FACHFORUM

Wilhelm Heinrich Schüßler

Ein Lebensbild

von Hans-Heinrich Jörgensen

Dem Lebensbild sei sein Bild vorangestellt. Es gibt übrigens nur ein einziges. Ob am Schreibtisch oder im Wald, ob mit Mütze, Hut oder barhäuptig. Wer genau hinsieht, erkennt, dass alle kursierenden Bilder auf ein einziges zurückgehen, in dass offenbar alles Beiwerk hinein retuschiert wurde.

Wenn ich dieses Schüßler-Bild sehe, frage ich mich immer wieder, "Schaut er eigentlich gütig oder grimmig drein?" Ich sehe ein kampfgewohntes Gesicht, geprägt von einem Hauch Trotz, ihm aufgezwungen in der Kindheit, ihn ein Leben lang begleitend. Ich sehe aber auch das Gesicht eines Menschenfreundes, dessen Leben vom Helfen geprägt ist.

Lassen Sie mich versuchen, ein kleines Persönlichkeitsbild des Biochemie-Altmeisters Schüßler zu zeichnen, bewußt und despektierlich ohne den Doktortitel, auf den wir immer so stolz sind. Es geht heute um den Menschen Schüßler, und der fängt lange vor dem Arzt und Doktor an, prägt doch die Kindheit den Menschen fürs ganze Leben.

So schön und gepflegt wie heute anlässlich der Landesgartenschau war der kleine Ort Bad Zwischenahn vor den Toren Oldenburgs im Jahre 1821, als Schüßler dort geboren wurde, sicher noch nicht. Aber immerhin wurde er in ein gepflegtes Zuhause hinein geboren, sein Geburtshaus zeugt davon, die Familie gehörte dem gehobenen Mittelstand an. Vater Schüßler war Amtseinnehmer, etwas mehr als Steuersachbearbeiter, etwas weniger als Stadtkämmerer, der Onkel Arzt, der große Bruder Studiosus der Rechte. Es kann als sicher gelten, daß der kleine Wilhelm Heinrich nach der Grundschule auch aufs Gymnasium geschickt wurde. Eine Kindheit, rundum zufrieden.

Und dann schlug eine Bombe ein, mitten in die frühe Pubertät, jene Präge-Phase, die tiefgreifend die Weichen fürs Leben stellt. Als der Knabe Wilhelm Heinrich 12 oder 13 Jahre alt war, nahm Amtseinnehmer Schüßler nicht nur fürs Amt ein, sondern auch in die eigene Tasche. Das Ergebnis: fünf Jahre Zuchthaus in Vechta.

Die Familie fiel ins Bodenlose. Es gab damals kein soziales Netz, wie heute. Mutter Schüßler zog mit Wilhelm Heinrich und den kleinen Geschwistern Emma und Adolf nach Oldenburg ins Armenviertel. Mit putzen, nähen, plätten, waschen hielt sie die Familie notdürftig über Wasser. Der studierende große Bruder konnte sicher nichts beitragen, eher bedurfte auch er der Unterstützung. Unser Schüßler mußte die Schule verlassen und Muttern zur Hand gehen. Jedes Stückchen Brot wurde zur Kostbarkeit.

Aber nicht nur die Armut, vielmehr der tiefe Bruch im Lebenslauf, der Verlust der Freunde, der Heimat, der Geborgenheit, plötzlich mit dem Kainsmal "der Sohn des Zuchthäuslers" gebrandmarkt, das gräbt tiefe Spuren in die Seele eines Kindes. Es macht wachsam, kämpferisch und empfindsam. Und eben das sind die Eigenschaften, die aus allem Wirken unseres Schüßlers ein Leben lang erkennbar sind.

Die frühen Erwachsenenjahre bleiben im Dunklen.

Aus dem Einwohnerverzeichnis Oldenburgs ist ersichtlich, daß er mit 27 Jahren schließlich als Sprachlehrer tätig war, der inzwischen heimgekehrte Vater als Musiklehrer. Beides waren nicht feste Anstellungsverhältnisse, sondern Hungerjobs, Nachhilfeunterricht, einzelne Privatschüler. Die Verhältnisse bleiben ärmlich, immer wieder mußte die Familie umziehen, vielleicht auch zeigt sich darin eine kleine Spur des Vorankommens.

Der Weg zum Arzt Schüßler

So etwas wie einen "zweiten Bildungsweg", heute gefordert und gefördert, gab es damals nicht. Seiteneinsteiger hatten es ungleich schwerer, selbst erfolgreich geworden haftete ihnen der "Parvenü", der "Emporkömmling" an. Auch Wilhelm Heinrich Schüßler mußte recht verschlungene Wege gehen, ehe er sich in Oldenburg als Arzt niederlassen konnte.

Der Homöopath Schüßler

Der Biochemie-Schüßler

Außenseiter oder Naturwissenschaftler?

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Anschrift des Verfassers:
Hans-Heinrich Jörgensen
Heilpraktiker
Moorbeker Str. 35
26197 Großenkneten



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