RHEUMATISCHER FORMENKREIS

Kollagenosen

von Peter Schneiderat

Die WHO hat 1978 die rheumatischen Erkrankungen definiert als "Erkrankungen des Bindegewebes und schmerzhafte Störungen des Bewegungsapparates, die sämtlich potentiell zur Ausbildung chronischer Symptome führen können". In Deutschland stehen rheumatische Erkrankungen in ihrer Häufigkeit mit 192 Fällen auf 100.000 Einwohner an dritter Stelle, hinter den Erkrankungen des Kreislaufsystems (330) und der Atmungsorgane (317) und vor den Erkrankungen der Verdauungsorgane (134). Die Kollagenosen bilden eine eigene Gruppe innerhalb der rheumatischen Erkrankungen und sind durch ihren vorwiegend extraartikulären Befall gekennzeichnet.

Der Begriff "Kollagenosen", also Kollagenkrankheiten, geht zurück auf Klemperer (1941), der unter diesem Begriff eine Reihe von Krankheiten zusammenfasste, von denen er annahm, dass sie pathogenetisch auf Schäden der Kollagenfasern beruhten und mit einer fibrinoiden Degeneration des Bindegewebes einhergingen. Es handelt sich bei den Kollagenosen um systemische, entzündliche, vorwiegend extraartikuläre Bindegewebserkrankungen unklarer Ätiologie, mit Störungen der zellulären und humoralen Immunität, polysystemischem Organbefall und chronischem Krankheitsverlauf. Die scharfe Abgrenzung definierter Krankheitsbilder ist schwierig, da sich die Kollagenosen durch einen überlappenden Krankheitsverlauf auszeichnen. Tabelle 1 enthält eine Aufstellung der morphologischen, klinischen und präklinischen Gemeinsamkeiten aller Kollagenosen.

Zu den Kollagenosen im engeren Sinn werden gezählt: der systemische Lupus erythematodes, die systemische Sklerodermie, die Poly- und Dermatomyositis, das Sharp-Syndrom und das Sjögren-Syndrom.

Tab. 1
Abb.1: Schmetterlingserythem beim
systemischen Lupus erythematodes

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

Der systemische Lupus erythematodes ist eine chronische oder auch akut auftretende, meist in Schüben verlaufende Autoimmunerkrankung mit Störung der Immunregulation und polysymptomatischer Organmanifestation. Der SLE ist eine häufige Erkrankung aus dem Formenkreis der entzündlichen Bindegewebserkrankungen. Die Prävalenz des SLE wird in der Literatur für Europa zwischen 12 und 39 pro 100.000 Einwohner angegeben, die jährliche Inzidenz mit 7 pro 100.000 Einwohner. Frauen erkranken etwa 10mal häufiger als Männer, das Hauptmanifestationsalter liegt zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr, aber auch Kinder und ältere Menschen können an SLE erkranken.

Die Ätiologie ist noch weitgehend ungeklärt, man vermutet eine Dysfunktion immunologischer Reaktionsmechanismen, die bei entsprechender genetischer Veranlagung durch exogene Faktoren ausgelöst wird. Für die Beteiligung genetischer Faktoren spricht die familiäre Häufung der Erkrankung und das gehäufte Vorliegen bestimmter HLA-Antigene bei Betroffenen. Als exogene Faktoren werden häufig mikrobielle Substanzen und Viren angeschuldigt. Ein SLE kann auch durch verschiedene Medikamente ausgelöst werden. Im Rahmen der immunologischen Dysfunktion beobachtet man eine gestörte Interaktion zwischen B- und T-Zellen. Das Fehlen von geeigneten T-Suppressorzellen führt zu einer gesteigerten humoralen Aktivität mit einer Vielzahl von Autoantikörpern gegen körpereigene Strukturen. Die Ablagerung von Immunkomplexen mit disseminierter Immunkomplexvaskulitis bedingt die vielfältigen Organmanifestationen.

Krankheitsbild und Diagnose

Neben der klinischen Untersuchung und den Laborbefunden ist die sorgfältige Anamnese ein wichtiger Baustein in der Diagnose des SLE. Gibt der Patient eine Arthritis der kleinen Gelenke oder ein typisches Erythem im Gesichtsbereich an, wird die Erkrankung meist schnell erkannt. Meist klagen die Betroffenen aber nur über spärliche Allgemeinsymptome wie Allergien, Arthralgien, Morgensteifigkeit, Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme und Lichtempfindlichkeit. Selten präsentiert sich der SLE im Vorfeld mit flüchtigen Perikarditiden und Pleuritiden oder einer Raynaud-Symptomatik mit vasospastischen akralen Durchblutungsstörungen. Ein Teil der Patienten berichtet von vorhergegangener Einnahme von bestimmten Medikamenten, die den SLE auslösen können. Eine sorgfältige Medikamentenanamnese ist deshalb unverzichtbar. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Verlaufstypen muss der SLE in jede rheumatologische Differentialdiagnostik einbezogen werden.

