Herz-Kreislauf

Bei V. a. ein akutes Coronarsyndrom (ACS)

Der akute Notfall in der Praxis - Diagnostik

von E. Brand/F. Weingärtner/U. Brügmann/U. Schaller

In der Praxis ein akutes kardiales Ereignis zu übersehen kann sowohl für den Patienten als auch für den Arzt fatale Folgen haben. Jede kardiale Komplikation ist vor einem Praxisbesuch Schicksal, danach aber droht beim nicht erkannten oder gar übersehenem kardialen Ereignis sogar ein Kunstfehlerprozess. Eine klar strukturierte Vorgehensweise ist somit bei allen Patienten die Voraussetzung für eine treffsichere Diagnostik. Bei ca.300.000 Herzinfarkten in der BRD pro Jahr sollte somit jede Praxis täglich mit einem Infarkt-Patienten rechnen und dementsprechend vorbereitet sein.

Die Diagnostik besteht unverändert seit Jahrzehnten aus der TRIAS Symptomatik, EKG und Labor.

Symptomatik:
Die klassischen Symptome beim akutem Coronarsyndrom sind denen der typischen Angina pectoris ähnlich, allerdings häufig kombiniert mit Todesangst, Vernichtungsgefühl, Blässe, Schweißausbruch und – vor allem bei Frauen Übelkeit bis hin zum Erbrechen. Der Nitrotest verläuft eher negativ, selten positiv (bei stabiler Angina pectoris). 10-20% aller Herzinfarkte verlaufen stumm, d. h. schmerzlos und weitere 30% zeigen eine mehr oder weniger untypische Symptomatik. Dies gilt es immer zu bedenken.

EKG:
Eindeutiges EKG-Kriterium im akuten Infarktstadium ist bekanntlich die monophasische ST-Hebung, bei akutem Coronarsyndrom oder instabiler Angina pectoris können zahllose Formen von EKG-Veränderungen auftreten. Sowohl Hebungen als auch Senkungen, T-Negativierungen, Schwankungen werden ebenfalls häufig beobachtet. Eine eindeutige Diagnose kann somit häufig nur unter Zuhilfenahme eines alten EKG-Befundes erhoben werden und sollte wann immer möglich zur Interpretation herangezogen werden. So können auch kleinere Veränderungen zielsicher erkannt werden. In Zweifelsfällen mußt deshalb auch ein EKG vom Kollegen angefordert werden können (per Fax immer schnell möglich).

Labor:
Die Einführung des Troponin-Testes in der Praxis stellt einen großen diagnostischen Fortschritt dar. Dieser leicht durchzuführende Trockenchemie-Test sollte bei jedem Verdacht auf ein akutes Coronarsyndrom oder bei nicht eindeutiger klinischer Symptomatik und/oder EKG-Veränderung zur Regel werden. Der Test dauert ca. 15 Minuten und gehört in jede hausärztlich/internistische Praxis. Sensitivität und Spezifität liegen ca. 3 Stunden nach Ischämiebeginn (Schmerzbeginn) bei ca. 90%. Besonderts Troponin-positive Patienten sind „wie ein rohes Ei“ zu behandeln aufgrund der eindeutig schlechteren Prognose gegenüber Troponin-negativen Patienten. Eine stationäre Aufnahme oder eine stationäre Einweisung ist jederzeit gerechtfertigt.

Infarktverdächtige Patienten müssen immer als Notfall angesehen werden, d. h. eine schnelle und bevorzugte Behandlung in der Praxis ist aus folgenden Gründen angezeigt:

Jeder Infarktpatient hat durch das Auftreten von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, vor allem Kammerflimmern, prinzipiell ein deutlich erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod.

Je schneller die Diagnose „steht“ desto rascher kann die oft lebensrettene Thrombolyse in der Klinik begonnen werden. Die Herzinfarktmortalitätsquote steigt direkt proportional mit der Zeit zwischen Schmerzbeginn und erfolgter Thrombolyse, Eile ist also oberstes Gebot !!!

Ein venöser Zugang sollte möglichst immer gelegt werden, eine Therapie nur bei längeren Transportzeiten begonnen werden. Standardtherapie ist ASS und aufgrund zuletzt durchgeführter großer internationaler Studien die gleichzeitige und zusätzliche einmalige Gabe von Clopidogrel 150 mg. Die Verabreichung eines Beta-Rezeptorenblockers ist fakultativ, eine Lyse-Therapie und die ACE-Hemmergabe sollten routinemäßig der Klinik vorbehalten bleiben. Der Transport dorthin hat per Notarzt zu erfolgen.

Im Rahmen der MITRA-Studie (1) konnte gezeigt werden, daß die 48 Stundenmortalität des optimal gegenüber dem suboptimal behandelnden Kollektiv mit 5,0 gegenüber 9,3% deutlich niederiger lag (-46%).

Fazit:

Die Prognose des Patienten mit Thoraxschmerzen und Infarktverdacht steht und fällt mit der richtigen Diagnose, die mit Hilfe einer gut organisierten Praxisstruktur u. o. unter zu Hilfenahme einer Facharztpraxis sowie der bekannten TRIAS aus Symptomatik, EKG und Labor gestellt werden kann. Tabelle 2 siehe Naturheilpraxis 06/2002

Akutelles Interview zum Thema akutes Coronarsyndrom

Aktuelles Interview zum Thema ambulante Herzkatheter

Interview Naturheilkpraxis (NHP) mit Dr. Weingartner

Interview Naturheilpraxis (NHP) mit Dr. Brand

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Naturheilpraxis 6/2002