KREBSFORUM

Die Regionale Chemotherapie bei soliden Tumoren

von Michael Martin

Der etablierte therapeutische Ansatz zur Bekämpfung bösartiger Tumoren besteht nach wie vor in dem Bemühen, die Tumormasse zu reduzieren bzw. vollständig zu eliminieren. Diesbezüglich lassen sich grundsätzlich 2 Verfahren unterscheiden:

  • die lokale bzw. lokoregionäre Therapie => Chirurgie und/oder Bestrahlung sowie die Regionale Chemotherapie
  • systemische Therapie => Zytostatische Therapie (aber auch endokrine Therapie sowie aktive und passive Immuntherapie)

    Unzweifelhaft gilt, daß die Reduktion der Tumormasse ein absolut sinnvolles und notwendiges Vorgehen darstellt. Je früher ein Tumor diagnostiziert wird, desto besser läßt er sich in der Regel in toto entfernen und um so günstiger ist die Prognose. Nebenwirkungen einer chirurgischen Tumortherapie sind bezüglich des Schweregrades einer solchen (z.B. Funktionseinschränkung, Verstümmelung) abhängig von der Lokalisation und der Größe bzw. Ausbreitungsgrades sowie von einer eventuellen Metastasierung des Tumors. Die Indikation für eine systemisch, also im gesamten Organismus wirksame Chemotherapie, liegt nach heutiger Lehrmeinung dann vor, wenn sich die Tumormasse nicht vollständig chirurgisch entfernen läßt oder eine Metastasierung vermutet wird bzw. nachgewiesen wurde. Als eine Domäne der Zytostatika-Anwendung können systemische Tumorerkrankungen (Leukämien, Lymphome), auf die hier nicht weiter eingegangen wird, bezeichnet werden. Der Wirkmechanismus zytostatischer Substanzen beruht im wesentlichen auf einer toxischen Hemmung der Zellteilung. Bedeutsam ist die Tatsache, daß Zytotstatika am wirksamsten sind, wenn sich die entarteten Zellen in der Phase einer raschen und ungehemmten Verdopplung befinden. Aus diesem Grunde sind bezüglich der Zytostatika-Nebenwirkungen am gesunden Gewebe insbesondere diejenigen Zellen betroffen, die eine verhältnismäßig rasche Zellteilung aufweisen (z.B. blutbildende Zellen). Und so spielt neben der Tatsache, daß einige Tumorarten nur unbefriedigend auf Zytotostatika reagieren, das teilweise dramatische Nebenwirkungspotenzial der Substanzen eine traurige Hauptrolle, wenn es um die Diskussion geht "Chemotherapie: ja oder nein?"

    Die wesentlichen Hintergründe für dieses zunächst unlösbar erscheinende Problem der systemischen Chemotherapie sind einfach erklärt. Solide Tumoren bzw. deren Metastasen zeichnen sich durch eine verhältnismäßig geringe Durchblutung aus. Dadurch kann nur ein relativ geringer Prozentsatz der verabreichten Substanz seine toxische Wirkung am entarteten Gewebe entfalten. Einerseits reicht also die Konzentration des Zytostatikums oftmals nicht aus, um das Tumorgewebe vollends zu zerstören, andererseits genügt aber die therapeutisch eingesetzte Konzentration sehr wohl, um gesunde Zellen des Patienten erheblich zu schädigen. Zumindest hypothetisch nachvollziehbare Versuche, die Konzentration der Gifte immer weiter nach oben zu schrauben, mit dem Ziel, eine höhere, wirksamere Konzentration in den Tumorzellen zu erreichen, werden derzeit wieder aufgegeben. Das Nutzen-Risikoverhältnis läßt keinen anderen Schluß zu, die Methode konnte darüber hinaus im Endergebnis nicht überzeugen. Unter der sog. Hochdosis-Chemotherapie leidet der Patient unter Nebenwirkungen, die ethisch nicht mehr vertretbar sind. Den Betroffenen werden Konzentrationen verabreicht, die eigentlich mit dem Leben nicht mehr zu vereinbaren sind. Der Tod durch Intoxikation wird in der Regel mittels eines maximalen Einsatzes von High-Tech-Medizin verhindert. Das, was die betroffenen Patienten dabei durchstehen müssen, übersteigt die Schwelle des Unerträglichen.

    Regionale Verabreichung von Chemotherapeutika: die Lösung des Problems?

    Hält man sich die beschriebene Problematik vor Augen, so ist die Vorstellung, Chemotherapeutika in einer für das Tumorgewebe tödlichen Konzentration lokal in das entartete Gewebe zu bringen, faszinierend logisch. Die toxischen Risiken für den Patienten könnten dadurch verhindert werden, in dem das aus dem venösen Abflußgebiet des Tumors abströmende Blut gereinigt wird und erst dann wieder dem Kreislauf zugeführt wird.

    Anfangs der 50er Jahre wurde genau dieses Prinzip in San Francisco und New Orleans versucht. Prof. Krementz führte 1957 in der Tulane Medical School in New Orleans die erste isolierte Perfusion eines mit Melanommetastasen befallenen Beines durch. Der Patient überlebte 14 Jahre. Die Methode der isolierten Extremitätenperfusion bei Melanomen und Sarkomen hat sich seither weltweit etabliert. Der Unterschied zu einer Zytotostatika-Infusion liegt darin, daß bei einer Perfusion das vom Kreislauf des Patienten abgekoppelte Gebiet von einem externen Pumpensystem kontinuierlich durchspült wird.

    Das Konzept der Regionalen "Hochdosis"-Chemotherapie auch auf andere Körperbereichs zu übertragen, scheiterte allerdings zunächst. Erst im Jahre 1981 gelang es Prof. Aigner am Zentrum für Chirurgie der Universität Gießen, die Entwicklung einer Technik zur isolierten Leberperfusion unter Einsatz einer Herz-Lungenmaschine am Menschen. Dieser Durchbruch, der eine neue Ära der RCT einleitete, bestätigte das Team um Prof. Aigner, nach weiteren Einsatzmöglichkeiten für die Regionale Chemotherapie zu suchen. Ein Weg, der heute als äußerst erfolgreich gesehen werden kann. Inzwischen wird die RCT weltweit in mehreren Zentren intensiv betrieben, wobei der inzwischen in Wiesbaden tätigen Gruppe um Aigner wesentliche Beiträge bezüglich Technik, Dosierungs- und Applikationsschemata zu verdanken sind. Die Zytostatika-Konzentrationen, die bei der RCT zum Einsatz kommen, entsprechen durchschnittlich der 6- bis 10-fachen Konzentration dessen, was unter herkömmlicher systemischer Chemotherapie erreicht wird. Mittels unterschiedlicher Techniken werden am Tumor im Extremfall bis zu siebzigfach höhere Zytostatikakonzentrationen erzielt.

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  • Anschrift des Verfassers:
    HP Michael Martin
    Vizepräsident AKODH
    Schöne Aussicht 14
    65232 Taunusstein
    Tel. 06128-944812
    Fax 06128 - 944813

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