FACHFORUM

Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden neu bewertet

von R. Hauss

Das Reizdarmsyndrom, eine Kombination funktioneller, teilweise schwer objektivierbarer Beschwerden, ist ein häufiger Grund für Arztbesuche und Arbeitsausfälle. In epidemiologischen Untersuchungen werden, je nach zugrunde gelegter Definition, Prävalenzraten von 5 – 25% der Bevölkerung gefunden. Das Reizdarmsyndrom (Irritable bowel syndrome) gibt ätiologisch noch viele Rätsel auf. Fest steht jedoch, dass sich das Beschwerdebild nicht auf den Dickdarm beschränkt, so dass die Bezeichnung "Colon irritabile" möglichst nicht mehr verwendet werden sollte. Häufig kommen Reizdarmsyndrome und auch funktionelle Syndrome des Magen-Darm-Traktes gleichzeitig bei einem Patienten vor. Differentialdiagnostisch müssen Pankreasinsuffizienzen, Nahrungsmittelallergien oder eine latente Glutenunverträglichkeit abgeklärt werden.

Bei zahlreichen Patienten, die sich mit krampfartigen Bauchschmerzen, Obstipation und/oder Diarrhoe, Blähungen und Flatulenz in der Praxis vorstellen, lässt sich keine organische Erkrankung feststellen. Verschiedene Befunde sprechen für eine ätiologische Beteiligung einer unphysiologischen Darmflora. Oft treten die Symptome erstmals nach einer akuten gastrointestinalen Erkrankung auf. Die Konzentration kurzkettiger Fettsäuren, die im bakteriellen Stoffwechsel entstehen und die wichtigste Energiequelle der Kolonozyten darstellen, ist im Stuhl von Reizdarmpatienten häufig verändert, was auf eine abnorme Zusammensetzung der Darmflora hinweist. Auch im Anschluss an Operationen im Bauchraum kann es zu einem Reizdarmsyndrom kommen. Oft wird der Darm vor der Operation mit Breitbandantibiotika dekontaminiert und dadurch die Darmflora nachhaltig geschädigt. Die Symptome im Gastrointestinaltrakt, die Monate und Jahre andauern können, werden jedoch meist nicht mehr mit der Antibiotikaeinnahme in Verbindung gebracht.

Auch bei der Ätiologie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) haben Bakterien eine besondere Bedeutung. Dafür spricht die klinische Beobachtung, dass sich die entzündlichen Veränderungen bei diesen Erkrankungen vor allem im Dickdarm und im terminalen Ileum abspielen, das heißt an Orten mit besonders hoher Bakterienkonzentration, und dass infektiöse Darmerkrankungen ähnliche klinische Bilder hervorrufen können. Darüber hinaus wurde bei Morbus Crohn gezeigt, dass eine gesteigerte Darmpermeabilität einem entzündlichen Schub vorausgeht und dass Patienten, bei denen der Darminhalt operativ ausgeleitet wurde, vor einem Rezidiv geschützt waren. Wurde der Darminhalt dagegen in die ausgeschalteten Darmabschnitte eingebracht, entwickelten sich entzündliche Veränderungen innerhalb weniger Stunden. Auch eine Beeinflussung und Reduktion der Darmflora mit Antibiotika und Darmlavagen kann zu einer klinischen Besserung führen.

A: Latente Zöliakie

B: Potentielle Zöliakie

C: Stille Zöliakie

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Anschrift des Verfassers:
Dr. rer. nat. R. Hauss
Labor Dres. Hauss
Kieler Str. 71
24340 Eckernförde
Tel. 04351 – 71 26 81
Fax. 04351 – 71 26 83



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