Augen

Vom Licht und über das Auge

von Josef Karl

"Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket, mit den Augen zu sehn, was vor den Augen dir liegt."
(Goethe)

Vorbemerkung

Wer mich aus Vorträgen und Veröffentlichungen kennt wird sich wundern, auf welches Gebiet ich mich wage. Immer bemühe ich mich, konkret und nachvollziehbar in der Iridologie zu sein. Aber die Kunst? Das habe ich nicht gelernt, diese zu interpretieren und ich gehe auch nicht auf das Gebiet der Kunsthistorik. Dass einem - Laien - jedoch, der über Jahrzehnte Augen ansieht, manche Gedanken und Bilder kommen, dieses erlaube ich mir weiterzugeben. Ansonsten mache jeder sich selbst ein Bild.

Ein Erstes:

Das Gehirn erschafft das Bild, das Auge nicht. Nicht das Auge sieht, es sieht der Mensch in seiner Individualität. Aber: das Auge ist das Medium, jenes Mittler-Organ, ohne welches Bilder im Kopf und in der Psyche eben nicht entstehen. Am stärksten wird einem diese Tatsache bewusst, wenn wir erleben, wie meilenweit voneinander entfernt die Augen jedes Einzelnen ein und dasselbe Bild deuten, interpretieren, auslegen. Und es sind Redensarten, die wir fortwährend von einander hören: das sehe ich so - oder: das sehe ich ganz und gar anders - immer dabei dasselbe Bild vor Augen.

Wie heißt es doch so schön: sich ein Bild von etwas machen. Und auch dieses, dass man sehen lernen kann und Goethe hat bekanntlich gesagt, man lernt sehen durch sehen. Aber anfügen muss man, dass man sehen auch verlernen kann, die kindliche Unschuld des unbefangenen Schauens kann sich schnell verlieren, dann steht man arm da, das Auge ist verwirrt, die Seele sieht verschwommen, der Blick geht verloren, dem Auge hilft da keine Brille.

Ein Zweites:

Das Auge ist innen und außen, das Auge sieht und wird gesehen. Nichts am menschlichen Gesicht zieht unsere Aufmerksamkeit so sehr auf sich wie eben das Auge. Durch diese Augen erfahren wir die Welt, freilich auch über die Ohren und das Hören. Mit dem Auge leben wir von innen nach außen - und mit dem Auge sehen wir von außen nach innen. Durch das Auge erleben wir die Schöpfung - jeder Einzelne eben nach seinem Vermögen.

Das Auge vermittelt uns die Welt - und da jeder Mensch einmalig im wörtlichen Sinne ist, erlebt jeder mit seinen Augen die Welt auf seine Weise. Wieviel Gefahr darin auch liegt haben wir längst begriffen - denn die Quelle von Streit und Unfrieden, von Zank und Krieg hat hier ihren Ursprung.

Ein Drittes:

Ich weiß nicht, wer es gesagt hat: das interessanteste Buch sei das menschliche Gesicht - darin zu lesen sei wahrlich ein immerfort neues Abenteuer. Nicht nur also, dass das Auge die Umwelt sieht - das Auge ist auch jenes Organ, das uns am anderen Menschen am stärksten beeindruckt. Wenn wir beim Gespräch mit dem anderen die Augen nicht sehen können, können wir uns kaum ein Bild von ihm machen, ein wesentliches Element fehlt uns; auch würden wir leicht der Täuschung unterliegen.

Das Auge ist der vorgeschobenste Teil des Gehirns - wenn man es einmal so ausrücken will - es projiziert Seele und Geist, Liebe und Hass am stärksten von allem in die Umwelt. Und Bilder können vermitteln: Kraft, Hoffnung, Lebenswillen, Freude, Mut, Glück. Aber auch: Nachdenklichkeit, Stillwerden, Insichgehen, Betroffenheit, Trostlosigkeit.

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Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Siegfriedstr. 10
80803 München

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