Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Betrachtungen zur Causa - Anhand eines interessanten Falles aus der alten Literatur

von Roger Rissel

Einleitung

Eine Causa, wenn diese sicher zu erfahren ist, führt uns zu wichtigen und sehr hilfreichen Rubriken in den Repertorien. Diese Rubriken sind ausschließlich durch die Erfahrungen an Patienten entstanden. Die Causa ist ihrem Wesen nach kein Symptom. Es handelt sich vielmehr um Veranlassungen, in deren Folge erst Symptome entstehen. Damit unterscheidet sich die Causa von Modalitäten, denn diese können in der Arzneimittelprüfung spontan beobachtet oder durch ausprobieren ermittelt werden.

G.H.G. Jahr erläutert uns in "Die Lehren und Grundsätze der gesamten theoretischen und praktischen homöopathischen Heilkunde" (G.H.G Jahr Verlag Euskirchen) unter § 112, welchen praktischen Nutzen eine Causa für unsere Arbeit hat. Sie gibt uns eine Vorauswahl der Mittel, die bei Erkrankungsfällen solcher Art homöopathisch angezeigt waren und gut gewirkt haben. Diese gute Wirksamkeit basiert allerdings alleinig auf der Symptomenähnlichkeit, so dass wir unter den zur Auswahl stehenden Mitteln das homöopathische erst bestimmen müssen.

Im Organon finden wir nur kleine Hinweise zum Thema Causa. Im § 5 des Organons 6. Aufl. schreibt Hahnemann: "Als Beihülfe zur Heilung dienen dem Arzte die Data der wahrscheinlichsten Veranlassung der akuten Krankheit,...." Auch im § 93 weist er uns auf die Wichtigkeit der Causa dahingehend hin, dass, wenn eine Causa die Erkrankung ausgelöst hat, es nötig ist, diese zu erfahren.

Im § 206 des Organons schränkt er ihre Bedeutung in Bezug zu den chronischen Krankheiten ein. Er betont, dass das Leiden durch eine Verursachung wohl ausgelöst wurde, aber nach dem Verschwinden der Ursache weiter fortbesteht, was auf die Aktivierung eines zugrunde liegenden Miasmas hinweist, welches die chronische Krankheit entwickelt. Die Causa hat somit bei den chronischen Krankheiten für die Arzneimittelwahl nur eine untergeordnete Bedeutung.

In den Chronischen Krankheiten Band I geht Hahnemann ausführlich auf Kummer und Ärgernis als wichtige Faktoren für eine Aktivierung der latenten Psora ein.

Auf Seite 163 gibt er Empfehlungen für Arzneimittel aufgrund von auslösenden Ursachen für "Unfälle", die sich während einer chronischen Kur ereignen. Kritische Stimmen mögen nun einwenden, dass Hahnemann hier genau das macht, was ich im obigen Text versucht habe in Frage zu stellen, die Arzneiwahl alleine aufgrund einer sicheren Causa ohne weitere Prüfung der Symptomenähnlichkeit.

Dass der erfahrene Praktiker auch zuweilen als erste Verordnung und aus Zeitnot auf dieser Basis eine Verordnung macht, ist kein Geheimnis. Spätestens wenn das so gewählte Mittel nicht den gewünschten Erfolg bringt, muss ein besseres Mittel aufgrund der Symptomenähnlichkeit ermittelt werden.
Neben der Bedeutung der Causa für die Arzneimittelwahl ist es für einen erfolgreichen Therapieverlauf notwendig, sie zu entfernen, wenn sie fortbesteht oder in ihr eine unterhaltende Ursache zu erkennen, die sich als Heilhinderniss auswirkt und sie zu entfernen, soweit das möglich ist 1.

Der nun folgende Fall, der 1826 im Stapf Archiv für homöopathische Heilkunst veröffentlicht wurde (Band 6 Heft 1, Seite 96 – 109), hat mich auch aufgrund der sehr sorgfältigen Arbeitsweise des Dr. Messerschmidt beeindruckt.

Geschichten nach homöopathischen Grundsätzen bewirkter Heilungen von Dr. Messerschmidt

Stadt- und Dom-Physikus in Naumburg a. d. Saale

"Wilhelm T. ein Knabe von 13 Jahren und Sohn einer armen Witwe aus der niederen Volksklasse, hatte zwar von Kindheit her an keiner bedeutenden Krankheit gelitten, war jedoch von nur mäßig kräftiger Körperbeschaffenheit geblieben, (wahrscheinlich als Folge der schmalen Kost und mangelnden Pflege), ohne darum der jugendlichen Lebhaftigkeit zu ermangeln, die sogar unter seinen Lebensverhältnissen etwas ins Rohe ausgeartet war.

