FACHFORUM

Speise und Trank des Kranken

"Vorschriften" - von Hippokrates bis Otto Buchinger

von Siegfried Haußmann

"Es ist ein trockener Bissen, daran man sich genügen läßt, besser denn ein Haus voll Geschlachtetes mit Hader" (Sprüche 17,1)

I. Einleitung

Wer nichts ißt oder trinkt, ist krank oder stirbt. Über Flüssigkeitsverlust und Kalorienschwund informieren verschiedenartigste Rezeptoren. Generelle Anzeichen sind: Mundtrockenheit und Leerkontraktionen des Magens. Zentralnervös ist ebenso das Hunger- und Durstempfinden gesteuert, aber auch triebhaft essentiell.1

Dort, wo der Affekt durch äußere Umstände abhanden gekommen oder energetisch entglitten ist, wird künstlich bzw. modifiziert ernährt. Von der ledernen Schuhsohle bis zur genmanipulierten Einheitstomate, vom Brackwasser bis zum Schampus, auch: "20 Jahre lang nur Milch, Kartoffeln oder Schweinebraten gegessen", - was zugeführt wird ist zunächst nicht entscheidend, wenn das Hauptanliegen der Natur, die Fortsetzung der biokybernetischen Regelkreise, sich erfüllt. Verfeinerte Essens- und Trinkgewohnheiten, Sinnlichkeit und Versammlung, die Askese der Kyniker oder die psychogene Verweigerung sind kulturelle Repräsentationen individueller oder kollektiver Macht.2 Anbei bemerkt, wirkt Essen durch Entblößen der Zähne aggressiv, bevor dann die "Gegenstände der Macht ergriffen und einverleibt" wohl auch in Verbundenheit zu ihr geteilt werden (E. Canetti).3 "Ernährung - ist nur abgeleitet; das Ursprüngliche ist: alles in sich einschließen zu wollen."4

Ein langer Gedankenstrich bis hin zu Hippokrates und Demokrit: Der Urprung (aller Dinge) ist ein (und derselbe). Die Wirkungskraft (sämtlicher Nährstoffe) stärkt, ernährt und entwickelt alles.5 Zwischen Idee und Körper besteht demnach ein arterhaltende Verbindung.6 Für Freiherr v. Feuchtersleben besiegt der Geist die Krankheit.7

Psychophysiologisch ist darum "...Essen, die (richtige) Nahrung (sich und anderen) auswählen, für ihn (Nietzsche) gleichbedeutend mit einer Auseinandersetzung mit sich selbst (und mit dem Patienten)", interpretiert Michel Onfray, "ein Akt der (Fremd- und) Selbsterkenntnis."8 - Doch Nietzsche bekennt sich auch zu einer "Diätetik als Wissenschaft des Maßes: weder Übermaß, noch Versagung und Verbote". Daher ist sozial-kulturell - aus Sicht des Therapeuten unweigerlich - dem "immer-mehr-Macht-Ich" Nietzsches konkret das ausgezehrte und dürstende Du (Patient) nahezulegen. Wie sich dieses Verhältnis ohne große Weltanschauung gestalten ließe, hierüber gibt das zusammengetragene Material Auskunft.

