KREBSFORUM

Möglichkeiten und Grenzen: Moderne immunologische Diagnostik

von Manfred D. Kuno

Intro

Die Möglichkeiten der Erfassung und Beobachtung immunzellulärer Veränderungen (u.a. mit großem Benefit für die Onkologie) hat sich durch die Forschung und Entwicklung im Bereich der Molekularbiologie und Molekulargenetik in den letzten etwa zwanzig Jahren enorm weiter entwickelt. Ausgelöst durch das Auftreten der virusinduzierten Immunschwächekrankheit AIDS erfuhr die Immunologie einen wichtigen Impuls im Bereich der Laboranalytik. Die Entwicklung monoklonaler Antikörper, die Entschlüsselung der Apoptosefähigkeit von Zellen, die Entdeckung von Krebsgenen, die Forschung zur Rolle der Mitochondrien im physiologischen Zellzyklus, die Erforschung von residuellen Tumorzellen u.v.a.m. ermöglicht ein heute sehr breites immunologisches Screening zur Einschätzung der individuellen Abwehrlage. Hierdurch ergeben sich u. a. präventive Diagnosemöglichkeiten zur Abschätzung von Risiken und Vorstadien unterschiedlicher Erkrankungsbilder, von den Atopien, über Autoimmunprozesse, Immunschwächekrankheiten, bis hin zu Tumorerkrankungen.
Andererseits zeigen die modernen immunologischen und molekularbiologischen Forschungen, dass die im Organismus vorhandene Tumorzellklone keineswegs passive, und dem Angriff eines gesunden Immunsystems ausgesetzte "Ziele" sind.
Im Gegenteil wissen wir heute um die hohe biologische Aktivität von Tumorzellen, die ihrerseits sowohl in das menschliche Immunsystem, als auch in weitere Stoffwechselprozesse (Hormonsystem, Nervensystem, System der extrazellulären Matrix etc. pp) aktiv störend eingreifen:

Sie produzieren aktiv passende Rezeptoren für das menschliche Hormonsystem,
attackieren die extrazelluläre Matrix mittels Sekretion von Lactat und Pyruvat,
sezernieren toxische Substanzen, die menschliche Immunzellen angreifen (z.B.Lymphotoxin, Makrophagen-inhibierender Faktor etc. pp)
senden Zytokine und Immunkomplexe aus, die die Immunabwehr blockieren,
bilden an ihrer Zelloberfläche Adhäsionsmoleküle, die ihre Metastasierungsfähigkeit verbessern (z.B. CD44, VCAM, ICAM) und
versorgen sich mit Nahrungssubstraten durch Bildung neuer Gefäßkapillaren via Angiogenesis-Faktor. (Beispiele Abb. 1 siehe Naturheilpraxis 12/2002)

Tumorzellen sorgen also in sehr ausgeprägtem Maße für ihren Überlebensvorteil. Die fatale Konsequenz für unsere tägliche Praxisarbeit ist, dass selbst gut ausgeklügelte Immuntherapien auch immer wieder versagen. Anders und mit den Worten eines führenden Mitglieds der US-amerikanischen Krebsgesellschaft:

"wir haben Tausende Substanzen, die im Experiment und am Tiermodell Tumoren zum schmelzen bringen, und die in der Anwendung am Menschen versagen."

In so fern steht die Immunologie, als auch die Molekularbiologie, die eng miteinander vernetzt sind, fraglos in den Kinderschuhen und bedarf weiterer Forschungsimpulse, um von der Kenntnis beobachteter Phänomene zum umsetzbaren Wissen in der Praxis, und damit zum Benefit für Immunpatienten im weitesten Sinne zu gelangen. Einen interessanten Einblick in den derzeitigen Stand der internationalen Forschungen auf diesem Gebiet gewährt die Homepage des internationalen "Krebs-Genom Projektes" das in der amerikanischen NIH (National Institute of Health) beheimatet ist. Die Klärung v.a. der Ursachen malignen Wachstums steht hier im Vordergrund (siehe im Internet unter www.ncbi.nlm.nih.gov/CGAP/), und die Abbildung 2 zeigt, (Abb. 2 siehe Naturheilpraxis 12/2002) wie weit die Aufklärung molekulargenetischer Ursachen für einen Teil der Tumorerkrankungen heute fortgeschritten ist.

Bis zu einer weiteren Aufklärung molekularbiologischer und immunologischer Verknüpfungen im Lebendigen, sind wir (unverzichtbar!) gezwungen, unsere (wenn auch noch so aufwendigen) molekularbiologischen und immunologischen Laborbefunde mit den "Phänomenen des Lebendigen" zu vergleichen, d.h. Erfassen und beachten der Anamnese, Beachtung der äußeren Zeichen innerer Erkrankungen (körperliche Untersuchung!), bildgebende Verfahren etc. pp bleiben weiterhin die Grundlagen einer lebendigen Diagnostik, und können das analytische Labor nicht ersetzen.

