Leiden am Tod Gottes

Krankheit Leiden und Gesundheit in Leben und Werk Friedrich Nietzsches

Die Leistungen der Menschen kann man erst richtig beurteilen, beachtet man die Schwierigkeiten, unter welchen sie sich mühen.
C.J. Caesar

von Bernd Hertling

Vorspiel mit Trompeten

Wer kennt sie nicht, die majestätisch aufsteigenden Fanfarenklänge, die sich aus gebrochenen Akkorden zum klaren C-Dur aufschwingen, und im Aufgang der Sonne den Sieg des Lichts über das Dunkel, oder das Strahlen einer unbeschreiblichen Freude feiern? Spätestens seit Stanley Kubricks genialer Verfilmung von "2001 im Weltraum" als sie der beat-generation nahegebracht wurden und so mancher dadurch Zugang zur klassischen Musik des so heftig abgelehnten `establishments' fand, waren sie in aller Ohren. Und dann entpuppt sich diese Musik auch noch als Tondichtung "frei nach Nietzsche", wie Richard Strauß dezidiert dem Werk voransetzte. Man stöhnt, ausgerechnet Nietzsche, dieser Pessimist, dieser menschen- und lebensverachtende Eigenbrötler, ja, dieser Faschist!! Der, mit seinem Übermenschen, seiner blonden Bestie und dem Tod Gottes.

Strauß setzte dieses "frei nach..." unter den Titel, um sich nicht aufs Glatteis philosophischer Interpretation zu begeben, denn gerade das wollte er am allerwenigsten: Seine "Sinfonische Dichtung" als Interpretation der philosophischen Dichtung verstanden wissen. Schließlich hielt sich Nietzsche im Aufbau noch an die klassischen Regeln der Viersätzigkeit! Nichts desto trotz atmet Straußens sinfonische Dichtung in jeder Sequenz jenen Geist, der "Also sprach Zarathustra" durchweht. Dieser Geist jedoch bleibt allzu oft auf der Strecke. Nicht viele kennen die `Vorlage zur Musik', das Buch, dessen beschwingte Rhythmik seinerseits etwas Mitreißendes hat. Deshalb mein gutgemeinter Rat: Nicht allein `Lesen', auf jeden Fall auch `Hören' des Textes!!

...

Anmerkungen:
1) Nietzsche verwendet die griechischen Begriffe, poièsis und páthos.
2) Weischedel, Wilhelm: Der Gott der Philosophen, Darmstadt, S. XXII.
3) Die Fröhliche Wissenschaft: V; S. 163/4.
4) Aus den Duinser Elegien Rainer Maria Rilkes: "Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören."
5) Die Fröhliche Wissenschaft: V; 232.
6) Die Fröhliche Wissenschaft: I S. 68.
7) Die Stelle wird "und er ist Mensch geworden" übersetzt, wobei das Passiv unterschlagen wird, indem es eigentlich heißt: und ist zum Menschen gemacht worden."
8) Sämtliche Briefe, Bd II. Nr. 583.
9) Also sprach Zarathustra: IV. § 324.
10) Safranski, Rüdiger: Nietzsche, Biographie seines Denkens, S 167.
11) Von Cardea = Türschwelle = Hüterin der Schwelle.
12) Extremste Form des Subjektivismus in der Wiener Schule: Carnap: Nur = solum das Ich = se-ipse ist real, alles außer meiner bewussten Wahrnehmung hat keinen Realitätscharakter.
13) Tagebucheintrag vom 10. Dezember 1888.

Bildquelle:
Bilder 1-3) Stiftung Weimarer Klassik (Hg.): Katalog zur Ausstellung "Friedrich Nietzsche, Chronik in Bildern und Texten", dtv. München, 2000.
Bild 4 = Dia: Verfasser.

I) Quellen:
Colli/Mazzino (Hg.): Nietzsches Werke in 15 Bänden, dtv., München, 1980.
F.N.: Sämtliche Briefe in 8 Bänden, dtv., München, 1986.

II) Literatur:
Marcuse, Ludwig: Philosophie d. Unglücks, Zürich, 81.
Nigg, Walter: Friedrich Nietzsche, Zürich, 1994.
Ross, Werner: Der ängstliche Adler; Friedrich Nietzsches Leben, München, 1998.
Russel, Bertrand: Philosophie des Abendlandes, Darmstadt,71997.
Safranski, Rüdiger: Nietzsche, Biographie seines Denkens, München, 2000.
Simmel, Georg: Schopenhauer und Nietzsche: Vorträge zum deutschen Geistesleben seit 1870, gehalten 1902. o.J und O.
Stiftung Weimarer Klassik: Friedrich Nietzsche; Katalog zur Ausstellung "Wann ist der Gotthardtunnel fertig?" München, 2000.
Tanner, Michael: Nietzsche in: Meisterdenker, 1999.
Weischedel, Wilhelm: Der Gott der Philosophen; Grundlegung einer philosophischen Theologie im Zeitalter des Nihilismus, Darmstadt, 41998.

Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Nettelkofenerstr. 1
85567 Grafing

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