Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Chinesische Medizin aus den Klassikern: Nüke Baiwen???? – 100 Fragen zur Frauenheilkunde

von Udo Lorenzen

Frage 2: Nach alter Regel (sollten) Männer mit 30 Jahren und Frauen mit 20 Jahren heiraten?

Die Antwort lautet:
Der Himmel verschafft sich Ehrfurcht (Zun?) durch hartes Yang. Die Erde erlangt Bescheidenheit (Bei?) durch weiches Yin. Dadurch wird die Struktur (Ti ?) von Qian (?) und Kun (?) gefestigt. Wenn der Himmel (sich) nicht wie hartes Yang (verhält) und die Erde nicht wie weiches Yin, dann ist die Struktur von Qian und Kun nicht gefestigt.

Also: das Dao des Qian vollendet das Männliche, das Männliche dreht sich von Kind an zur linken Seite. Es sammelt sich bis zum 30. Lebensjahr an und vollendet sich. Deshalb heiratet der Mann mit 30 (Jahren). Dies ist der passende Zeitpunkt, an dem sich das Yang des Himmels (Tian Yang ??) vollendet und fest wird.

Das Dao des Kun vollendet das Weibliche, das Weibliche dreht sich von Kind an zur rechten Seite. Es sammelt sich bis zum 20. Lebensjahr an und vollendet sich. Deshalb heiratet die Frau mit 20 (Jahren). Sie erreicht dann ihren (richtigen) Zeitpunkt. Das Yin der Erde (Di Yin??) ist jetzt im Einklang (Shun ?).
Deshalb wird sie (die Frau) besonders in dieser Zeit ein sehr kräftiges Kind bekommen. Man nennt dies: Die Struktur von Qian und Kun ist schon gefestigt.
Wenn (Mann und Frau) nicht ihren (rechten) Zeitpunkt erreicht haben und (trotzdem) heiraten, dann wird das harte Yang und das weiche Yin sicher verloren gehen.

...

Erläuterungen:
1 vergl. Shi Zhengyu: Picture within a picture, S. 93, New World Press, Beijing, 1997
2 vergl. J. Needham: Science and Civilisation in China, Vol. 2, S. 460 ff., 1959
3 vergl. R. Wilhelm: Li Gi – Das Buch der Sitte, S. 244 f., Jena 1930
4 vollständige Sammlung wirksamer Rezepte für Frauen von Chen Zi Ming, 1237 n. Chr., Volksverlag Beijing, 1985
5 Es scheint, als ob hier eine klare Schuldzuweisung an die Frau der Song-Zeit besteht, wenn es mit der Nachkommenschaft nicht so klappt wie erwartet. Die Frau als blutjunge Verführerin, die nicht abwarten kann, bis ihre Zeit gekommen ist und sich ihren Trieben hingibt. Die ideale Frau der Song-Dynastie entspricht nun nicht mehr der prallen Erotik der vorherigen Tang-Dynastie, sondern muss den Regeln der (männlichen) Neokonfuzianisten folgen und wieder Sittsamkeit und Demut beweisen. Nur dann kann sie gesunde Nachkommen hervorbringen und ihre kosmische Rolle verwirklichen.
6 Vergl. die vollständige Sammlung wirksamer Rezepte für Frauen von Chen Zi Ming, 1237 n. Chr., a.a.O.
7 welche Auswirkung diese Prozedur auf das freie Fließen des Qi in der Nieren-Leitbahn und im Chong Mai hatte, ist weder in den klassischen Texten noch in späteren Interpretationen untersucht worden!
8 siehe auch: Ebrey, P. B. The Inner Chapters – Marriage and the Lives of Chinese Women in the Sung-Period,
S. 37-43, California Press, 1993

Anschrift des Verfassers:
Udo Lorenzen
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E-Mail: u.lorenzen@ki.comcity.de
Web: www.zhenjiu.de



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