von Renate Droste
„Ist eine psychotherapeutische Behandlung in meinem Alter überhaupt noch sinnvoll?“ Diese Frage lässt sich nahezu immer mit „Ja!“ beantworten. Schon wer diese Frage stellt, bringt die zentrale Voraussetzung mit, um das Angebot einer psychotherapeutischen Hilfe zu nutzen. Es ist ein nachdenklicher, abwägender Mensch, der bereit ist, an dem eingeschlagenen Weg zu zweifeln und sich notfalls zu korrigieren.
Für den richtigen Zeitpunkt gilt: Er sollte nicht zu früh sein, denn dann werden die Kräfte geschwächt, das Leben mit den eigenen Mitteln zu bewältigen. Er soll aber auch nicht zu spät sein, denn dann gibt es zu viel aufzuarbeiten, während sich die Wahlmöglichkeiten im Leben bereits verengt haben.
Auch bei Menschen im Rentenalter sind noch seelische Entwicklungen möglich und können weit über eine „stützende Therapie“ hinaus gefördert werden. Wesentlicher als das Alter des Patienten ist das Alter der Symptome. Ein 60-jähriger, der seit zwei Jahren unter Panikattacken leidet, hat bessere Aussichten, mit Hilfe einer Psychotherapie von diesem Symptom zu genesen, als eine 26-jährige, die seit fünfzehn Jahren mit einer Essstörung kämpft.
In der klassischen Therapie mit Erwachsenen ist Abstinenz sinnvoll. Als Therapeutin versuche ich, weder durch Ratschläge, das Einbringen eigener Erfahrungen, noch durch Überlegungen, was ich anstelle des Patienten tun würde, Abhängigkeiten in der Therapiesituation zu steigern. Ich vermeide zu große Nähe, denn sie gefährdet das therapeutische Verhältnis und führt möglicherweise zum Zusammenbruch der Professionalität zum Beispiel durch sexuelle Handlungen in einer Therapie. Im Alter werden diese Gefahren geringer. Da sind sie immer noch.
Die Psychotherapie mit Alternden kann und sollte anders strukturiert werden, als die klassische Erwachsenentherapie. Denn ein Mensch, der seine berufliche Laufbahn weitgehend hinter sich hat und sich einsam fühlt, wird durch die Beiträge des Therapeuten eher angeregt als eingeengt oder manipuliert. Ich plädiere hier für eine aktive Behandlung. Mir scheint das Risiko größer zu sein, dass die Therapiesitzungen inhaltsarm und wirkungslos bleiben, wenn ich als erfahrene Therapeutin darauf bestehe, dass nur die Einfälle des Patienten bearbeitet werden, ich selbst aber keine Anregungen einbringe.
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Literatur:
Heft (Hg): Lehrbuch der Gerontopsychosomatik und Alterspsychotherapie. München 2000
Schmidbauer, W.: Altern ohne Angst. Reinbek 2003
Anschrift der Verfasserin:
Renate Droste
Dipl. Psych. u. Heilpraktikerin
Maximilianstr. 56
48147 Münster
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