FACHFORUM

Heilpflanzenfamilien (6): Doldenblütler – Apiaceae/Umbelliferae

von Piet van den Toorn

Die Doldenblüte erinnert an einen geöffneten Regenschirm (lat. umbella = Schirm). Die Blütenfarbe ist überwiegend weiß. Die familiäre Verwandtschaft ist gut zu erkennen. Für viele Insekten bildet die Blüte eine willkommene Nektarwiese: es ist ein schönes Schauspiel an einem warmen Sommertag diesem regen Treiben auf einer Engelwurz- oder Bärenklaublüte zuzuschauen. Sehr groß sind die Blütenschirme des Riesen-Bärenklaus (Bild siehe Naturheilpraxis 01/2002). Weil das Gesamtbild dieser Pflanzen so prägnant ist, bleiben die oft winzigen Einzelblüten unbeachtet. Sie bestehen aus fünf Blütenblättern, wobei die Blütenblätter am Doldenrand vergrößert sein können. Aus der Einzelblüte entwickelt sich eine Spaltfrucht mit zwei aneinander liegenden Samen. Die Blätter sind meistens einfach oder mehrfach gefiedert, und nicht selten mittels einer Verdickung (Blattscheide) mit dem Hauptstengel verbunden. Die Wurzel ist kräftig in dem Erdreich verankert.

Aus Sicht der Botaniker mag Sellerie (Apium) der typische Vertreter dieser Pflanzenfamilie sein. Daher der neue Familienname "Apiaceae". Für den Naturheilkundigen ist eher eine Pflanze wie die Engelwurz typisch. Bei ihr fällt das nach oben Strebende, aber zugleich das in der Erde Verwurzelte auf. Eine solche Pflanze ist in besonderer Weise "eingespannt" zwischen Himmel und Erde; sie verbindet zwei Pole. Das empfanden auch die früheren Astro-Botaniker. Sie ordneten diese Pflanzen dem Planeten Merkur zu. Merkur ist der Bote zwischen Himmel und Erde (mit Flügeln an den Füßen). Im Körper ist die Merkurwirkung vertreten durch das Nervensystem (Botenfunktion) sowie durch das Lungensystem und den Darm (Stoffaustausch; Merkur als Gott des Handels). Es ist bemerkenswert, dass die wichtigsten Heilpflanzen dieser Familie vor allem als Carminativa auf den Darm wirken (Kümmel, Fenchel, Anis, Koriander), und zudem oft eine Lungenwirkung haben. Auch die Wasserausscheidung über die Nieren kann angeregt werden: Sellerie, Petersilie, Liebstöckel. Überall wird "ins Stocken Geratenes" (Saturn) durch das Merkurprinzip in Gang gebracht.

Ätherische Öle zählen zu den Hauptwirkstoffen dieser Pflanzenfamilie. Sie befinden sich vor allem in den Samen, aber auch in Sekretgängen der Wurzeln, Blätter und Stengel. Zum Teil gehören die Wirkstoffe zu den Terpenen, wie z.B. das Carvon des Kümmels. Zum Teil sind es potentiell giftige Phenylpropane, wie z.B. das Anethol aus Anis, Fenchel oder Dill. Giftig ist auch das Apiol aus Sellerie und Petersilie.
Einige südländische Pflanzen dieser Familie bilden überwiegend Harze und Gummen, die z.T. übel riechen. Dazu gehört der Stinkasant = Asa foetida, und die Ammoniakpflanze = Dorema.

Eine zweite wichtige Wirkstoffgruppe sind die Furanocumarine. Viele Pflanzen enthalten einfache Cumarine wie das Umbelliferon (Formel siehe Naturheilpraxis 01/2002). Bei den Fur(an)ocumarinen kommt ein Furankörper hinzu. Sie sind giftiger als einfache Cumarine. Unter Lichteinfluss gehen sie Verbindungen ein mit den Eiweißbausteinen des Zellkernes, und blockieren so wichtige Vorgänge in der Zelle wie Wachstum und Vermehrung. In der Psoriasisbehandlung wird diese Wirkung genützt in der P-UVA-Therapie. Das "P" steht für Psoralen, ein Furanocumarin aus den Samen der großen Knorpelmöhre. Auch andere Doldenblütler, wie z.B. der Bärenklau besitzen diese phototoxischen Stoffe. Wer im Sommer barfuß durch eine frisch gemähte Bärenklauwiese läuft, oder die Blüten des Riesenbärenklaues pflückt, kann Hautrötungen und schmerzhafte "Brandblasen" bekommen.

Die meisten Pflanzen dieser Familie zählen zu den Nutz- und Heilpflanzen. Aber einige sind starke Giftpflanzen. Sie enthalten Polyacetylene wie das Cicutoxin des Wasserschierlings (Cicuta virosa) und der Safran-Rebendolde (Oenanthe crocata). Oder sehr giftige Alkaloide wie das Coniin des gefleckten Schierlings (Conium maculatum). Entsprechend verdünnt sind diese Pflanzen in der Homöopathie jedoch wichtige Heilmittel!

Dieser Widerspruch zwischen gesunden und giftigen Pflanzen in dieser Familie, welche sich zum verwechseln ähnlich sehen können, beschäftigte auch die Wissenschaftler des Mittelalters. In der Zeit war man sehr darauf angewiesen, aus dem äußeren Erscheinungsbild der Pflanze die Wirkung zu verstehen. Man kam zu folgender Erklärung: die Doldenblütler, welche trockene und sonnige Standorte bevorzugen – z.B. der Fenchel –, enthalten eher "reife Säfte". Solche, die lieber an schattigen und feuchten Stellen gedeihen, – z.B. der Wasserfenchel (Oenanthe aquata) –, eher "unreife", d.h. giftige Säfte.
Wegen der besseren Übersichtlichkeit habe ich in der Folge die Einzelpflanzen dieser Familie eingeteilt in Gemüsepflanzen, Küchenkräuter, Heilpflanzen und Giftpflanzen. Unbestritten ist, dass eine Gemüsepflanze eine Heilpflanze sein kann, das Küchenkraut eine Giftpflanze. Es gibt keine klare Grenze.

Doldenblütler als Gemüse:

Küchenkräuter:

Doldenblütler als Heilpflanzen:

...

(Fortsetzung folgt)

Anschrift des Verfassers:
Piet van den Toorn
Heilpraktiker
Karlstr. 17
72764 Reutlingen



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