von Hermann Biechele
Traditionell eröffnete Josef Karl mit seinem Vortrag die 17. Münchner Fachtagung in Augendiagnose, zu der die Vorsitzende des Arbeitskreises, Ursula v. Heimendahl, über 100 Teilnehmer in München begrüßen konnte.
Wenn man ein Motto über diesen Vortrag stellen wollte, dann wäre es vielleicht das Motiv der beiden Königskinder, die nicht zueinander kommen sollten. Ein Motiv, das bereits am Anfang der Geschichte der Augendiagnose steht und mit den Namen Ignaz v. Peczely und Nils Liljequist verknüpft ist. Beide „entdeckten“ unabhängig voneinander und zur gleichen Zeit die Augendiagnose, der eine in Ungarn, der andere in Schweden und konnten diese Koinzidenz der Ereignisse niemals akzeptieren, bezichtigten zeitlebens wechselseitig den jeweils anderen des Plagiats.
Mit der weiteren Entwicklung der Augendiagnose wären dann die überaus zahlreichen Nachfolger zu würdigen ein Themenstoff, der in 60 Minuten einfach nicht zu bewältigen gewesen wäre. So beschränkte sich Josef Karl in seinem Vortrag auf das Lebenswerk der beiden wichtigsten Protagonisten der Augendiagnose nach dem 2. Weltkrieg: Josef Angerer und Josef Deck. Und mit diesen beiden wiederholte sich das Motiv der beiden Königskinder. Beide standen noch unter dem Eindruck der Kriegserfahrung, als sie sich gleichzeitig an ihr gewaltiges Werk machten und konnten wiederum nie zueinander kommen, haben niemals die Chance der fruchtbaren Ergänzung ihrer so unterschiedlichen Ansätze genutzt. Auch hier blieb die Rivalität lebenslang bestehen bedauerlicherweise unter manchen Anhängern bis heute, trotz der inzwischen langjährigen guten Zusammenarbeit zwischen den Schülern und Nachfolgern der beiden Meister.
Josef Karl betonte die Schwierigkeit, diesen Beiden in der Beurteilung und Würdigung gerecht zu werden, weil zwar jeder seine eigenen Schwerpunkte gesetzt hat, manches beim einen wie beim anderen unberücksichtigt geblieben ist, einiges aber auch von beiden in ihrer je eigenen Art ausgearbeitet wurde. Will man also die Eckpfeiler setzen, so muß man sagen: Josef Deck war der große Systematiker, der mit wissenschaftlicher Gründlichkeit vorging, während Josef Angerer der große Visionär war, der immer die Gesamtschau suchte. Das drückt sich auch darin aus, wie die beiden ihre (wiederum beinahe zeitgleich erschienenen) ersten Bücher nannten: Josef Deck, Klinische Prüfung der Organ- und Krankheitszeichen in der Iris. Josef Angerer, Handbuch der Augendiagnostik. Augendiagnostik als Lehre der optisch gesteuerten Reflexsetzungen.
Beide haben ihre eigenen, äußerst umfangreichen Topografien herausgegeben. Die ursprünglich bestehenden Differenzen wurden im Laufe der Zeit zum Teil beseitigt, zum Teil geglättet und angeglichen und man kann wohl mit Recht sagen, daß hier in den wesentlichen Punkten inzwischen allergrößte Übereinstimmung herrscht. Wie viel Arbeits- und Forschungsaufwand, wie viel Ringen um die Sache und auch wie viel an gegenseitigem Respekt und Vertrauen dazu nötig war, können wir heute nur ahnen.
Josef Karl versuchte nun, das Lebenswerk dieser beiden Großen zu umreißen und man konnte es als Referenz an Josef Deck verstehen, wenn er mit diesem begann.
Josef DECKs Verdienst war die systematische Darstellung der Lehre von Konstitution, Disposition und Diathese. Drei Grundkonstitutionen bilden Basis und Ausgangspunkt der iridologischen Deutung und signalisieren dem Kundigen die grundsätzlichen Tendenzen auf dem Weg in die Pathologie. Modifiziert werden die Konstitutionen durch die Dispositionen und Diathesen. (s. Kasten).
Konstitutionen: Die lymphatische Konstitution blaues Auge Die hämatogene Konstitution braunes Auge Die Mischkonstitution Dispositionen Neurogener Typ straffes Stroma Vegetativ spastischer Typ zirkuläre und radiäre Furchen Mesenchymal schwacher Typ aufgelockertes Stroma Glandulär schwacher Typ multiple Lakunen an der Iriskrause Tuberkuliner Typ Koch’sche Zeichen Diathesen Exsudative Diathese (fr.: hydrogenoide D.) Tophi Übersäuerungsdiathese (fr.: harnsaure D.) Plaques, Trübungen Dyskratische Diathese multiple Fremdpigmente Lipämische Diathese Arcus lipoides corneae Allergische Diathese Allergiegefäße
In seinem „Schnelldurchlauf“ durch dieses Thema ließ uns Josef Karl an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben und brachte so manchen bewährten Therapiehinweis.
Er wies auch darauf hin, daß verschiedenen Dispositionen und Diathesen nebeneinander bestehen können.
Gar nicht selten findet man etwa den Übergang von der exsudativen Diathese in die Übersäuerungsdiathese mit ihrer rheumatischen Komponente oder wie Josef Angerer das ausdrückte:
„Die dauernden Erkältungen, Sinusitiden, Tonsillitiden der exsudativen Diathese bereiten den Boden für den Rheumatiker“. (s. Bild 1,2)
Bilder:
Josef Karl
Anschrift des Verfassers:
Hermann Biechele
Kaiserstraße 51
80801 München
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