von Kamal Sabri Kolta
In der Menschheitsgeschichte hatte der Baum häufig mythologische und religiöse Bedeutung. Er war und ist immer noch ein Symbol für Leben und Tod wie auch für Geburt und Wandlung. Sein Stamm, die Wurzeln und die Laubkrone bedeuten Wachstum und Lebenskraft. Die Äste und die dichte Krone bilden ein schützendes Dach für Mensch und Tier, und so empfindet man den Baum als Ort des „mütterlichen Schutzes“.
Nicht nur Menschen, auch das Vieh, Häuser, Grabanlagen und sakrale Bauten stehen im Schatten von Bäumen. Befand sich ein Baum in der Nähe eines Brunnens oder eines Teiches, so wurde das Wasser um so eher als lebensspendende Quelle angesehen.
Die Geburt einiger Götter Altägyptens wurde mit Bäumen in Zusammenhang gebracht: z.B.gebar die Himmelsgöttin Nut unter einem „kesbet“-Baum (nicht identifizierbarer Baum) den Gott Osiris. Gott Re soll aus einer Sykomore, Gott Horus aus einer Akazie hervorgegangen sein.
Im Alten Testament ist uns ein „Baum des Lebens“ überliefert, der im Garten Eden Unsterblichkeit spenden soll. Ein Lebensbaum mit der Bezeichnung „Wurzel Jesse“ symbolisiert den Stammbaum Jesu und erinnert daran, dass Jesus aus der Familie Isai (griech. „Jesse“ = Vater des Königs David) hervorgegangen ist. Die „Wurzel Jesse“ wird in der bildenden Kunst meist als Baum dargestellt, der aus dem ruhenden Jesse emporsprießt und in seinen Zweigen Medaillons mit den Ahnen Jesu trägt (Abb. 1 - siehe Naturheilpraxis 5/2003). Eine andere überaus farbenprächtige Darstellung einer solchen „Wurzel Jesse“ können Besucher der Kathedrale von Chartres/Frankreich bewundern. Hier ließ der Künstler in einem Glasfenster den Stammbaum Jesu wie eine Folge ineinandergesteckter Blüten aufsprießen. Für die Kunstgeschichte gilt dieses Glasfenster mit zwei anderen Fenstern in der Westfassade der Kathedrale als älteste erhaltene Glasfenster überhaupt sie stammen aus dem 12. Jahrhundert und wirken noch heute intensiv durch die Leuchtkraft ihrer Farben.
Aus der griechischen Mythologie ist uns ein Garten der Hesperiden (= Nymphen) mit einem „Baum mit goldenen Äpfeln“ bekannt, deren Genuss Unsterblichkeit verhieß. Im äußersten Westen, im Garten des Okeanos, hüteten die Hesperiden mit dem Drachen Ladon diesen Baum, der von Gaia Hera zur Hochzeit geschenkt worden war.
Der Baum und sein Schatten
Bäume als Sitz von Göttern
Hathor als Baumgöttin
Die Göttin Nut
Die Göttin Isis als Baumgöttin
Der Gott Osiris
I. Die Akazie
II. Der Balsam-Strauch
III. Die Dattelpalme
IV. Der Sykomorenbaum
V. Der Wein und seine Anwendung in der Medizin
Literatur
I Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Symbole der alten Ägypter. 3. Aufl., Bern/ München/Wien 1995, S. 52.
II A.T., Mos. 1, Kap. 3, Vers 23-24.
III Hunger, Herbert: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Wien 1959, S. 153.
IV Bonnet, Hans: Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin 1952, s.v. „Baumkult“, S. 82 ff.
V Bleeker, Claas: Hathor and Thot. Two key figures of the ancient Egyptian religion. Leiden 1973, S. 36-38.
VI De Buck, A.: The Egyptian Coffin-texts. I-VI, Chicago 1936-1956; hier: CT VI 406.
VII Pyr.-Text, Nr. 916 b.
VIII Pyr.-Text, Nr. 1485 a-b.
IX Moftah, Ramses. Die uralte Sykomore und andere Erscheinungen der Hathor, ZÄS 92 (1965) 46.
X Die Kultstätte der Saosis befand sich in Heliopolis, nördlich des Re-Tempels, in der auf einem Hügel eine heilige Akazie gestanden haben soll.
XI Pyr.-Text, Nr. 519.
XII Helck, W./Otto, E.: Lexikon der Ägyptologie (LÄ), Bd. I, s.v. „Baum“, Sp. 658.
XIII Sethe, Kurt: Urgeschichte und älteste Religion der Ägypter. Leipzig 1930, S. 14 ff; Allam, Shafik: zum Hathorkult (bis zum Ende des Mittleren Reiches), Münchner Ägyptologische Studien 4, München 1963.
XIV Bonnet, Hans: Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. Berlin 1952, s.v. „Baumkult“, S. 83.
XV Allam, Shafik: Beiträge zum Hathorkult bis zum Ende des Mittleren Reiches. Münchner Ägyptologische Studien, Bd. 4, München 1963, S. 106.
XVI Hermsen, Edmund: Lebensbaumsymbolik im alten Ägypten. Arbeitsmaterialien zur Religionsgeschichte 5, Köln 1981, S. 119.
XVII Shedid, A. G.: Das Grab des Senedjem. Ein Künstlergrab der 19. Dynastie in Deir el-Medina. Mainz 1994, Abb. 106.
XVIII Hornung, Erik: Tal der Könige. Die Ruhestätte der Pharaonen. Augsburg 1995, S. 85.
XIX Brunner-Traut, Emma: Ägypten. Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde. Stuttgart 1978, S. 405.
XX Meinardus, Otto F. A.: Christian Egypt. Ancient and Modern. Cairo 1977, S. 333.
XXI Meinardus, Otto F. A.: Die Heilige Familie in Ägypten. Cairo 1988, S. 30.
XXII Hermsen, E.: a.a.O., S. 71.
XXIII Meinardus, Otto F. A.: Christian Egypt. Ancient and Modern. Cairo 1977, S. 334.
XXIV Pyr.-Text, Nr. 1112 d.
XXV Pyr.-Text, Nr. 816 c; 1511 b; 1723 a-b.
XXVI Pyr.-Text, Nr. 130 c; Hornung, Erik: Das Totenbuch der Ägypter. München 1979, S. 376, (Spruch 179, Zeilen 54-57).
XXVII Pyr.-Text, Nr. 1524.
XXVIII Diodor, Buch I, Kap. 17; Tibull I, Kap. 7, Vers 32-33.
XXIX Herodot, Buch II, Kap. 42.
XXX Eggebrecht, Arne (Hrsg.): Sennefer. Die Grabkammer des Bürgermeisters von Theben. Mainz 1986.
XXXI Kolta, Kamal Sabri/Tessenow, Hermann: „Schmerzen“, „Schmerzstoffe“ oder „Fäulnisprinzip“? Zur Bedeutung von whdw, einem zentralen Terminus der alltäglichen Medizin. In: Zschr. ZÄS 127 (2000), S. 38-52.
Anschrift des Verfassers:
Dr. K. S. Kolta
Akademischer Oberrat
Institut für Geschichte der Medizin der Universität München
Lessingstr. 2
80336 München
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