Hierin lag auch der Grund, dass dieser Knabe seiner Mutter am 26. Mai 1826 abends, besinnungslos und mit Blut bedeckt nach Hause gebracht wurde. Er war nämlich, Warnungen nicht achtend, unter das Rad eines schwer mit einem großen Fichtenbaumstamme beladenen Wagens gekommen, welches seinen Kopf von der Nasenwurzel an, über den linken Augenbrauenbogen hinweg, bis in den äußeren Winkel des linken Auges fasste, und indem wahrscheinlich der Kopf unter dem Rade eine rollende Bewegung machte, weil er sonst ganz zusammen gedrückt worden sein würde, zerriss dasselbe die Hautbedeckungen der linken Seite in mehrere Stücke und schälte sie zerquetschend von den Schädelknochen, von der satura ossis fontis und saggitalis an nach dem Hinterhaupte zu bis auf den arcus zygomaticus herab, mitsamt dem Musc. temporal. dieser Seite los.

Da es Abends schon spät war, so hatte man den ersten besten Chirurgus herbeigerufen, welcher dann auch den ersten Verband gehörig angelegt hatte. Ich sah den Verwundeten Tages darauf gegen Mittag, und fand an ihm folgendes Krankheitsbild

Die äußerlich sichtbare Kopfverletzung war von der oben angegebenen Beschaffenheit, und ich habe nur noch hinsichtlich ihrer zu bemerken, dass, obgleich die zerrissenen und zerquetschten Hautlappen von dem Chirurgus möglichst gut wieder vereinigt und geheftet waren, doch in der linken Schläfengegend ein ziemliches Stück Haut fehlte, um den ganz entblößten Schädelknochen bedecken zu können. Daher kam es denn auch, dass, nachdem sich die Geschwulst gesetzt hatte, und durch die Eiterung die verdorbenen Hautpartien abgesondert worden waren, eine 2 1/4 Zoll lange und 1 1/2 Zoll breite Knochenstelle ohne Hautbedeckung blieb.

Die Geschwulst des Kopfes, besonders der linken Seite desselben bis zum Halse herab, war von einer Größe, dass sie ihm das Ansehen gab, als sitze noch ein halber Kopf daran. Der Mund konnte kaum ein wenig geöffnet werden. Das linke Auge war dermaßen verschwollen, dass man es nicht öffnen und untersuchen konnte. Die allgemeine Röte des geschwollenen und heiß anzufühlenden Gesichts zeugte von starkem Blutandrange nach dem Kopfe. Übrigens war der Kranke wieder bei voller Besinnung, und klagte über große Schmerzhaftigkeit des ganzen Kopfes. Sein gereizter, schneller, voller und harter Puls, nebst der brennenden Hitze seiner Haut und dem heftigen Durste, gaben eine bereits eingetretene Fieberbewegung seines Blutes zu erkennen.

Heilanzeige

Verordnung und Erfolg

Krankheitsbild

Heilanzeige

Verordnung und Erfolg

Schluss

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Anmerkungen
1 Hahnemann, § 7 Organon 6. Auflage
2 Der Tetanuserreger, Clostridium tetanie wurde um 1885 entdeckt
3 Cicuta virosa, C 15 ein Tröpfchen, in Milchzucker

Literatur:
(1) Genneper/Wegener: Lehrbuch der Homöopathie, 1. Aufl., Heidelberg: Haug, 2001
(2) Hahnemann, S.: Organon der Heilkunst, Textkritische Ausgabe der 6. Aufl., Neuausgabe, Heidelberg: Haug, 1999
(3) Hahnemann, S.: Reine Arzneimittellehre, Band 1, Neugestaltung der 3. Aufl. 1830, Heidelberg: Haug, 1995
(4) Hahnemann, S.: Reine Arzneimittellehre, Band 6, Neugestaltung der 2. Aufl. 1827, Heidelberg: Haug, 1995
(5) Hahnemann, S.: Die chronischen Krankheiten, Band 1, Unveränd. 5. Nachdr. der Ausg. Letzter Hand, Düsseldorf: Schaub, 1835 – Heidelberg: Haug, 1991
(6) Jahr, G.H.G.: Die Lehren und Grundsätze der gesamten theoretischen und praktischen homöopathischen Heilkunde, Euskirchen: Jahr
(7) Roche Lexikon der Medizin, Urban&Schwarzenberg, 2. neubearbeitete Auflage, 1987
(8) Stapf, E.: Archiv für homöopathische Heilkunst, Band 6, Heft 1, 1826
(9) Simbürger, F.: ComRep ML Homöopathie Software, Eching, 2000

Anschrift des Verfassers:
Roger Rissel
Friedrich-Naumann-Str. 24
55131 Mainz



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