"Viele Menschen wurden von einer verheerenden Seuche, dem heiligen Feuer, dahingerafft oder verkrüppelt; die brandige Vergiftung verzehrt ihre Glieder elendiglich. Gegen diese Geißel der Menschheit weiß man kein besseres Mittel, als die Hilfe des heiligen Antonius zu erflehen und sich unter seinen Schutz zu stellen."
(Chabert, 1090)
Die Ordensgemeinschaft der Antoniter wird offiziell 1202 gegründet. Im Jahre 1297 ermächtigt Papst Bonifaz VII. die Brüder des Hospitaliterordens, nach den Regeln des heiligen Antonius zu leben. Die Entstehung des Ordens ist verknüpft mit der Verehrung der Reliquien des heiligen Antonius, dessen Gebeine um 1080 aus Konstantinopel in ein kleines Dorf in der Dauphiné überführt wird. Dieser Ort wird zur ersten Pilgerstätte, weil an den körperlichen Überresten wundersame Heilungen von Kranken angegeben werden, besonders die, welche vom "Heiligen Feuer" befallen sind.
Über das Leben des Antonius berichtet die "legenda aurea", die "goldene Legende" des Jacobus a Voragine im 13. Jahrhundert. Demnach ist er im Jahre 251 n.Chr. in Oberägypten geboren. Sein ganzes Leben hat er zurückgezogen in der Wüste gefristet. Zu seinen bekanntesten Stationen gehören die Versuchung und Widerstehung des Bösen sowie die Begegnung mit dem heiligen Paulus. Als über Hundertjähriger soll er 356 verstorben sein. Antonius gilt als Schutzheiliger der Antoniter und Patron gegen ansteckende und verzehrende Krankheiten.
Im Jahre 1300 wird in Isenheim, unweit von Colmar, ein Antoniterorden errichtet. Der Einfluss und der Reichtum der Mönche wächst ständig. Unter den zahlreichen in Auftrag gegebenen Kunstwerken ist auch der sogenannte Isenheimer Altar, ein Retabel, dessen geschnitzte Skulpturen von Nikolaus Hagenauer und die Gemälde von Matthias Grünewald stammen. Dieses wunderbare Werk wird zwischen 1505 und 1516 erschaffen. Unter einem Retabel versteht man einen Wandaltar. Der Begriff Retabel ist lateinischen Ursprungs (retabulum) und bezeichnet einen Altaraufsatz, der sich aus vier Bestandteilen zusammensetzt.
Das Mittelteil ist für gewöhnlich ein Schrein mit geschnitzten und bemalten Skulpturen, an dessen Stelle aber auch eine bemalte Tafel treten kann. Die Seitenflügel lassen sich nach innen klappen und schützen so das Zentrum des Schreines. Das Ganze ruht auf der Predella, einem Untersockel. Schließlich zeigt der Altar noch das Gesprenge, einen holzgeschnitzten Aufbau, der die massive, gedrungene Form des Retabels auflockern soll.
In seinem geschlossenen Zustand stellt der Isenheimer Altar die Kreuzigungsszene dar, rechts und links flankiert vom hl. Sebastian und vom hl. Antonius. Diese Stellung des Retabels war im Advent und zur Fastenzeit zu sehen.
Zu Weihnachten, Ostern und zu den Marienfesten gab der Altar in der Mittelstellung die Verkündigung an Maria, das Engelskonzert, die Geburt Christi und die Auferstehung frei, die Symbole der Freude und Hoffnung. Zum Patronatsfest des heiligen Antonius wurde das Retabel ganz geöffnet. In der Mitte, als geschnitzte Skulpturen, thront Antonius zwischen dem hl. Augustinus und dem hl. Hieronymus. Die beiden bemalten Seitentafeln zeigen den hl. Antonius als Besucher beim hl. Paulus und die Versuchung des Bösen. Auf letzterer Darstellung sitzt in der unteren linken Ecke eine schmerzverkrampfte, jammervolle Gestalt - ein Mensch im Endstadium des "Heiligen Feuers" oder "Antoniusfeuers".
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Literatur:
Anschrift des Verfassers:
Peter Germann
Heilpraktiker
Köln-Berliner-Str. 9
44287 Dortmund
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Naturheilpraxis 4/2000