von Susanne Krell
Eine leichte und andauernde Berührung - zum Beispiel unserer Haut - ist zwar etwas, das wir bemerken und registrieren, aber dieses Gefühl ist weder sehr intensiv noch haben wir Schwierigkeiten, uns davon abzulenken. Ganz anders aber, falls diese Berührung so stark ist, dass sie etwa die Haut verletzt. Ein solches Ereignis - Schmerz genannt - besitzt eine Reihe interessanter Komponenten:
![]() |
Abb. 1
|
Zum einen erlangt dieses Gefühl unabdingbar Zugang zu unserem Bewusstsein und es ist fast unmöglich sich darüber hinwegzusetzen oder sich abzulenken; zum anderen handelt es sich in der Regel um eine äußerst unangenehme Erfahrung. Eine Person, die Schmerz erleidet wird unwillkürlich versuchen diesen Schmerz zu beenden, ihm zu "entkommen". Daraus resultiert eine motorische Aktion - weg vom auslösenden Stimulus.
Der Schmerz wird also gewissermaßen oberste Entscheidungsinstanz in unserem Gehirn und kontrolliert sowohl unsere bewusste Erfahrung als auch unser Verhalten. Betrachtet man zum Beispiel den Griff der Hand auf eine heiße Herdplatte, macht dieser Mechanismus durchaus Sinn, da er uns vor Verletzungen und Schaden bewahrt.
Der Schmerz, den wir empfinden, lässt sich in zwei verschiedene Anteile gliedern:
Einmal die primitivere - phylogenetisch betrachtet - ältere Komponente des sogenannten "affektiven" Schmerzes, die Schmerz als etwas "Schlimmes" wahrnimmt, dem man sich unbedingt entziehen muss. Und andererseits die "sensorisch/diskriminative" Fähigkeit, welche wir entwicklungsgeschichtlich erst später erworben haben und, die es uns erlaubt einen Schmerz genau zu lokalisieren und dementsprechend zu reagieren.
Diese Zweiteilung lässt sich systematisch auf alle jeweiligen Strukturen unseres Körpers übertragen, die entweder an unserem Bewusstsein von Schmerz oder der Reaktion darauf beteiligt sind.
Angenommen, man schneidet sich mit einem Messer in die Hand - sofort wird folgende Ereigniskette in Gang gesetzt:
Primäre, sensorische Neuronen der Hand werden aktiviert und signalisieren, dass eine Verletzung stattgefunden hat. Ihre zentralen Fasern erreichen das Rückenmark und aktivieren dort ihrerseits Nervenzellen, deren Axone zum Hirnstamm und zum Thalamus aufsteigen. Vom Thalamus aus wird wiederum ein Signal an die motorischen Areale der Großhirnrinde, des Cortex, geschickt. Irgendwann im Zuge dieser Reizübertragung tritt das Ereignis "Schmerz" auf; vor diesem Punkt kommt es noch nicht zur Schmerzempfindung, sondern man spricht lediglich von einem Signal, das meldet, dass eine Verletzung vorliegt. Wann genau auf seinem Weg dieses Signal den Charakter von empfundenem Schmerz annimmt ist heute noch unklar; ebenso wie die Frage, was in dem Zeitraum geschieht, bis unser Gehirn eine "Entscheidung" trifft.
In der Regel stellt diese Entscheidung eine Bewegung weg vom schmerzauslösenden Stimulus dar. Dabei arbeiten Teile des Kleinhirns und die motorischen Areale des Cortex, welche wiederum Signale ans Rückenmark zurücksenden, Hand in Hand. Diese Signale erreichen letztendlich die spinalen Motoneuronen, welche sich bereits durch Reflexmechanismen auf Rückenmarksebene in aktiviertem Zustand befinden.
...
Quellen:
Black, Ira B., Symbole, Synapsen und Systeme; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford, 1993
Kahle, Leonhardt, Platzer, dtv-Atlas der Anatomie (Band 3); Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1979
Karow, T., Lang R., Allg. und Spez. Pharmakologie und Toxikologie, 1999
Wall, P.D., Meltzack, R., Textbook of Pain, 2nd. Edition, Churchill, Livingstone, Edinburgh, London, Melbourne, New York, 1989
Zenz, Jurna (Hrsg.), Lehrbuch der Schmerztherapie, Wiss. Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 1993
Williams, P. L.(Hrsg.), Gray's Anatomy 38th. Edition, Churchill, Livingstone; Edinburg, London, Melbourne, New York, 1995
Ulett GA, Han S., Han JS., Electroacupuncture: mechanisms and clinical application. Biol. Psychiatry (United States), Jul 15 1998, 44(2), p 129-38
NIH Consensus Conference, Acupuncture, JAMA; Nov. 4, Vol. 280, No. 17; p 1518-24
Ernst. E., Akupunktur, Fortschritte der Medizin 116. Jg., Nr.1-2, 1998
Willis WD., Westlund KN., Neuronanatomy of the Pain System and of the Pathways that modulate Pain, J. Clin. Neurophys. 1997; 14 p 2-31
Andersson, S., Lundeberg T., Acupuncture-from empiricism to science: functional background to acupuncture effects in pain and disease; Med. Hypotheses 1995 Sept.45 (3), p 271-81
Wu MT, Hsieh JC, Xiong J, Yang CF, Pan HB, Chen YC, Tsai G, Rosen BR, Kwong KK; Central nervous pathways for acupuncture stimulation; Radiology 1999 Jul. 212 (1) p 133-41
Internet-Quellen:
Gunn, CC, Acupuncture and the Peripheral Nervous System - A Radiculopathy Model
The Physiology of Pain
Worldwide Intensivist: The Anatomy of Pain
Bildquellen:
Alle Abbildungen aus Worldwide Intesivist; The Anatomy of Pain 5
Anschrift der Verfasserin:
Susanne Krell
Burgkmairstr.56
80686 München
weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)
Naturheilpraxis 6/2000