FACHFORUM

Die "Herbalisten" Altägyptens und die Arbeitermedizin

von Kamal Sabri Kolta

In der Vorgeschichte der Menschheit musste der Mensch das Verhalten kranker oder verwundeter Tiere beobachtet haben, wie sie spezielle Pflanzen fraßen, sich mit ausgesuchten Blättern die Wunden bedeckten oder nach dem Verzehr dieser Blätter die Wunden leckten. So erwarb sich der vorgeschichtliche Mensch im Laufe der Zeit das Wissen der um ihn lebenden Tiere. Bei manchen Krankheiten oder Verwundungen aß der Mensch dieselben Pflanzen, die bereits den Tieren geholfen hatten. Ein Fortschritt in der Heilkunde, vom primitiven Wissen des Frühmenschen bis zu den Erkenntnissen der Hochkulturen Altägyptens und Mesopotamiens, vollzog sich stetig und wird uns durch die Hieroglyphen- und Keilschrifttexte dokumentiert.

Ägypten war in der gesamten antiken Welt wegen seiner Heilkräuter und Gifte berühmt; das Alte Testament (AT, Jerem. 46,11) oder Homer in seiner "Odyssee" (Od. 4, Verse 231-233) sprechen von den Heilkräutern Ägyptens.
In den medizinischen Texten Altägyptens wird der Heilkundige, die verschiedentlich ärztlich tätige Person, als "swnw" (sprich: sunu) bezeichnet. Es ist für uns erstaunlich, dass, obwohl Herodot bereits im 5. Jhdt. v. Chr. von "Fachärzten" in Ägypten berichtet, wir nichts von einem speziellen Fachkundigen für Heilkräuter und deren Zubereitung erfahren. Dies ist besonders verwunderlich, da uns viele Papyri mit medizinischen Rezepten vertraut machen und Heildrogen erwähnen, deren Zubereitung ebenfalls angegeben ist.

Nach G. E. Darms Auffassung musste der Heilkundige von damals gleichzeitig als "Apotheker-Arzt" fungieren und seine Arzneien selbst herstellen (Einführung in die Pharmaziegeschichte, Stuttgart 1975, S. 17). Aufschlussreich ist hierzu der Text des med. Pap. Ebers (um 1550 v. Chr.), der dem "swnw" auch die Herstellung von Arzneien zuschreibt. So heißt es dort: "Heilkunde für einen, der am Magen leidet ... Dann sollst Du ein geheimes Kräutermittel machen, das der "swnw" herstellt." Aus ägyptisch-medizinischen Papyri geht weiterhin hervor, dass der "swnw" verschiedene Disziplinen ausüben konnte, z. B. als Arzt für das Leibesinnere, Heiler der Gemütsbewegungen, Wundarzt und Chirurg, aber auch als Heilkundiger, der die Wirkung von Pflanzen und Mineralien kannte. Da stets zahlreiche Heilpflanzen in Ägypten angebaut und auch importiert wurden, war die Kenntnis von den Heilkräutern besonders wichtig. Kräuter und Drogen stellten somit die vorrangigen Heilmittel in der medizinischen Praxis Altägyptens dar. Auf einen Teilaspekt dieser ärztlichen Praxis, präzise auf die Versorgung der Arbeiter, ihre Krankheiten und Unfälle, werden wir im Folgenden eingehen.

Zahlreiche Skelett- und Mumienfunde in Ägypten lassen Druckspuren nach schwerer körperlicher Arbeit oder streitiger bzw. kriegerischer Auseinandersetzungen erkennen. Man kann z. B. Kompressionsfrakturen an Verletzungen der Wirbel ablesen, die vermutlich durch ständiges Wasserholen oder Tragen von schweren Lasten auf dem Kopf und auf den Schultern verursacht wurden (Abb. 1 siehe Naturheilpraxis 03/2002). Der chirurgische Papyrus Smith (um 1550 v. Chr.), das sog. "Wundenbuch", dient hierfür als Nachweis solcher "Arbeitsunfälle" als wichtiges Dokument. Andererseits ist es schwierig, sich aus den archäologischen Funden, Textstellen und Darstellungen ein genaues Bild der Lebens- und Arbeitsbedingungen der antiken Bevölkerung zu machen. Die eindeutigen Beweisstücke bleiben die uns erhaltenen Mumien Altägyptens. An einer großen Anzahl dieser bis heute untersuchten Mumien wurde festgestellt, dass sich die gesundheitlichen Bedingungen der antiken Landbevölkerung nicht grundlegend von den gegenwärtigen Gegebenheiten unterschieden. Heutige Krankheiten wie Tuberkulose oder Bilharziose konnten eindeutig auch an den Mumien Altägyptens nachgewiesen werden.

Gesellschaftsstruktur in Altägypten

Von der sozialen Fürsorge des Staates

Deir el-Medina

Handwerkerhäuser

Die ärztliche Versorgung der Arbeiter

Unfälle und Erkrankungen einiger Berufsgruppen

Kohlenstaublunge (Anthracosis)

Die Staublunge

Trachom

Unfälle von Arbeitern

Ektoparasiten

Endoparasiten

Weitere Unfälle

Verletzungen im Krieg

Die Berufsstattung der Wasserträger und Gärtner

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Anschrift des Verfassers:
Dr. Kamal Sabri Kolta
Akademischer Oberrat, Institut für Geschichte der Medizin der Universität München
Lessingstr. 2
80336 München



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