiß von keinem Stein noch Sand nicht, er weiß kein Podagra, kein Artetica. Denn also wird der Magen korroboriert, dass er den Tartarum verdauet als wie ein Strauß von Eisen, wie eine Amsel eine Spinne. „
Der Ruf von St. Moritz im Graubündner Oberengadin darf als zwielichtig gelten, weil die wohlhabende Fun-Gesellschaft dort nicht weiß, was sie noch alles anstellen soll, um ihren Reichtum und die viele Zeit zum Spaß vorzuzeigen. Doch damit hat man nichts zu tun. Schon allein der Ortsteil St. Moritz-Bad ist eine andere Welt und das Kultur- und Sporthotel Laudinella außerhalb dieser Kreise.
In den letzten Jahren haben sich St. Moritz und der Ortsteil Bad (mit einer sehr eisenhaitigen Quelle, die eben Paracelsus rühmte) zum Leistungssportzentrum entwickelt. Nach den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-City, das immerhin auf der Höhe von 2.300 m liegt, war man sich gewiss, dass Höhentraining einen Leistungszuwachs bringt. Schon damals wurden jeden Winter Pferderennen im Engadin durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass die Rennpferde, die drei bis vier Wochen in dieser Höhe liefen, während der anschließenden Sommersaison im Tiefland deutlich bessere Leistungen und Ergebnisse zeigten als zuvor!
Die italienischen Ruderer kamen vor Mexiko ’68 zum Höhentraining hierher. Im Laufe der Jahre überzeugten ihre Erfolge auch andere. Heute ist bei den internationalen Stars der Ausnahmedisziplinen das St. Moritzer Höhentraining eine Selbstverständlichkeit: Von den Radsportlern früherer Tage, etwa Bernard Hinault oder Miguel Indurain, und auch der aktuelle Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong bereitet sich hier in Europa auf seine Siege vor. Die Leichtathleten Carl Lewis und Dieter Baumann trainierten hier. Warum aber wird körperliche Leistung durch ein Höhentraining verbessert? Wenn zahlreiche Muskeln viel arbeiten, Sauerstoff verbrennen, kann es bald zu einem Engpass kommen: Die roten Blutkörperchen kommen mit dem Sauerstofftransport nicht mehr nach, der Körper erreicht seine Leistungsgrenze. Durch gezieltes Training in der Höhe vermehren sich jedoch die roten Blutkörperchen, die Muskeln werden besser versorgt, die körperliche Leistungsfähigkeit gesteigert. Zudem herrscht im Engadin ein trockenes Reizklima das auch unseren Kursteilnehmern bisweilen zu schaffen macht.
Zahlreiche Ausdauersportarten sind in den letzten Jahren wegen Doping ins Gerede gekommen, dabei wurde vor allem das sogenannte EPO zum Problem: Es ruft im Körper durch künstliche, chemische Substanzen im Prinzip den gleichen Effekt wie Höhentraining hervor mit ungeklärten längerfristigen Nebenwirkungen und war lange nicht und nur sehr schwer nachweisbar.
Diese Probleme der Hochleistungssportler haben wir nicht. Aber trotzdem ist es wichtig zu wissen, daß das Wohlbefinden in den ersten Tagen in solchem Höhen-Reizklima nicht besonders groß ist: Der Ankömmling fühlt sich müde und nach drei Tagen nicht selten in der Krise. Danach geht es langsam aufwärts und nach einer Woche beginnt allmählich die gewünschte Wirkung sich einzustellen.
Unseren Patienten sollten wir raten, einen Urlaub von zwei bis besser drei Wochen zusammenhängend zu verbringen, was erst eine wirkliche Regeneration bringt.
Die Tagung der „Internationalen Akademie für Naturheilkunde“ im Oberengadiner St. Moritz-Bad hat nun schon eine Tradition über drei Jahrzehnte. Durch Weltmeisterschaften im Skifahren verschob sich der Termin um einen Monat; es war wärmer und wie dort schon gewohnt eine Woche, wo in der Natur nur zwei Farben dominierten: das Blau des Himmels und das Weiss der Berge.
Einen grossartigen Pflanzenvortrag hielt auch dieses Jahr wieder der Schweizer Naturarzt Bruno Vonarburg. Nicht nur, dass er die besten Bilder hat, er verbindet altes traditionelles Wissen mit den modernen Erkenntnissen.
Koll. Wolfgang Schmitz-Petri aus München sprach über Laborparameter bei Tumorerkrankungen und HE Georg von Hannover über „Erkrankungen und Blockaden als Folge von Impfungen.“ Der bekannte Schweizer Schriftsteller und Parracelsus-Biograf Dr. Pirmin Maier war auch dieses Jahr wieder da und stellte die Luft und das Asthma in einen Bezug zur Literatur. Hier verknüpft sich für die Zuhörer jedes Jahr Fachwissen und Allgemeinbildung auf die geistreichste Art.
Zwei uns verbundene Ärzte referierten: zum einen der Bad Nauheimer Kardiologe Dr. med. Peter Hain, der auch ein bemerkenswertes Buch vor zwei Jahren herausbrachte über neue Ansätze in der Kardiologie. Für alle in der Praxis Tätigen gab es reichlich sog. Aha-Erlebnlsse.
Ein hervorragend aufgebauter Vortrag wie ebenso der nächste vom Zahnarzt Dr. med. dent. Erwin Müller, der mit grossem Feingefühl die vielen Probleme in der Zahnheilkunde darzulegen weiß. Vom Austesten über die Legierungen und der Fokologie wiederum zahlrelcner Diskussionstoff.
Kollege Klaus Goebel hielt einen Kurs über die „Schädelakunktur nach Yamamoto“. Das war praktisch und nachvollziehbar.
Ein recht schwieriges Thema wählte schließlich Frau Koll. Renate Meier aus München: „Heilen über Ausweiten des kontemplativen meditativen Bewußtseins“. Jochen Stöbe aus Nürnberg führte diesmal die allmorgentliche „Meditation zur Stressbewältigung“.
Und der Berichterstatter hielt ebenfalls einen Vortrag: “Hinweise aus Iris und Auge zu Herzkrankfteiten“.
Nun ging mit dieser Tagung auch eine Ära zu Ende: diejenige unter der vorzüglichen und umsichtigen Leitung von HP Norbert Schönach aus Bad Aibling. Er hatte die Akademie-Gruppe seinerzeit von Herrn Heilpraktiker Eduard Georg Altmann übernommen, weitergeführt und auch ausgebaut. Es waren diesmal über 70 Teilnehmer anwesend so viele wie noch nie.
Der scheidende Präsident wurde gebührend verabschiedet und als neuer Vorstand Koll. Dieter Grabow aus Gilching bei München gewählt.
An ihm möge man sich wenden, wenn eine Teilnahme im nächsten Jahr vom 7.2. bis 14.2.2004 gewünscht wird (82205 Gilching, Postfach 10 70).
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Fotos: Dieter Leinsinger
Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Alpenstr. 25
82377 Penzberg
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