Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Fortsetzung des Berichtes zum 7. Therapeutengesprächskreis der DGKH in Moos am Bodensee vom 15.–17. Juni 2001

von Renate Schweyen-Ott

Hyperkinetische Kinder in der homöopathischen Praxis, Teil II

Sie sprechen manchmal wie ein Erwachsener, sprechen verfrüht, was man im Repertorium unter frühreif (KK I/39) findet; dazu gehört auch, dass sie früh an Sex interessiert sind, nicht auf spielerische Art und Weise, sondern das Thema bekomme bei ihnen schon einen Hauch des leicht "Schlüpfrigen". Während im KENT unter "frühreif" nur ein einziges Mittel, nämlich Mercurius, aufgeführt ist, sind im SYNTHESIS noch eine ganze Reihe anderer bestätigter Mittel zu finden. Ein ganz wichtiges Mittel für frühreife Kinder ist erfahrungsgemäß Lycopodium. Das Sprechen kann auch deutlich verzögert sein, sodass mit 3 Jahren eventuell noch kein verständlicher Satz artikuliert wird: lernt langsam sprechen (KK I/77). Diese kleinen Nervensägen sprechen oft ohne Pause, ohne Punkt und Komma, sind sozusagen "Quasselstrippen" ohne Ende: Sprache, von einer Idee zur anderen überspringend (KK I/97). Sie haben eine hohe Risikobereitschaft, sind mutig, verwegen (KK I/72; 115); impulsiv, bekommen Wutanfälle aus kleinstem Anlass, brüllen plötzlich los, sind also heftig, hitzig (KK I/63; 60).

Sie zeigen oft ein massives Trotzverhalten, schmeißen sich auf den Boden, stampfen, strampeln, brüllen, bis sie rot oder blau werden im Gesicht; etwa: widerspenstig, verträgt keinen Widerspruch (KK I/147); Zorn durch Widerspruch (KK I/151); eigensinnig (KK I/26); ungehorsam (KK I/110). Je größer die Gruppe – so Dankert – desto aufgedrehter ist der Knirps, der pure Horror, etwa für eine im Sandkasten spielende Gruppe; denn wenn er da jetzt in den Ring steigt, passiert was, da geht "der Punk ab"; er kuckt nicht, was da gerade die anderen bauen oder machen, sondern setzt seine eigene Vorstellung von Spiel direkt um, egal, ob es passt oder nicht; und meistens ist es destruktiv; so wird als erstes etwa die Burg zerschossen; und kann man vielleicht dann aus der Situation irgendetwas Neues machen? Etwa eine kleine Schlägerei anzetteln oder ähnliches: Schlagen bei Kindern (KK I/87).

Ein solches Kind sucht mit Leidenschaft genau die Situation, wo's Zoff gibt. Nach einer Viertel Stunde ist die Spielgruppe am Ende, und der Knirps auch; er hat eigentlich keine Lust mehr, weiterzuspielen, denn die anderen sind "doof", die machen nicht mit; da können wir ja wieder wo anders hingehen, bedeutet er seiner Mutter, und kann es nicht erwarten; solche Kinder kommandieren gerne: "du machst jetzt mal das, und du jenes, basta!" Diktatorisch (KK I/25); Neigung zum Widersprechen (KK I/147). Sie können z.B. die kleine Schwester regelrecht drangsalieren; das ist kein Necken mehr, sondern das kann ganz böse, ganz gemein sein: Grobheit, roh, ungezogen (KK I/59); Neigung zum Beißen (KK 1/15); nicht selten bekommt man zu hören, dass der Sprössling ein anderes Kind der Gruppe in den Arm oder in die Wange biss, bis es aufgeschrien hat vor Schmerz. Sie zerstören Dinge vorsätzlich und heimtückisch, machen sie mutwillig kaputt und beobachten dann: "wie wirkt denn das, was ich da mache?", und freuen sich auch noch über ihre geglückten Missetaten (ein solches Verhalten ist oft Tuberculinum); etwa auch: Reißt, zerreißt Sachen (KK I/77); Zerstörungssucht (KK I/149); möchte Sachen zerbrechen (KK I/149); wirft Gegenstände weg (KK I/148); möchte andere schneiden (KK I/87).

Die große Frage hier ist auch: Wie geht man mit solch ungebärdigen Kindern im Praxis-Alltag um? Strafandrohungen werden völlig ignoriert; das seien dann die Situationen im Sprechzimmer – so der Referent – wo die Mutter z.B. sagt: "jetzt kriegste aber gleich den Arsch versohlt!", woraufhin absolut keine Reaktion erfolgt, denn das Bürschchen hört diese Sprüche seiner Mutter von morgens bis abends – er hält sie längst für dümmlich, womit er noch nicht einmal ganz schief liegen dürfte, da sie stets konsequenzlos verhallen. "Schall und Rauch", denkt er da. Die Mutter – dies sei das Problem – nimmt selbst schon gar nicht mehr ernst, was sie sagt. So frage Dankert dann oft, ob er etwas unternehmen solle, oder ob sie das in den Griff kriege, denn er lasse es sich nicht bieten, dass diese Bengels oder Gören hier seinen "Laden auseinander schrauben". Woraufhin die Mutter in ihrem soeben geäußerten obigen Spruch das die Zeitspanne ihrer Androhung auf ein Minimum verkürzende Wörtchen "gleich" durch die Emphase "wirklich" ersetzt. Doch mit so wenig Erfolg wie davor.

In einem solchen Fall – so der Referent – begebe er sich in Augenhöhe eines solchen Kindes und veranlasse es mit erhobener Stimme, ihm direkt in die Augen zu sehen: "Kuck mich jetzt an!" Und der Knirps sei dann völlig verdattert, dass man ihn so direkt anspricht und sozusagen zu Potte setzt. Und habe er nun den Blickkontakt, dann fordere er ihn in bestimmendem Ton auf "du – lässt – das – jetzt – bleiben!" Das sei für diese Kinder beeindruckend, dass man sie sich so unmittelbar vorknöpft, denn gewohnt seien sie ja, dass man sie irgendwo nie in ihrer emotionalen Verfasstheit wirklich erreicht. In der Regel werde quasi immer nur über sie hinweg gesprochen; schaffe man es jedoch, ihnen direkt in die Augen zu schauen und sie dabei anzusprechen, bekämen sie zumindest Respekt und ließen sich Anweisungen geben, etwa mal in den Hof zu gehen oder sich mit angebotenen Spielsachen zu beschäftigen. Andernfalls stehe man doch anschließend vor "zerlegten" Praxisräumen – angesichts ihrer notorischen Respektlosigkeit und ihres sich dabei immer weiter ausdehnenden "Aktionsradius", bei grobmotorischer Geschicklichkeit und feinmotorischer Geschwindigkeit

Überhaupt kein Interesse hätten sie am Malen und Basteln, sie bräuchten immer etwas Besonderes, womit sie aufdrehen und auffallen können.

Welche wesentlichen Symptome fallen nun beim hyperaktiven Schulkind auf, die auch im KENT zu finden sind?

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Anschrift der Verfasserin:
Dr. Renate Schweyen-Ott
Heilpraktikerin
Klassische Homöopathie
Georgenstr. 118
80798 München
Tel./Fax: 089 / 271 1571



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