Osteopathie

Die Psyche und das Gesicht aus osteopathischer Sicht

von Daniel Buch

Das Gesicht ist "Anzeiger" für Trauer, Leid, Müdigkeit, Spannung, Ärger, Erregung, Freude, Nachdenklichkeit und vieles andere mehr. Unsere Aufgabe ist es, diesen "Anzeiger" zu nutzen und Rückschlüsse auf den körperlichen Bereich in unsere Behandlung einzubeziehen.

Die Augen sind wichtig für die Nackenmuskeln. Wenn der Nacken verspannt ist, sind auch die Augenmuskeln verspannt. Wenn wir einen Gegenstand fokussieren, stellen sich die Pupillen "weit". Reicht dieses nicht aus so schiebt sich der Kopf mit Hilfe des translatorischen Gleitens nach dorsal. Dieser Vorgang funktioniert selbstverständlich auch in die gegenteilige Richtung. Unsere Augen und C/0 -C/1 sind als ein "2 Phasen Zoom" zu betrachten. Um die Spannung auf den Mm. recti capitis und Mm. obliquus capitis zu reduzieren, müssen die Augenmuskeln gedehnt werden. Die Verspannung der Augen geschieht immer dann, wenn wir uns zu vielen Reizen aussetzen, die verarbeitet werden müssen. Die Dehnung der Augenmuskeln kann man auch bei Kopfschmerzen und allgemeinen Nackenverspannungen ausführen.

Den Augenringmuskel (M. orbicularis oculi) könnte man als eine Art "Tankanzeige" betrachten. Er zeigt uns z.B. an, ob wir übermüdet sind. Der Muskel zeigt neben psychischer Erschöpfung auch den Verspannungsgrad zwischen den Schulterblättern. Als ich in einem Buch etwas über fazio-skapulo-humerale Dystrophie (Dejerine) gelesen hatte, versuchte ich, den Augen- und Mundringmuskel zu entspannen. Es stellte sich eine Entkrampfung der Mm. rhomboideis major et minor, M. serratus anterior, M. obliquus abdominis externus, der Adduktoren der gegenüberliegenden Seite sowie des M. soleus ein. Bei Übermüdung berichten uns die Patienten immer, dass sie schlecht geschlafen haben und große Spannung zwischen den Schulterblättern bestünde. Menschen, die regelmäßig mit ihren Kraftreserven verschwenderisch umgehen, zeigen häufig, eine Verspannung des Analmuskels, sprich auch eine Verdauungsstörung. Dazu machen wir einen Test. Wir pressen das Augenlid so fest wie möglich zusammen. Nun müsste man eine Spannungszunahme im Bereich des M. orbicularis oris und des analen Schließmuskels spüren.

Wir kennen die Problematik des Aufeinanderbeißens der Zähne. Dieses fängt im Alltag schon mit der Gegensteuerung von psychischem Druck an. Wenn der Patient schläft, wird uns meistens vom Ehepartner berichtet, dass er oder sie fürchterlich mit den Zähnen knirscht. Als Soforthilfe bietet sich für nachts eine Aufbissschiene an und tagsüber das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi. Natürlich ist es mit diesen Ersthilfen nicht getan. Dem Patienten muss klargemacht werden, dass sein Leben in psychischer Hinsicht "druckentlastet" werden muss.

Ein Zusammenbeißen der Zähne fördert zwar die Kraft in der Stabilisation, aber Dynamik und Geschmeidigkeit gehen dadurch verloren.

Im Volksmund gibt es unterschiedliche Aussagen über den Kiefer und die Anspannung der mimischen Muskulatur, z.B. "hart sein", "Zähne zeigen", "sich durchbeißen" etc. Dieses führte dazu, dass meine Beobachtungen der Kieferbereiche eine erhöhte Aufmerksamkeit erlangten. Ich stellte fest, dass der Laufstil von Leistungssportlern unharmonischer wurde, sobald sie anfingen die Zähne aufeinanderzubeißen. Dieses geschieht immer dann, wenn die natürliche Leistungsausbeutung im Muskel sein Maximum erreicht hat. Weiter fiel mir bei einem Mann, Mitte 50, dessen Unterkiefer amputiert worden war, auf, dass er eine eklatante Haltungsschwäche besaß. Auf meine Frage hin, ob diese schon länger bestünde, stellte sich heraus, dass diese sich erst seit der Amputation entwickelt hatte.

Es gibt vier Muskeln, die als Kaumuskeln gelten:

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Anschrift des Verfassers:
Daniel Buch
Heilpraktiker
Gärtnerstr. 14
57076 Siegen
Dozent des ACON-Colleg e.V., Leiter des AK-Siegen der ACON e.V.

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