Pflanzen - Heilkunst

Die Apotheke im Garten

von Susanne Lorenz

Obwohl ein Leben in Zurückgezogenheit allerlei Freuden bietet,
sind sie nichts im Vergleich zu der Zeit,
die man dem Studium der Kräuter widmet
oder dem Bestreben, der Natur praktische Kenntnisse abzugewinnen.
Schafft euch also einen Garten an!
Walafrid Strabo
"Der Hortulus" 900 n. Chr.

Es gibt viele Gründe, weshalb man sich die Kräuter in den Garten holen sollte. Die kulinarisch Interessierten schätzen die frischen, duftenden Zutaten in ihrer Küche, die Gärtner den problemlosen Umgang mit diesen meist anspruchslosen und doch so dankbaren Pflanzen, die Gesundheitsbewussten können beim Vorbeugen und Behandeln mit einfachen Mitteln viel erreichen.

Vermutlich war der Anbau von Kräutern die Urform des Gartenbaus überhaupt und Gartenhistoriker können eine lückenlose Tradition von der Steinzeit bis heute nachweisen. Einen kurzen Einbruch gab es nur in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts, als englischer Zierrasen und edle Rosenstöcke der Mode entsprachen. Doch inzwischen geht der Trend vom ausschließlichen Ziergarten wieder weg, hin zum vielseitigen Nutz- und Freizeitgarten.

Bereits 2000 v.Chr. ist in Ägypten ein Medizinalgarten belegt. Babylonier, Griechen und Römer holten sich Kräuter für die Küche und zum Heilen in ihre Gärten und die ersten Missionare trugen in ihrem Gepäck nicht nur Bibeln über die Alpen, sondern brachten, wie schon die römischen Legionäre, auch ihre Kräuter mit. Liebstöckel, Dill, Fenchel, Koriander, Melisse, Senf wurden daraufhin auch in unseren Breiten heimisch, gefördert durch die Verordnung "Capitulare de villis" Karls des Großen der den Anbau bestimmter Pflanzen in seinen Landgütern obligatorisch machte. Im Mittelalter bewahrten die Klostergärten die Tradition, die ab der Renaissance zum Vorbild sowohl der speziellen Apothekergärten, wie auch der Bauerngärten wurden. Dabei mag sich die Mode wandeln, das Bedürfnis der Menschen, jene Pflanzen, die sie als hilfreich, wohltuend und schmackhaft kennen, nahe bei sich zu haben, ist immer gleich geblieben.

Gerade heute, wo man nicht mehr bedenkenlos in der freien Natur auf den nur noch spärlich vorhandenen Feld-, Wiesen- und Waldstandorten seine Wildkräuter sammeln kann, spricht einiges dafür, sich diese in den Garten zu holen. Dabei sind die Anforderungen an das gärtnerische Können nicht sehr groß und auch den individuellen Bedürfnissen kann genügend Rechnung getragen werden. Von der Kräuterspirale bis hin zum Kräuteranbau im Blumenkasten, oder dem Topfgarten auf der Fensterbank, ist alles möglich.

Mit "Kraut" bezeichnet man im botanischen Sinn kurzlebige, nicht verholzende Gewächse, die ein-, zwei-, oder mehrjährig sein können. Der Rosmarinstock gehört somit strenggenommen nicht zu den "Kräutern", sondern zu den Sträuchern. Er ist aber ein beliebtes Küchengewürz und umgangssprachlich wird alles, was als Gewürz dient, auch als "Kraut" bezeichnet. Das Wort "Gewürz" geht auf "Wurzel" zurück, da wohl in alter Zeit die Wurzeln besonders beliebt und kostbar waren, und dann der Sammelbegriff "Gewürz" auf alle in der Küche verwendeten Kräuter übertragen wurde.

Auch ist offensichtlich, dass zwischen Küchenkraut und Heilpflanze keine deutliche Unterscheidung getroffen wurde, was ja auch nahe liegt, ist doch eine gesunde, abwechslungsreiche und schmackhafte Ernährung der Grundstein der Gesundheit.

Auch in diesem Bereich hat sich zum Glück das Bewusstsein vieler Menschen gewandelt. Waren lange Zeit nur Schnittlauch und Petersilie das einzige bisschen Grün, das man sich im Supermarkt mitnehmen konnte, so ist das Interesse an der Vielfalt der "Gewürzkräuter" inzwischen wieder stark gestiegen. Die kulinarisch Anspruchsvollen legen dabei auch noch Wert darauf, dass die Kräuter frisch, möglichst sogar aus dem biologisch bestellten Garten, sind.

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Literaturhinweise:
M. Pahlow, Heilpflanzen, Gräfe und Unzer Verlag 1993
Helga Fritsche, Der Kräutergarten, Ulmer Verlag 1987
Michalak, Biologisch gärtnern mit Erfolg - Kräuter, DuMont 1993
Graupe/Koller, Delikatessen aus Unkräutern, Verlag Orac 1995

Anschrift der Verfasserin:
Susanne Lorenz
Bad Berneck Str. 10
81549 München

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