Füße

Das aktuelle Interview

Die Redaktion NATURHEILPRAXIS (Dr. Hellmuth Schuckall) sprach mit dem renommierten Münchner Orthopäden Dr. Kai Weichel, der sich seit Jahrzehnten um eine wissenschaftliche wie gleichermaßen ganzheitliche Sicht seines Fachgebiets bemüht.

Naturheilpraxis (im folgenden N): Herr Dr. Weichel, wenn man als Praktiker sein Patientengut ansieht und die Menschen ab einem gewissen Alter betrachtet, bekommt man den Eindruck, daß so gut wie jeder mit irgendwelchen Problemen an den Füßen herumlaboriert, ohne daß dies von den Betroffenen wie auch vom Behandler je thematisiert würde. Oder nur dann, wenn deutlich sichtbare oder erheblich schmerzhafte Veränderungen und Symptome aufgetreten sind. Diese "Wahrnehmungsstörung" bezieht sich nun nicht nur auf den durchschnittlichen Patienten, sondern erweitert sich offensichtlich sogar auf die therapeutische bzw. sogar auf die fachärztliche Seite, wo man gleichermaßen den Eindruck gewinnt, daß vergleichsweise wenig Interesse den Füßen entgegengebracht wird. Vor allen Dingen dann, wenn man betrachtet, mit welchem Nachdruck, mit welcher wissenschaftlichen und praktischen Kunstfertigkeit z.B. der Wirbelsäulen-Erkrankung, den Problemen des Nackens oder der Schultern gegenüber getreten wird. Daraus ergibt sich also die Frage, sind die Füße wirklich so eine Nebensache?

Dr. Kai Weichel (im folgenden Dr. W.): Die Füße sind mit Lebensbeginn die wichtigste kleine "Nebensache". Sie sind wichtiger, als es vielleicht ihre Primärfunktion beim Säugling, der ja noch nicht gehen und stehen kann, ahnen läßt.

Gehen wir mal einfach aus von dem Aspekt der Statik. Die Füße werden erst von dem Moment an wichtig, wenn die Kinder das Laufen lernen. Bis vor kurzem hat man dem kindlichen Fuß in dieser Lebensphase nur dann Beachtung geschenkt, wenn grobe Fehlformen sichtbar wurden. Probleme und Fragestellungen der Dynamik wie Druckverteilung im Fußbereich, im Fußgewölbe, im kindlichen Fuß überhaupt, wurde erst in den letzten 5-7 Jahren einer wissenschaftlichen Beobachtung unterzogen. Beim Erwachsenen werden z.B. Fußdruckmessungen schon etwas länger durchgeführt. Besonders dort, wo ansonsten auch kineosologisch gearbeitet wird, wobei aber leider Gottes, - um noch mal auf die Kinder zu kommen -, die Fußdiagnostik im Wesentlichen immer noch auf die grobe Fehlform, sprich Sichelfuß, Klumpfuß usw. beschränkt bleibt, obwohl es tatsächlich besonders wichtig wäre, wenn man auch den kindlichen Fuß unter dynamischen Aspekten sähe, wie das jetzt mittlerweile beim Erwachsenen der Fall ist. Man denke nur z.B. an den Begriff der "statischen Einlagen". Mittlerweile sind ja verschiedene dynamische Einlagen möglich, die den kindlichen Fuß stimulieren können und in Bezug auf Muskeltonus und Druckverteilung etc. enorme Veränderungen erzielen können. Über diesen Weg der Fußgewölbe-Aktivierung kann z.B. die Haltung im Bereich der gesamten Wirbelsäule verbessert und in der Muskulatur eine bessere Balance hergestellt werden. Umgekeht kann man über die Beeinflussung der Muskulatur des Skelett-Halteapparats von oben Einfluß auf den Fuß nehmen. Einfluß, der potentiell spätere Schädigungen am gesamten Skelett zumindest aufhalten oder vielleicht sogar verhindern kann.

N: Wie soll man sich das vorstellen, wenn man "von oben" Einfluß auf die Füße nehmen kann?

Dr. W.: Nehmen wir als Beispiel die Symptomatik eines chronischen Hals-Wirbelsäulen-Syndroms, wo es zunächst Knirschen mit den Zähnen in der Nacht gibt, wo u.U. über eine Aufbißschiene Korrekturen vorgenommen worden sind, und wo üblicherweise mit Chirotherapie oder auch kineosologisch behandelt wird. Da findet man im Kontext einer systematischen URSACHE-Folgebehandlung eine Druckverteilungs-Änderung in der Fußdruck-Plattenmessung, d.h. man macht eine Messung vor der Behandlung für die Druckverteilungsmuster im Bereich der belasteten Fußsohle. Nach einer adäquaten Therapie im Sinne von, wie gesagt, Chirotherapie, osteopathischer Behandlung oder kineosologischer Anwendung, ändern sich die vorher gewonnenen Druckverteilunsmuster. Mit dieser Veränderung, bei der sich der Druck in der Regel homogener über die gesamte Fußfläche verteilt, wird der Patient gleichzeitig weniger Beschwerden im HWS-Bereich angeben.

N: Schon aus diesem Beispiel wird sehr greifbar, welch großes Gewicht "den Füßen zukommt", nicht nur für die Statik des Körpers, sondern offenbar eben auch für andere Teilsysteme und Funktionskreise, an die man spontan erst mal gar nicht denken würde.

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