Eine kontinuierliche und kompetente Fachfortbildung bleibt dabei ein unverzichtbarer Bestandteil ärztlicher und heilpraktischer Tätigkeit, wobei auch die Fortbildung auf scheinbar sachfremden Gebieten (Genetik) dazu gehören muss (Anschriften für kompetente Fortbildungsmöglichkeiten am Ende dieses Beitrages).

Zudem muss einschränkend berücksichtigt werden, dass die genannten analytischen Verfahren sämtlichst Verfahren der quantitativen "in-vitro-Diagnostik" sind, d.h. hier werden Körpermaterialien eines Patienten (Knochenmark, Blut, Gewebe etc.) außerhalb der physiologischen Körperbedingungen (also "im Labor") unter Benutzung verschiedener Reagenzien (von monoklonalen Antikörpern bis zu Schafserythrozyten) untersucht, und im Rahmen mehr oder weniger gut evaluierter "Referenzbereiche" in ihrer Aussagekraft interpretiert. Es handelt sich hierbei also nicht um eine echte "Funktionsdiagnostik", sondern eher um statische und rein quantitative "Momentaufnahmen" außerhalb physiologischer Bedingungen.

Die Folgen sind auch in unseren Praxen manchmal schmerzhaft erkennbar: so sehen wir nicht selten scheinbar völlig unauffällige Immunprofile bei Patienten, die klinisch ausgeprägte Immunerkrankungen aufweisen, oder wir sehen ausgeprägte Störungen des Immunprofils bei klinisch gesunden Menschen.

Diese Tatsachen schränken die Aussagefähigkeit auch einer modernen Diagnostik ein, sie eignen sich definitiv nicht für ein breites Screeningverfahren, sondern bedürfen unbedingt einer erfahrenen Befundinterpretation, die die klinischen Befunde des jeweils untersuchten Probanden berücksichtigt.

Diese Aussage betrifft auch moderne sogenannte "quantitative" Untersuchungsverfahren wie z.B. "Tumor-Killing-Tests", Untersuchungen der "Aktivität von Killerzellen und/oder Makrophagen-Aktivitäts- und Transformationstests", "p53-Analyse", "Medikamenten-Biogramme", oder Untersuchungen auf "residuelle Tumorzellen". All diese genannten Verfahren befinden sich heute in einem frühen Forschungsstadium, welches eine genaue Aussage über die jeweilige Immunaktivität des Patienten nur mit sehr hohen Unsicherheitsfaktoren zulässt. Dies gilt selbstverständlich auch und gerade die in der Naturheilkunde traditionell üblichen so genannten "Präkanzerose-Tests" (wie z.B. Dunkelfelddiagnostik nach Enderlein / v. Brehmer / Weber u.a., Blut-Kristallisationsanalyse, "Kealin"-Test, "Bradford"-Test, Erythrozyten-Trockungstests nach Linke u.a., "CCR-Test", "Witting"-Test, Untersuchung "nach Aschoff" u.v.a.m.), deren Unsicherheit noch wesentlich höher einzuschätzen sind.

Heute ist die Durchführung sowohl eines zellulären, als auch eines humoralen Immunstatus zur Einschätzung und Differenzierung klinischer Befunde möglich. Die Kosten hierfür liegen je nach Umfang zwischen Euro 100,- und Euro 400,- und werden (bei gesicherter immunologischer Grunderkrankung sowie allermeist auch bei Tumorpatienten) von den PKNn erstattet, sofern es sich um ein ärztlich geleitetes Labor handelt.

Der "Immunstatus" (I.): immunzelluläre Veränderungen am Beispiel der Tumorerkrankungen

Zelluläre Immunparameter und deren Aussagekraft

Der "Immunstatus" (II.): Einblicke in humorale Immunparameter

Fortbildungsmöglichkeiten im Bereich der Immunologie / Molekularbiologie / Orthomolekularmedizin bieten folgende Einrichtungen, bzw. Ansprechpartner regelmäßig und regional wie überregional an; bitte erfragen Sie dort aktuelle Seminarangebote:

Arbeitskreis AKODH e.V.
Hp Manfred D. Kuno
Peter-Strasser-Weg 35
12101 Berlin
Tel.: 030 - 785 71 51
Herr Dr. U. Müller
Labor Dr. Bayer GmbH
Bopserwaldstr. 26,
70184 Stuttgart
Tel.: 0711-16 41 80

Hp Michael Martin
GanzImmun AG
Hans-Böckler-Str. 109
55128 Mainz
Tel.: 06131 - 93 36 90

Literatur:
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