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Literaturhinweise:
1"Physiologie des Menschen" R.F. Schmidt und G. Thews, Springer Verlag 1980, Sn. 337 ff.
2 "Macht und Geheimnis der Nahrung" Albert von Haller, Unikat Verlag 1995, Sn. 11 ff.
3 "Das Essen in der Bibel - Literaturethnologische Aspekte des Alltäglichen" Eleonore Schmitt, LIT Vlg
4"Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre" F. Nietzsche, Hrsg. K. Schlechta Bd. 3, Sn. 417 ff., Hanser München
5"Hippokrates" Sämtliche Werke Bd. 1, VII/9 und VII/55, Hrsg. R. Kapferer, Neudruck: Anger Verlag Eick 1995
6 "Kosmos Anthropos: Entwürfe zu einer Philosophie des Leibes" H. Schipperges, Klett-Cotta Stuttgart 1981
7 "Zur Diätetik der Seele" v. Feuchtersleben 1838, Reclam Universal-Bibliothek Nr. 1281/1282
8 "Der Bauch der Philosophen - Kritik der diätetischen Vernunft" M. Onfray, Campus Verlag Frankfurt 1990
9 "Hippokrates" Sämtl. Werke Bd.2, XIV/4 bis XIV/8
10 "Hippokrates" Sämtliche Werke Bd. 2, XIV/13
11 "Hippokrates" Sämtliche Werke Bd. 2, XIV/18
12 H. v. Bingen "Heilkunde", eingeleitet u. kommentiert von H. Schipperges, Otto Müller Verlag Salzburg 1957
13 H. v. Bingen "Heilkunde", s. o., S. 190
14 H. v. Bingen "Heilkunde", s. o., S. 201
15 H. v. Bingen "Heilkunde", s. o., S. 200
16 "Paracelsus" Sämtliche Werke Bd. 1, Hrsg. B. Aschner, Anger Verlag Eick 1993, S. 103ff. und 128ff.
17 "Paracelsus" Sämtliche Werke Bd. 2, s.o., S. 481
18 "Paracelsus" Sämtliche Werke Bd. 3, s.o., S. 91
19 "Pathologie/Pathogenie" Chr. W. Hufeland, Academische Buchhandlung Jena 1799, Sn. 176/178
20 "Technik der Konstitutionstherapie" Bernhard Aschner, Haug Verlag 1980, S. 87
21 "Wegweiser zur Gesundheit" Mahatma Gandhi (1925), Diederichs Gelbe Reihe S. 45/50 ff.
22 "Heilpflanzen der Ayurvedischen Medizin" A. Zoller/H. Nordwig, Haug Verlag 1997, S. 26
23 "Kräuter für Leber und Galle", J. Huiber, Aurum Verlag 1978, S. 77
24 "Makrobiotik" Chr. W. Hufeland, Jena 1796; Insel Verlag 1984, S. 217
25 "Encyklopädie der Volksmedizin" Georg Friedrich Most, Reprint 1973/1843, ADEVA Graz, Anhang III S.738
26 "Arnika und Armagnak, Hollunder, Kamille, Elektrizität und Magnetismus" Dr. Becker, Reprint o. J., Aurum Verlag 1979, S.71 und S. 85
27 "Die Chronischen Krankheiten" S. Hahnemann, Erster Theil 1835, S. 57, Anm. 2, Organon Vlg. 1983
28 "Organon der Heilkunst" S. Hahnemann, Hippokrates Vlg., 6. Aufl., S. 142 + S. 208 Anm. 193
29 "Die homöopathische Diät" C. v. Bönninghausen, Münster 1833, Friedrich Regensburg, Sn. 8-12 und 13-17
30 "Die antidyskratische Behandlung als Basistherapie" Heinrich Honegger, Haug Verlag 1959, Sn. 193 - 195 + 203
31 "Das große Kräuterheilbuch" Johann Künzle, Verlag Otto Walter Olten 1945, S. 468
32 "Das große Kräuterheilbuch" Johann Künzle, Beitrag: Vischer, s. o., S. 473:
33 "Neue Lebensformen" Alfred Brauchle, Reclam Verlag Stuttgart 1949, S. 49 ff. und S.99 ff.
34 "Hausrezepte der Naturheilkunde" B. Jürgens, Knaur Verlag 1993, S. 184
35 s. 34, S. 211:
36 "Meine Wasserkur" S. Kneipp, Köselsche Buchhandlung Kempten 1891, Sn. 157/158
37 "Meine Wasserkur" S. Kneipp, s. o., Sn. 158/159
38 "Meine Wasserkur" S. Kneipp, s. o., Sn. 159/160
39 "Mein Testament" S. Kneipp, Köselsche Buchhandlung Kempten 1896, S. 159
40 "Praktische Hydrotherapie" Fleury zitiert von Dr. Weiner u. Dr. Matt, Vlg Johannes Alt 1901, S. 83
41 "Praktische Hydrotherapie" Dr. Weiner und Dr. Matt, Verlag Johannes Alt 1901, S. 84
42 "Encyklopädie der Volksmedizin" G. F. Most, Reprint 1843, ADEVA Graz 1978, Anhg III, Sn. 738 ff.
43 "Encyklopädie der Volksmedizin" G. F. Most, s. o., S. 753 ff.
44 s. 43, (S. 763)
45 "Das Heilfasten" Otto Buchinger, Hippokrates Verlag Stuttgart 1982 (20. Auflage), S. 49
46 "Das Heilfasten" Otto Buchinger, s. o., S. 165
47 "Das System der Grundregulation" A. Pischinger, Haug Verlag Heidelberg 1975

Anschrift des Verfassers:
Siegfried Haußmann
Heilpraktiker
Im Mohnfeld 3
77836 Rheinmünster

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