Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Chelidonium eine zu wenig beachtete Arznei

von Gerd Aronowski

Chelidonium majus ist eine Heilpflanze, die in unseren Breiten zu Hause ist. Sie scheint geradezu die Nähe des Menschen zu suchen, denn wir finden die Heilpflanze gehäuft an Mauern, Haus- und Scheunenecken, Hecken, in Gärten und auf Schutthalden. In unserer heutigen Zeit ist die Kenntnis der heimischen Pflanzen nicht mehr so verbreitet wie es zu früherer Zeit der Fall war.

Buchmann, auf dessen Ausführungen ich mich in diesem Artikel stütze, schreibt Folgendes:

„Es wächst in ganz Europa keine Pflanze, die bei der Verletzung einen goldgelben Milchsaft heraustreibt, außer Chelidonium, und keine Pflanze ist jedem Dorfkinde so bekannt als Chelidonium eben wegen dieser Eigenschaft“. 1

Albrecht Dürer hat dieser Pflanze, mit ihrem fleischigen Kraut und ihren leuchtend gelben Blüten, sogar ein Bild gewidmet.

Chelidonium ist sonnenliebend und die gut beschienenen Exemplare dieser Pflanze reichern beachtliche Mengen des Alkaloids Chelidonin an, welches dem Papaverin (Alkaloid des Schlafmohns) sehr nahe steht. Die Pflanze gehört wie Opium zu den Papaveraceae. Buchmann schreibt:

„Nach längerer Aufbewahrung der Tinktur bildet sich ein feiner Niederschlag, die grünliche Verfärbung verliert sich und der Geruch ähnelt dann sehr der Opiumtinktur.“ 2

In der vorhomöopathischen Zeit wurde die Arznei vor allem als Leber- und Gallenmittel verwendet, wo sie sich in zahlreichen Heilungsfällen bewährt hat. Die Anhänger der Signaturenlehre entlehnten den Einsatz bei Leber- und Gallenleiden wohl in erster Linie dem Umstand, dass der Milchsaft der Pflanze leber- und galleähnliche Farbe hat. Hahnemann war Zeit seines Lebens der Auffassung, dass das Ableiten der Heilkräfte von Aussehen und Beschaffenheit der Heilpflanze nur sehr unvollkommen die Eigenschaften der Arznei vermuten lässt. Für ihn galt letztendlich nur die Verifizierung der Wirkung durch Anwendung am Gesunden. Er schreibt:

„Die Wichtigkeit der menschlichen Gesundheit verstattet keine so ungewisse Bestimmung der Arzneien. Nur der leichtsinnige Frevler kann sich mit solcher Vermuthlichkeit am Krankenbette begnügen. Es kann also nur das, was die Arzneien von ihrer eigenthümlichen Wirkungsfähigkeit unzweideutig bei ihrer Einwirkung auf gesunde Körper selbst offenbaren, das ist, nur ihre reinen Symptome können uns laut und deutlich lehren, wo sie mit Gewißheit heilbringend seyn müssen, wenn sie in sehr ähnlichen Krankheitszuständen eingegeben werden, als sie selbst eigenthümlich im gesunden Körper erzeugen.“3

Hahnemann stellte die Urtinktur von Chelidonium aus dem Saft frisch gepresster Wurzeln zu gleichen Teilen mit Weingeist gemischt her. Andere Prüfer verwendeten den Presssaft der frischblühenden, sonnenbeschienenen ganzen Pflanze zur Herstellung der Urtinktur.

Hahnemanns Arzneimittelprüfung umfasst 128 Prüfsymptome. Er sagt selbst, dass diese Prüfung noch durch Arzneimittelprüfungen Anderer zu vervollständigen sei, um einen umfassenden Überblick über die Heilwirkung dieser Arznei zu bekommen. Eine sehr ausführliche spätere Sammlung von Symptomen finden wir z.B. bei Hering, wo etwa 1000 Symptome aufgeführt sind. Die Prüfung Buchwalds ist wohl mit 1456 Symptomen die umfassendste.

In meinem Beitrag möchte ich die Anwendungsgebiete und Hauptcharakteristika dieser Arznei skizzieren, um sie uns allen ein wenig mehr ins Bewusstsein zu rufen.

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1 Buchmann, O., „Chelidonium majus“ in: Allgemeine Homöopathische Zeitung, Band 70, No 9, 1865, S.6
2 Buchmann, O., s.o., S. 67
3 Hahnemann, S., Reine Arzneimittellehre, Band 4, Heidelberg 1995, S. 261

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Literatur:
– Allen, H.C., Leitsymptome der homöopathischen Materia medica, Göttingen 1995
– Allgemeine Homöopathische Zeitung, Bd. 70, Hrsg.: Meyer, Dr.V., Leipzig 1865
– Jansen, A., Bönninghausens „Abgekürzte Uebersicht der Eigenthümlichkeiten und Hauptwirkungen der homöopathischen Arzneien“, Hamburg 1999
– Boericke, W., Homöopathische Mittel und ihre Wirkungen, Leer/Ostfriesland 1972
– Eichelberger, O., Klassische Homöopathie, Band 1-3, Heidelberg 1989
– Hahnemann, S., Reine Arzneimittellehre, Band 4, Heidelberg 1995
– Hering, C., The guiding symptoms of our materia medica, Vol.4, New Delhi 1995
– Kents Repertorium, Band 1-3, Heidelberg 1991
– Jahr, G.H.G., Ausführliche Arzneimittellehre, Leipzig 1848, Nachdruck hrsg. v. Bernd von der Lieth, Hamburg
– Zur Lippe, A., Grundzüge und charakteristische Symptome der homöopathischen Materia Medica, Göttingen 1992
– Mezger, J., Gesichtete Homöopathische Arzneimittellehre, Band 1, Heidelberg 1995
– Morrison, R., Handbuch der homöopathischen Leitsymptome und Bestätigungssymptome, Groß Wittensee 1997
– Phatak, M.B.B.S., Materia Medica of homeopathic Medicines, Bombay 1982

Anschrift des Verfassers:
Gerd Aronowski
Gottfried –v.- Herder-Weg 13
78464 Konstanz



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