Konstitution - Disposition

Topographische Übersichtstafeln als unverzichtbare Hilfsmittel der Augendiagnose

von Bernd Hertling

I) Einleitung

Der Blick ins Auge
Daß das Auge ein faszinierendes Organ ist, bedarf wohl nicht eigens der Erwähnung. Es hat die Menschen aller Kulturen von jeher in seinen Bann gezogen und man hat schon immer magische Kräfte mit ihm in Zusammenhang gebracht. Wem ist noch nicht das Freimaurersymbol, das Auge in der Pyramide, auf dem Dollarschein ins Auge gefallen, und so mancher Südamerikaner bezieht sich auf den "Bösen Blick" dieser Banknote, um im US-Amerikanismus das Reich des Bösen am Werk zu sehen. Der Böse Blick geht vielleicht sogar noch auf das Primatenerbe der Menschheit zurück, wie man weiß, weckt ein Blick in ihre Augen bei den ansonsten recht friedfertigen Gorillas massive Aggressionen, und bereits seit den frühesten tradierten Zeiten der Menschheitsgeschichte bemühte man sich um die Abwehr dieses Schadzaubers. Übrigens ist das in New-Age Kreisen so beliebte altägyptische Wadjet Auge bereits damals als Schutzamulett gegen den Bösen Blick getragen worden. Doch so alt die Vorstellung vom verderbenbringenden "Mal'occhio" sein mag, die Idee vom allessehenden Vater-Auge, verkörpert in der Sonne, das der Wahrheit zum Durchbruch verhilft, ist noch älter. Hartnäckig hielt sich in vielen Kulturen die Identifikation des Tagesgestirns mit diesem Panskopos (Allesseher = allessehendes Auge), bei manchen an Naturreligionen orientierten Völkern noch heute. Ihre Religion schreibt ihnen tägliche Riten vor, welche dazu dienen, daß die Sonne auch tatsächlich wieder aufgeht und weder die Erde im Dunkeln läßt, noch sie in ihrem Feuer versengt. Und manchmal wünscht sich auch der Natur-Heilkundige in seiner Praxis so einen hilfreichen Sonnenzauber, der die Wahrheit ans Licht bringt. Denn oftmals verhält es sich genau umgekehrt, die Wahrheit verbirgt ihr Gesicht hinter verschiedensten nebulösen oder wolkigen Schleiern, und man denkt beim zunächst ratlosen Blick in die Augen am Irismikroskop an das Goethe-Wort:

"Was ist das Schwerste von allen, was dich das leichteste dünkt, mit Augen zu sehen was vor den Augen dir liegt!"

Meist bezieht sich der Blick zunächst auf die Iris, welche als Göttin des Regenbogens und quasi Zweitgarnitur als Götterbotin - hinter Hermes rangiert. Sie ist eine Tochter der Meergötter Thaumas,(= der Wunderbare, Erstaunliche) und der Okeanide Elektra, welche die Elemente Wasser und Luft miteinander verbindet, also prädestiniert zur Botin zwischen den verschiedenen Ebenen (Himmel - Erde - Wasser). Homer nennt die kleine Göttin liebevoll chrysopteris (=goldflügelig), während für den Augendiagnostiker mehr ihr "Irisieren", das Spiel der Regenbogenfarben, von gesteigertem Interesse ist. Ist es vordergründig oftmals schon schwierig, in diesem Organ der Hermeneutik schlechthin, die jeweils vorliegende Farbe richtig zu erkennen, stellt die Anforderung die verschiedenen Ebenen miteinander zu verbinden, also die Zeichen und Erscheinungen (Phänomene) richtig zu deuten, den Diagnostiker oft vor eine nicht leicht zu lösende Aufgabe. Dies liegt nicht nur an der nicht immer klaren Zuordnung chromatischer Phänomene, deren Wahrnehmung ja, wie wir spätestens seit der Auseinandersetzung mit Goethes Farbenlehre wissen, nach höchst subjektiven Kriterien zustandekommt. Gerade die Wahrnehmung von Farben ist von vielerlei Faktoren abhängig, nicht zuletzt von der Intensität des Lichtes, aber eben auch von wissenschaftlich absolut unnachprüfbaren und nicht zu wiederholenden, subjektiven Wahrnehmungsmustern. Es müssen nicht gleich die klassischen Farbwahrnehmungsschwächen, wie rot-grün-Blindheit sein, bereits geringgradigere Unterscheidungsschwächen machen die Nachvollziehbarkeit farblicher Zuordnungen oftmals schwierig. Um zu einer möglichst objektgetreuen Verifizierung gelangen zu können, versucht man nun, photographisch "Licht in die Sache zu bringen". Doch stellt sich einem hier schnell der Pferdefuß des geeigneten Filmmaterials in den Weg. Wird zweimal dieselbe Iris in kurzen Zeitabständen auf unterschiedlichen Filmen abgelichtet, ergeben sich zwei unterschiedliche chromatische Eindrücke. Doch so, wie man im alltäglichen Leben zu einem Farbkonsens gekommen ist, haben auch die Augendiagnostiker der unterschiedlichen Schulen sich auf bestimmte Pigmenttafeln geeinigt, welche Aufschluß über abnorme Farbveränderungen innerhalb der Iris geben können. Anders, leider, muß man sagen, verhält es sich mit den Zuordnungen der Irisreflexzonen, welche in unterschiedlichen Topographien ihren Niederschlag finden. Doch gilt es auch dieses leider zu relativieren, da die etwa 30 verschiedenen Topographien in den wesentlichen Punkten kaum voneinander abweichen. Die topographische Zuordnung stellt sodann den zweiten, insgesamt wohl wichtigeren Schritt der Hermeneutik, der Interpretation der Phänomene dar, was dann letztenendes in der eigentlichen Diagnose mündet.

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Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Nettelkofenerstr. 1
85567 Grafing

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