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Vergessen, verkannt, jedoch wirksam wie eh und je: Die Schlangenkraft in uns

von Sonja Kübber

Das Schlangensymbol und seine Energie sind nach wie vor Stiefkind universitärer Lehre. Ebenso mager ist das Wissen, das dazu an therapeutischen Ausbildungsinstituten vermittelt wird. Diese Realität steht in krassem Gegensatz zur Bedeutung, die die Schlangenenergie nach wie vor in der menschlichen Psyche hat: sie ist mächtige, wenn nicht mächtigste Wandlungskraft im Unbewussten. Durch das Erinnern von Träumen kann der Mensch mit ihr in Kontakt kommen. Geschieht dies, wird allerdings auch greifbar, dass Zivilisationsmenschen für das Begreifen von Traumschlangen auf so gut wie kein Vorverständnis zurückgreifen können, geschweige denn über Wissen zum Umgang mit ihnen verfügen. Angst kennzeichnet in der Regel das Bewusstsein des Träumers schon im Traum, ein achselzuckendes Nichts-damit Anfangen-Können die Traumbearbeitung. Dies trifft besonders dann zu, wenn erstmals Schlangenträume erinnerbar werden.

Therapeuten jeder Tradition brauchen jedoch ein Minimum an Verständnis der Schlangenkraft in der menschlichen Psyche, wenn es darum geht, Krankheitsbilder und Entwicklungsprozesse bzw. deren Stagnation auf tiefer Ebene einzuschätzen.

Mit folgender Betrachtung wird die Schlangenkraft im Kulturvergleich tiefenpsychologisch beleuchtet, um an ihre Bedeutungen zu erinnern und sie ins rechte Licht zu rücken.

Schöpfungsmythen

In vielen Schöpfungsmythen der Welt spielt die Schlange als gewaltiges Urtier eine wesentliche Rolle. Ursprünglich dem Wasser, also dem Urmeer zugeordnet, gilt sie als der Anfang aller Dinge sowie als Schöpferin der Zeit.

In der nordischen Mythologie z.B. schlängelt sich die Midgardschlange um die Wurzeln des Weltenbaumes. Im chinesischen Schöpfungsmythos entsteht aus einem Welt-Ei ein Wesen mit dem Kopf eines Drachens und dem Leib einer Schlange. Ähnlich in Indien: hier trägt die Weltenschlange Shesha das Welt-Ei auf dem Kopf. Die Vorstellung, dass die Urschlange das Entstehen von Leben erkläre, findet sich in vielen Mythen rund um die Welt.
Diese Schöpfungsmythen weisen die Schlangenenergie als Mittlerin aus zwischen der "Urenergie des Nichts, die potentiell Alles ist" und der sich konkret manifestierenden Welt. Zu diesem riesigen Potential gehört die Fähigkeit zu zerstören ebenso wie zu erschaffen.

Der weite Bedeutungsbogen des Schlangensymbols

Die Dämonisierung der Schlange im Alten Testament

Schlangendynamik in Träumen

Der Kulturvergleich als Erinnerungshilfe

Das Totemtier Schlange

Buddha und die Schlange

Die Kundalinischlange als Transformationskraft aller existentiellen Bereiche

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Literatur:
Egli, Hans: Das Schlangensymbol. Geschichte, Märchen, Mythos. Walter, Solothurn 1982
Jung, C.G.: Der Mensch und seine Symbole. Walter, Olten 1968
Martinek, Manuela: Wie die Schlange zum Teufel wurde. Harrassowitz, Wiesbaden 1996 Dissertation im Fach Vergl. Religionswissenschaften der Universität Bonn 1994
Sanella, Lee: Kundalini: Klassisch und klinisch. In: Grof, Stanislaf und Christina, Spirituelle Krisen, Kösel, München 1990
Sanella, Lee: The Kundalini Experience: Psychosis or Transcendence. Lower Lake, Calif. Integral Publishing 1987
Stamer, Barbara und Zingsem, Vera: Schlangenfrau und Chaosdrache in Märchen, Mythos und Kunst. Kreuz, Stuttgart, 2001

Bildnachweis:
Der Schlangenring
Die Midgardschlange am Weltenbaum
Meditierender Buddha
Weihgefäß v. Lagasch, nach Egli
Figuratorum Aegyptiorum Secetarum, Handschrift 18. Jahrhundert, in Privatbesitz

Anschrift der Verfasserin:
Dr. phil. Sonja Kübber
Psychol. Psychotherapeutin
Hans-Sachs-Str. 10
80469 München



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