von Max Amann
Seit der Zeit des Paracelsus hat sich die Therapie mit chemisch hergestellten Stoffen stark entwickelt; zunächst mit einfachen Stoffen wie Glaubersalz, seit Ende des 19. Jahrhunderts mit immer komplizierteren Stoffen, die oft ohne vergleichbare Substanzen in der belebten Natur sind. Diese zeigen nicht selten sehr gute Wirkung bei den Leiden, für die sie entwickelt wurden und sind dann oft unentbehrlich.
Krankheiten behandelt man aber schon seit zehntausenden von Jahren, vielleicht länger, mit Arzneien, die man in der Natur vorfand. In dieser langen Zeit hat sich bei allen Völkern der Welt ein gewaltiger Erfahrungsschatz angesammelt, der teilweise auch schriftlich fixiert wurde. Die Naturheilkunde nützt diesen mit großem Erfolg, wie man bei Gesprächen mit naturheilkundlich Behandelten immer wieder feststellen kann. Die Behandlung mit Naturprodukten steht nach wie vor vergleichbar neben der Behandlung mit synthetischen Stoffen, wobei in der Regel eine der beiden Behandlungsweisen die bessere ist, sehr oft sich aber schulmedizinische und naturheilkundliche Behandlung auch ausgezeichnet ergänzen. Infolge der gesellschaftlichen Entwicklung besteht bei den Entscheidungsträgern aber die Tendenz, die Naturheilkunde und damit auch die Phytotherapie als eine veraltete Form des Heilens einzustufen. Das führt auch in der Kräuterheilkunde zu ihrer Nichtbeachtung, Ablehnung und letztendlich Abschaffung. Tatsache ist, dass die Pharmaziefirmen laufend wertvolle Arzneien aus ihren Lieferprogrammen streichen müssen, weil die behördlichen Auflagen finanziell nicht mehr zu tragen sind.
Das Wissen der Kräuterbücher stammt aus antiken Quellen, der Klostermedizin, hauptsächlich aber aus der Volksmedizin. Diese Quelle ist jedoch durch den schnellen Verlust des mündlich überlieferten Wissens am Versiegen, ohne dass das Volkswissen vollständig dokumentiert werden konnte. Einige Beispiele aus den Alpen:
1. Hauptsächlich in den Westalpen findet sich die Edelraute (Artemisia umbellliformis, A. genepi, A. glacialis), Genepi. Nach jahrhundertelangem übermäßigen Sammeln ist sie in ihren Beständen stark bedroht. Die Pflanzen haben ein einzigartiges Aroma, die Heilanzeigen sind die gleichen wie für Wermut, doch wirkt die Edelraute erheblich stärker. Die Sennen schätzen die Pflanzen als Arzneimittel für das Vieh, besonders bei Verletzungen. Einnahme von Edelraute erleichtert Schwerarbeit in größer Höhe (alpiner Bergbau Sauerstoffbilanz). Erhalten geblieben ist der Genepischnaps (die Pflanze kann angebaut werden).
2. In den Ostalpen wird das Ivakraut, oder Jochhieferle (Achillea moschata) sehr geschätzt. Diese Pflanze wirkt wie Schafgarbe, doch stärker. Sie ist ebenfalls sehr aromatisch, Vieharznei des Sennen, ebenfalls für Schwerarbeit im Gebirge und als Ivalikör im Handel.
3. Aus der Volksmedizin des Berchtesgadener Gebiets: Verwendung von Silberwurz (Dryas octopetala Rosaceae) bei Schlaganfall. Die Pflanze ist bei /T/ als BergGamanderlen, Chamedrys montana aufgeführt mit den Indikationen von Gamander wie Gicht, Verstopfung der Leber, Pestilentz, Wassersucht, Husten Keichen. Schlaganfall (halber Schlag) ist hierbei nicht erwähnt.
Nach den Gesichtspunkten der Alchimie sind die sulfurischen Heilmittel die wichtigsten. Sie werden zur Anregung des Stoffwechsels in höherer Dosis unter dem Gesichtspunkt der Antipathie verschrieben; bei akuten, entzündlichen Prozessen nach dem Prinzip der Affinität sympathisch in kleiner Dosis. (Die Lehre des Heilens mit Ähnlichem stammt nicht von Hahnemann, sondern geht auf Paracelsus zurück.)
Viele der halb oder ganz vergessenen Pflanzenarzneien sind sulfurischer Natur. Stark sulfurisch sind alle bitter-scharfen Doldenblütler, die würzig riechen und schmecken und praktisch alle Arten der Gattung Gamander (Teucrium aus der Familie der Lippenblütler), besonders der Knoblauchgamander.
Einige der in alten Büchern als Heilmittel beschriebene Heilpflanzen
Doldenblütler (Apiaceen)
Weitere Doldenblütler
Lippenblütler (Lamiaceae)
Weitere Lippenblütler
Die Nutzung der Heilanzeigen, die in den Pflanzenmonographien genannt sind und auf die ggfs. im Stichwortverzeichnissen der Kräuterbücher hingewiesen wird.
Immunologie
Neurologie
Epilog
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Hieronymus Bock (im Text /B/): Kreutterbuch, Straßburg 1577; Kölbl Reprint 1964
Bartholomäus Carrichter: Horn deß Heils Menschlicher Blödigkeit oder Kreutterbuch, Straßburg 1606; Kölbl Reprint 1981
Adamus Lonicerus (im Text /L/): Kreuterbuch, Ulm 1679; Kölbl Reprint 1962
Jacobus Tabernaemontanus (im Text /T/): Neu vollkommen Kräuterbuch, Erstauflage 1588;
Max Höfler: Deutsches Krankheitsnamen-Buch 1899; Nachdruck bei Olms 1979
Ingo Wilhelm Müller: Humoralmedizin, Heidelberg 1993
Friedemann Garvelmann: Pflanzenheilkunde in der Humoralpathologie, München 2000
Max Amann: Dem Geist auf die Sprünge helfen, München 2000
O. Rippe et al.: Paracelsusmedizin, Aarau 2001
Peter Kaufhold: Phytomagister, München 2002
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