FACHFORUM

Körperliches Training mit einfachen Hilfsmitteln*

von Josef Karl

*Kollegen Volker Müller, Bayerischzell herzlich und dankbar zum 60. Geburtstag gewidmet.

Es muss für jeden Naturheilkundigen und ganz besonders, wenn er sich mit der menschlichen Gestalt befasst (Chiropraktik, Atemtherapie, Yoga, Gymnastik, Osteopathie, Massage z.B.) – eine außerordentlich deprimierende Erfahrung sein, zu sehen, wie der körperlich Verfall oft schon in jüngeren Jahren in Erscheinung tritt.

Vollends schwierig wird es, wenn man sich nur eine Viertelstunde lang auf einen Bahnhof stellt und sich die Passanten betrachtet: insbesondere die Treppen sind ein Ort, wo die Beschädigungen und der Zerfall der Bewegungsorgane offensichtlich wird: da kann es durchaus sein, dass am linken Geländer sich eine ältere Frau mit deutlicher Kniearthrose herab müht und sich auf der rechten Seite ein älterer Mann mit einer steifen Hüfte vorsichtig und langsam den Weg am Geländer hinauf sucht.
Aber auch, wenn man jüngere Menschen von hinten einer genaueren Kontrolle beim Gehen unterzieht – und bekanntlich kann man das Sehen durch Üben lernen – ist man überrascht, wie wenige eine „gute Figur“ machen („fare una bella figura“ – wie die Italiener dies um übertragenen Sinn sagen). Das Becken ist ganz offensichtlich nicht waagrecht, eine Hüftdysplasie scheint angeboren, die Kreuzbeingelenke sind blockiert, was durch die eigenartige Bewegung der Gesäßbacken bei jedem Schritt deutlich wird; bei den engen Hosen sieht man auch, dass die eine Gesäßhälfte oft deutlich weniger plastisch als die andere ist (was auf eine Beinlängendifferenz hinweisen kann), verstärkte Kyphosen und Lordosen, eine Schulter hängend, der Kopf nicht in der Idealachse.

Ich bin nicht der Ansicht, dass der Haltungsfehler eine ausschließliche Angelegenheit der Neuzeit ist: 8 Stunden Bürositzen mit zusätzlich 1-3 Fernsehstunden pro Tag, am Wochenende lange Autofahrten selbstredend bereitet dies den Weg oder verschlimmert eine bereits vorhandene konstitutionelle Schwäche.

Ich bin nicht der Meinung – und berufe mich auf den Augenschein, den ich schon in der Jugend auf dem bäuerlichen Dorf gewonnen habe – dass es mit dem körperlichen Verfall früher (wo in der Verklärung vieles angeblich gut war!) wirklich besser war. Keineswegs, wenn man die vielen „bresthaften“, verkrüppelten, krummen und zusammengearbeiteten Menschen gesehen hat – da wird man vom Mythos der „guten, alten Zeit“ schnell abrücken. Feststehen dürfte vielmehr, dass Deformierungen, die früher durch zu schwere körperliche Arbeit hervorgerufen wurden, heute durch das degenerierende übermäßige Sitzen und durch Fehlverhalten in der Freizeit verursacht werden. Als jemand, der Sport von Jugend an betreibt, muss ich leider auch den Auswüchsen auf diesem Sektor einen großen und traurigen Einfluss zurechnen: die Fußball-Invaliden (Knöchel-, Knie- und Sehnenschäden) sind zahlreich, die statische Wiederherstellung nach den vielen Skiunfällen (Knochenbrüchen, Sehnen-, Bänder- und Rückenschäden) ist meist nicht komplett zu erreichen.

Der Tennisellenbogen ist ein Begriff geworden; ob die Knie und Hüften das harte Aufspringen besonders auf Hallenböden mögen, darf bezweifelt werden. Schulter-Arm-Syndrome, äußerst zahlreich, zwingen manchen Tennisliebhaber zur Aufgabe. Auch wird von Experten (nicht ist die Rede von Lauffaulen, die natürlich nur die negative Seite solcher Tendenzen sehen) immer wieder bezweifelt, ob für Knie- und Hüftgelenke das Jogging wirklich vorteilhaft ist; sogar die Abnützung der LWS soll gefördert werden. In der USA entwickelte sich nicht zuletzt das Walking in den letzten Jahren, weil man die Gelenkschädigung durch das Jogging sieht. Ich kann es nicht beurteilen, ob nicht trotzdem der Nutzen für das Herz-Kreislaufsystem überwiegt; denn der ist unbestritten.

Nun, wir wissen natürlich: die Dosis machts – nur, wer weiß immer genau, wo die liegt! Und nichts zu tun, um keine Schäden zu provozieren, ist eben auch keine Möglichkeit: Winston Churchill; der immer wieder von Bonvivants als positives Beispiel angeführt wird, wie man mit „no sports“ (aber Zigarren und Whiskey) alt werden kann, sollte lieber nicht zitiert werden: er wurde zwar alt, war aber – offenes Geheimnis – die letzten Lebensjahre hochgradig arteriosklerotisch! (Und von Zehnen, die so leben, „erwischt“ es die Hälfte viel früher!)

Also: was tun? Aus der Fülle des Möglichen greife ich vier Übungen mit Hilfsmitteln heraus, die wertvolle Dienste zu leisten scheinen, die körperlich gute Verfassung zu erhalten. Zwingend war für mich: die Hilfsmittel müssen für jeden erschwinglich sein – man braucht keinen Golfplatz kein Fitness-Studio.

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Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Alpenstr. 25
82377 Penzberg



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