Wie die anderen heilen

Heutige Volksmedizin in Ägypten

von Kamal Sabri Kolta

Abb. 1: Guayava
(Psidium guayava)

Seit dem 20. Jahrhunderts bedient sich die Medizin verschiedener technischer Hilfsmittel – sei es auf dem Gebiet der Diagnose oder der chirurgischen Eingriffe. Diagnostik und Therapie sind die großen Themenkreise, innerhalb derer die fortschreitenden medizinischen Möglichkeiten immer mehr evolvieren. In der Behandlung infektiöser Krankheiten wurden die Antibiotika eingeführt. Auch die medizinische Computertomographie oder die Kernspin (Resonanz)-Tomographie sind Hilfsmittel, ohne die keine medizinische Diagnose oder Therapie heute denkbar wäre, und schließlich sei noch die Gentechnologie genannt.

Trotzdem gibt es immer noch in vielen Familien aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten des heutigen Ägypten tradierte Rezepte aus der Volksmedizin, der sog. „Oma-Medizin“, die man bei bestimmten Erkrankungen anzuwenden pflegt. Nach der alten Meinung: „Erfahrung ist der beste Arzt!“ und bevor man den Weg zum Arzt oder ins Krankenhaus beschreiten muss, vertraut man lieber auch heute noch auf die alten Ratschläge und häuslichen Rezepte.

Folgende Beispiele mögen dies demonstrieren:

Bei Husten kocht man die Blätter der essbaren Frucht „Guawafah“ (Abb. 1) (Psidium guayava) weich, süßt den Sud und gibt ihn dem Kranken zu trinken.

Auch die Samen des Heilkrauts Schwarzkümmel (Nigella sativa), „Habet el-Barakah“, können bei Husten verwendet werden. Man verkocht sie zu Tee, süßt den Sud und trinkt nach Bedarf.

Hat der Kranke einen starken Bronchialkatarrh, kocht man eine große Knolle Knoblauch mit Schale (Allium sativum) „Toum“. Der Dampf wird eingeatmet und dieses Procedere mehrmals täglich wiederholt. Neben Knoblauch ist eine weitere Heilpflanze zu empfehlen, der judäische Absinth (Artemisia judaica) „Schih“. Während man Stil und Blätter dieser Pflanze kocht, atmet man den Dampf ein.

Weiterhin könnte man dem Kranken mit Bronchialkatarrh Tee aus den Körnern und Blättern des Gartenkürbis (Cucurbita pepo) „Kousah“ reichen, den er dreimal täglich trinken sollte.

Als Vorbeugung vor Erkältung oder Grippe wird ein Tee aus den Körnern des Bockshornklees (Trigonella foenum-graecum) „Helbah“, empfohlen, der täglich morgens zu trinken ist. Ferner hilft Bockshornklee den Frauen, die Kinder stillen, da er die Bildung der Muttermilch fördert.

Bei Kranken, die an Asthma bronchiale leiden, versucht man zunächst, die Körner der Heilpflanze „Knorpelmöhre“) (Ammi visnagna), „Khellah“, zu kochen und dem Kranken diesen Sud täglich zu trinken zu geben. Außerdem wird „Khellah-Tee“ morgens bei Nierenkoliken getrunken. Einer der Inhaltsstoffe des Tees, das „Khellin“, wirkt krampflösend.

Darüber hinaus verwendet man „Liban-dakar“ (Boswellia carteri), uns bekannt als Weihrauch. Er wird in kaltem Wasser in einem bedeckten Gefäß über Nacht angesetzt. Am Morgen seiht man den Inhalt ab und trinkt von der klaren Flüssigkeit nüchtern eine Tasse.
Ebenfalls beruhigend wirkt der Schwarzkümmel „Habet el Barakah“ als Tee gegen Asthma bronchiale und Husten.

Ein alter wohlbekannter Ratschlag bei einer Erkältung empfiehlt: Man legt auf die Brust des Kranken Zeitungspapier und achtet darauf, dass sich der Kranke warm hält, bis es ihm besser geht. In der Zeit der Erkältung soll der Kranke morgens nüchtern einen Tropfen des medizinischen „Teers“ lutschen.
Wenn der Patient erhöhte Temperatur hat, reibt man den ganzen Körper mit in Spiritus getränkter Watte ab, denn durch die Verdunstung des Spiritus kühlt der Körper ab.

Anmerkungen:
1)Gabra, Saber: Heilmittel bei den alten Ägyptern (arab. Text). Kairo 1950, S. 142.

Anschrift des Verfassers:
Dr. K. S. Kolta
Akademischer Oberrat
Institut für Geschichte der Medizin der Universität München
Lessingstraße 2,
80336 München



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