Bei der klinischen Untersuchung imponieren bei der Inspektion typische schmetterlingsförmige Erytheme über den Wangen (Abbildung 1), die den Nasenrücken aussparen, neben hyperkeratotischen Läsionen im Gesicht, Kragenbereich oder an den Armstreckseiten. In einem Teil der Fälle beobachtet man eine diffuse oder fleckförmige Alopezie sowie Schleimhautulzera. In einem hohen Prozentsatz klagen die Patienten über Gelenkschmerzen und Gelenkentzündungen, die ein der Rheumatoiden Arthritis sehr ähnliches Bild bieten können. Es besteht meist auch eine Morgensteifigkeit der Gelenke. Im Gegensatz zur Rheumatoiden Arthritis finden sich aber radiologisch keine ossären Destruktionen der Gelenke. Die Beteiligung der Muskulatur reicht von Muskelverspannungen bis zur Muskelschwäche. Wie bei der Polymyositis sind am ehesten die proximalen Muskelgruppen betroffen, die Schwäche erreicht aber nicht das Ausmaß wie bei der Polymyositis. Der für die Prognose der Betroffenen mit entscheidendste Befund ist der Nierenbefund, da die Glomerulonephritis eine schwerwiegende Komplikation des SLE darstellt. Bei etwa der Hälfte der Erkrankten findet sich bereits zu Beginn der Erkrankung ein pathologischer Befund, der jedoch aufgrund der oft nur sehr diskreten Laborveränderungen meist nur über eine Nierenbiopsie gesichert werden kann. Vereinzelt finden sich darüber hinaus auch Lymphknotenvergrößerungen, Splenomegalie, Leberaffektionen sowie in einem höheren Maße unterschiedlich ausgeprägte neurologische und psychiatrische Symptome.

An Laborveränderungen finden sich bei SLE im akuten Schub eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ohne gleichzeitige Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CrP), einhergehend mit einer breitbasigen Gamma-Globulinerhöhung in der Elektrophorese. Es besteht häufig eine Anämie sowie eine Leuko-, Lympho- oder Thrombozytopenie. Findet sich im Urin eine Gesamteiweißausscheidung von mehr als 0,5 g/24h oder hyaline, erythrozytäre oder granulierte Zylinder, dann liegt der Verdacht einer Nierenbeteiligung nahe, wenn nicht eine andere Nierenerkrankung vorliegt. Besondere Bedeutung kommt der immunologischen Labordiagnostik zu. Bei nahezu allen an SLE Erkrankten sind im akuten Schub antinukleäre Antikörper (ANA) nachweisbar. Bei 60-90% der Erkrankten finden sich positive Befunde für Antikörper gegen DNA, wobei den Antikörpern gegen doppelsträngige DNA (anti-dsDNA) besondere Bedeutung zukommt, da sie typisch für den SLE sind. Bei etwa einem Drittel der SLE-Patienten sind Antikörper gegen sogenannte Sm-Antigene (Zellkernglykoproteine) nachweisbar. Bei medikamentös induziertem SLE finden sich in einem hohen Prozentsatz Antikörper gegen Histone. Darüber hinaus kann man durch den Nachweis verschiedener weiterer Antikörper eine Subklassifikation des SLE durchführen.

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Literatur:
(1) Gräfenstein, Klinische Rheumatologie, 3. Aufl., ecomed Verlag, Landsberg/Lech, 1997
(2) Gräfenstein, Therapie rheumatischer Erkrankungen, 2. Aufl., ecomed Verlag, Landsberg/Lech, 1999
(3) Hettenkofer (Hrsg.), Rheumatologie, 3. Aufl., Thieme Verlag, Stuttgart, 1998
(4) Classen et al., Differentialdiagnose Innere Medizin, Urban & Schwarzenberg, München, 1998
(5) Classen/Diehl/Kochsieck, Innere Medizin, 4. Aufl., Urban & Schwarzenberg, München, 1998
(6) Herold, Innere Medizin, Ausgabe 1999, Gerd Herold, Köln
(7) M. Zuber et al., Diagnose- und Klassifikationskriterien in der Rheumatologie: Kollagenosen, Dtsch. Med. Wschr. 121 (1996), 913-918
(8) Fauci et al. (editors), Harrison(s principles of internal medicine, 14th ed., Vol. 2, McGraw-Hill, New York, 1998

Internetressourcen: www.rheumanet.org

Bildquellen:
Abb. 1 aus: Diepgen TL, Eysenbach G et al., Dermatology Online Atlas, Published online at: http://www.dermis.net/doia/

Anschrift des Verfassers:
Peter Schneiderat
Waldfriedhofstr. 7
81377 München

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