Vermischtes

Medizinische Ethik im 21. Jahrhundert:

Zur Anthropotechnik der Menschlichkeit

von Christoph Kunkel

Vom 12. bis 14. Mai 2000 tagte im Ostseebad Kühlungsborn das Symposion "Medizinische Ethik im 21. Jahrhundert, zur Anthropotechnik der Menschlichkeit". Die Leitung des Symposions nebst deren inhaltlicher Konzeption hatte Dr. phil. Peter- Alexander Möller aus Norderstedt. Ihm ist es gelungen, durch sorgfältige Vorbereitung eine Fülle von Referenten mit den unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Meinungen zusammenzuführen und zu einem Auditorium zusammenzuschmieden, welches gespannt zuhörte und in Round-Table-Gesprächen Feedback gab. Eine hochkarätige Buchveröffentlichung ist geplant. Es gab keine Schaukämpfe zwischen Platzhirschen, sondern durchweg geduldiges und ernsthaftes Zuhören. In zügiger Reihenfolge wechselten sich die vielgestaltigen Vorträge ab. Das Rahmenprogramm verwöhnte die Teilnehmer mit vegetarischem Buffet und zu einem anderen Zeitpunkt mit Schumann- und Chopin-Klaviermusik. Die Unterbringung war vorzüglich, das Wetter herrlich, der Ort großartig und wie geschaffen für ein Zusammenkommen dieser Art (manche wussten allerdings auch um die grauenhafte Geschichtlichkeit dieses Ostseeortes, als es hier in der Zeit des Nationalsozialismus um "lebenswertes Leben" ging). Der Grund dieses Ethik-Symposions lag in der Erkenntnis, dass "für den naturwissenschaftlich fixierten Therapeuten bewahrende wie innovative Erweiterungen in ausgewogener Seitenverträglichkeit notwendig sind, sofern man den Ansprüchen einer umfassenden, qualifizierten Moderne gerecht werden will." Das Motiv dieses Symposions war gekennzeichnet durch die akribische Suche nach einer vieldimensionalen naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Die Ethik sollte als ein Orientierungssystem moralischer Wertung und sittlich richtigen Handeln wieder in die Mitte gerückt werden. In drei Blöcken wurden verschiedenste Themen angeboten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier Verschiedenes, Bemerkenswertes, Geistreiches und Eloquentes sowie Skurriles genannt.

Da war z.B. die Doktorin der Theologie Donata Döpfel, die über die Eigenverantwortlichkeit und die Selbstbestimmtheit der Patienten im medizinischen Alltag berichtete und uns damit einen religiösen Ausblick in die Klinikseelsorge gab. Wie viel Eigenbestimmung hat der Patient eigentlich wirklich, wenn er in eine lebensgefährliche Situation oder sogar in eine medizinisch ausweglose Situation gelang? Geschieht dann trotz aller gegenteiliger Versicherungen noch sein Wille?

Ganz anders hingegen klangen die Worte des in schwarz gekleideten und damit vielleicht die Resultate seiner eigenen Erkenntnisse sichtbar betrauernde Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann, Politikwissenschaftler und überhaupt ganz Skeptiker. Bis in die anarchische Zerstörung hinein zerbröselte er die hergebrachte Zeitbegrifflichkeit der Vormoderne. Das tat weh, nahm aber dem vorgeblich Endzeitlichen mancher Zustände endlich die Legitimation, sich am Ende aller Zeiten zu wähnen.

Der berufsmäßige Redner Ellis Huber aus Berlin durfte natürlich nicht fehlen. Er verstieg sich zu dem Bild, die heutige Medizin und die Sehnsüchte der Menschen gegenüber diesem Gesundheitssystem mit den mittelalterlichen Kathedralen zu vergleichen. An die Stelle der Gottessehnsucht tritt die Sehnsucht nach Gesundheit und Erlösung durch das menschliche Wirken. Hubers Thesen wurden umso konkreter, je globaler der selbstgewählte Bezugsrahmen in seinem Thema "Heilkunst in der postindustriellen Gesellschaft" ausfiel.

Da wäre zu berichten über den an Albert Einstein erinnernden Münchner Rechtsanwalt Hugo Lanz, der unsere Ansprüche auf Heilung, abgeleitet aus dem Bundessozialgesetz und die sich daran knüpfenden Rechtsstreitigkeiten über Leistungserbringung und -verweigerung, als eine riesengroße Illusionsmaschine darstellte. Seine kafkaesken Geschichten aus dem Leben des sozialgerichtlichen Entscheidungschaos erschütterten so manchen Rechtsgläubigen.

...

Dr. med. Christoph Kunkel
Zentrum f. Traditionelle Chinesische Medizin Fulda

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis 9/2000

Naturheilpraxis 9/2000