FACHFORUM

Mechanismen der Resistenzbildung gegen Antibiotika

von Jens Bielenberg

Als Ende des 19. Jahrhunderts für zahlreiche längst bekannte und genau beschriebene Krankheiten Mikroorganismen als Auslöser isoliert wurden und als 1928 Fleming an einer Staphylokokkenkultur die Wirkung des Penicillins entdeckt hatte, schien der Grundstein für einen in der Medizingeschichte einmaligen Siegeszug gelegt zu sein. Auch jüngere Publikationen über die Beteiligung von Chlamydien an der Pathogenese der Multiplen Sklerose erwecken Hoffnungen, dass irgendwann Antibiotika die Chance einer Heilung dieser "Infektionskrankheit des Nervensystems" bieten 1). In der Mitte der sechziger Jahre beobachtete man jedoch einen signifikanten Anstieg von Resistenzen gegen verschiedene Bakterienstämme, z.B. gegen Staphylokokkus aureus. Angesichts einer zunehmenden Zahl von Mehrfachresistenzen verschiedener Bakterienstämme drängt sich die Vision auf, dass der Wettlauf zwischen Neuinnovationen bei Antibiotika und den Überlebenstricks von Bakterien zunehmend verloren wird. Sind dies bereits die Vorläufer einer postantimikrobiellen Ära?

Zu laxer Umgang mit Antibiotika?

1989 waren bereits 44 Prozent der untersuchten Peptostreptocoocus pneumonia-Isolate in Spanien gegen Penicillin resistent, so dass von US-Medizinern ein Besuch der Olympischen Spiele in Barcelona nicht ohne vorherige Pneumokokken-Impfung empfohlen wurde. Diese Empfehlung bekommt vor dem Hintergrund einer schweren Pneumonie-Epidemie in einem texanischen Gefängnis besondere Relevanz. Derselbe Serotyp tauchte kurze Zeit später in einer Kindertagesstätte in Cleveland auf, DNA-Analysen des Erregers ergaben, dass er mit in Spanien weit verbreiteten Isolaten identisch war. Unter diesem Aspekt bekommt der laxe Umgang mit Antibiotika besondere Relevanz. In vielen Ländern, darunter auch Spanien, sind viele Antibiotika als OTC-Präparate ohne ärztliche Verschreibung erhältlich. Dies führt dazu, dass Antibiotika oft bei banalen Virusinfekten in nicht rationaler Dosis und zu kurzfristig angewendet werden. Resistenzprobleme verursachen in den USA nach Schätzungen zusätzliche Ausgaben von jährlich 100 Millionen Dollar.

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Literatur:

1) Hass, A.; Treib, J. Infektionskrankheiten des Nervensystems. Mögliche Auslöser der Multiplen Sklerose Deutsches Ärzteblatt, 96 (45), 1999:2906
2) Barnett, ED; New Engl. J. Med.: Bd. 326 (1992) 1572ff
3) Berger-Bächi, B.; Strässle, A..; Gustafson FE.; Kayse, F. Mapping and characerization of multiple chromosomal factors involved in Methicillin-resistance in Staphylococcus aureus Antimicrob agents Chemother. 36 (1992):1367-73
4) Lyon, BR.; Skurray, R.; Antimicrobial resistance of Staphylococcus aureus Genetic Basis Microbiol. Review 51, (1987) 88-134
5) Meyer, R.; Antibiotikaresistenzen weltweit auf dem Vormarsch PZ; 138 Jg., 12, /1993) 915-21
6) Wiedemann, B.; Heisig P.; Mechanism of quinolone resistance Infection, 1994
7) Leclercq, R.; Courvalin, P.; Bacterial resistance to macrolide, lincosamaide and streptogramin antibiotics by target cell modification Antimicrob Agents Chemother. 35 (1991) 1267-72
8) Hancock, REW.; Intrinsic antibiotic restistance of Pseudomonas aeruginosa J. Antimicrob. Chemother. 18 (1986) 653-72
9) Arca P.et al; Purification of a glutathion-s-Trans-ferase that mediates fosfomycin resistance on bac-teria Antimicrob. Agents Chemother. 34 (90) 844-8
10) Science, Bd: 257 (1992) 1036ff
11) Vischer, WA.; et al Multizentrische Studie über die Situation der Antibiotika- und Chemotherapeuthica-Resistenz in der Schweiz 1979 Schweiz. med. Wschr. 112 (1982) 404
12) Gold, HS.; Antimicrobial-drug resistance, New Engl. J. med. 335 (1996) 1445-53
13) Presseinformation des Robert-Koch-Instituts, Berlin: Warnung vor Antibiotika-Einsatz in der Tiermast DAZ, 138(9), 1998:702/3

Anschrift des Verfassers:
Jens Bielenberg
Apotheker
Raphael-Apotheke
25364 Westerhorn

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