VITAMINE UND MINERALIEN

Folsäure - Übersicht über ein Vitamin mit hoher Mangelinzidenz

von Barbara Becher

Anämie, leichte Ermüdbarkeit und Schwäche, blasses Aussehen, Zungenbrennen, Schleimhautveränderungen im Bereich des Mundraumes, Durchfälle, psychische Störungen, Wachstums- und Entwicklungsstörungen und das Auftreten von Mißbildungen bei Neugeborenen können die Folge eines Folsäuremangels sein. Dieses Vitamin ist das Sorgenkind der Ernährungsexperten. Folsäuremangel ist wohl die am häufigsten vorkommende Avitaminose in den westlichen Industrieländern, die sowohl in manifester als auch in latenter Form weit verbreitet ist. Die Bedarfsdeckung über die Ernährung ist selbst bei optimaler Auswahl der Nahrungsmittel nur schwer zu erreichen, so daß in vielen Fällen eine Substitution mit geeigneten Folsäurepräparaten 1 sinnvoll erscheint.

Vorkommen, Verfügbarkeit und Stabilität

Die Vitaminfunktion der Folsäure wurde 1930 entdeckt, als man feststellte, daß Hefe einen Faktor enthält, der antianämisch wirkt. Gleichsam wirkende Substanzen konnten dann auch in Leber und später in vielen weiteren Natursubstraten nachgewiesen werden. Reich vorhanden fand man diesen antianämischen Faktor in grünen Blattgemüsen wie z.B. Spinat und gab ihm daher den Namen Folsäure (lat.: folium = Blatt).

Genau betrachtet handelt es sich beim natürlich vorkommenden Nahrungsfolat um ein Substanzgemisch. Etwa 40% des Gesamtfolats liegen als Monoglutamat und 60% als Polyglutamat vor, die sehr unterschiedliche Bioverfügbarkeiten aufweisen. Während die Monoglutamate nahezu vollständig resorbiert werden, müssen die Polyglutamate zunächst in die Monoglutamate hydrolysiert werden. Dies geschieht durch die Wirkung von Konjugasen, die im Bürstensaum der Darmmukosa und im Pankreassaft enthalten sind. Die Verfügbarkeit von Polyglutamaten beträgt aber maximal 20%. Die Resorption von Folsäure erfolgt im gesamten Dünndarm, besonders effektiv jedoch im Jejunum und Duodenum.

Je nach Verhältnis von Mono- zu Polyglutamatformen in den verschiedenen Lebensmitteln, variiert die Verfügbarkeit von Folsäure hieraus beträchtlich. Folat tierischen Ursprungs kann bis zu 70%, pflanzliches nur zu etwa 40% und Folat aus Hefe gar nur zu 10% verwertet werden. Reich an diesem Vitamin sind Gemüse wie Brokkoli, Spinat, Spargel, Kohl, Salat, Tomaten, Gurken und Getreide. Aber auch Innereien wie Leber und Nieren sowie Hefe enthalten recht hohe Folsäuremengen, während Muskelfleisch, Fisch und Obst keine guten Quellen sind. Demgegenüber beträgt die Verfügbarkeit aus pharmakologischen Folsäurepräparaten in der Regel weit über 90%.

Die Literaturangaben zum Folsäuregehalt in den verschiedenen Nahrungsmitteln schwanken zum Teil beträchtlich, was auf unterschiedliche Gehalte, aber auch auf analytische Probleme bei der Bestimmung hinweisen kann. Nahrungsmitteltabellen können daher nur grobe Anhaltspunkte für die Auswahl einer Folsäure-reichen Ernährung sein. Hierbei ist außerdem zu beachten, daß dieses Vitamin ausgesprochen luft- und wärmeempfindlich ist. Lange Lagerzeiten, intensiver Kontakt mit Luftsauerstoff, z.B. durch starkes Zerkleinern von Gemüse, und höhere Temperaturen beim Kochvorgang können einen großen Teil der aktiven Folsäure zerstören. Bei 23°C ist nach einer Stunde ein Großteil des Folats unbrauchbar, bei 100°C bereits nach 10 Minuten alles zerstört. Gleichzeitig geht beim Kochvorgang Folsäure zu 25-75% ins Kochwasser über und wird damit meist weggegossen. Es empfiehlt sich daher das Kochwasser von Gemüsen z.B. zu Soßen weiterzuverarbeiten und mitzuverzehren oder Gemüse mit nur wenig Wasser zu dünsten. Kurze Garzeiten reduzieren dabei den Vitaminverlust.

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1 Folbene® (Wörwag Pharma)
2 Z.B. mit Folgamma® oder bei Resorptionsstörungen mit Folgamma® forte Injektionen (Wörwag)
3 Folgamma® forte (Wörwag)

Literatur: (1) Bayer, W. & Schmidt, K.: "Vitamine in Prävention und Therapie." S. 187-210, Hippokrates Verlag Stuttgart, 1991
(2) Die Nationale Verzehrstudie, Ergebnisse der Basisauswertung. Materialien zur Gesundheitsforschung Band 18, Bonn 1991
(3) Rajkovic, A. et al.: "Elevated Homocysteine Levels with Preeclampsia." Obstetr. & Gynec. 90, 168-171 (1997)
(4) Bässler, K.-H., Golly, I., Loew, D. & Pietrzik, K.: "Vitamin-Lexikon." 2. Auflage, S. 104-136, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 1997
(5) Weiss, N. et al.: "Atheroskleroserisikofaktor Hyperhomocysteinämie: Ursachen und Konsequenzen." Dtsch. Med. Wschr. 124, 1107-1113 (1999)
(6) Coull, B. et al.: "Elevated Plasma Homocysteine Concentration as a Possible Independent Risk Factor for Stroke." Stroke 21, 572-576 (1990)
(7) den Heijer et al.: " Hyperhomocysteinemia as a Risk Factor for Deep-Vein Thrombosis." N. Engl. J. Med. 334, 759-762 (1996)
(8) Bell, I. R. et al.: "Plasma homocysteine in vascular disease and in nonvascular dementia of depressed elderly people." Acta Psychiatr. Scand. 86, 386-390 (1992)
(9) Wald, N. et al.: "Homocysteine and Ischemic Heart Diesease." Arch. Intern. Med. 158, 862-867 (1998)
(10) Welch, G. & Loscalzo, J.: " Homocysteine and Atherothrombosis." N. Engl. J. Med. 338, 1042-1050 (1998)
(11) Riezler, R. et al.: "Homocysteinämie: Pathogenität, Entstehung, Prophylaxe und Therapie." J. Pharmacol u. Ther. 5, 141-145 (1995)
(12) Rimm, E. et al.: "Folate and Vitamin B6 From Diet and Supplements in Relation to Risk of Coronary Heart Diesease Among Women." JAMA 279, 359-364 (1998)
(13) Clarke, R. et al.: "Lowwering blood homocysteine with folic acid based supplements: meta-analysis of randomised trials." BMJ 316, 894-898 (1998)
(14) Boushey, C. et al.: "A Quantitative Assessment of Plasma Homocysteine as a Risk Factor for Vascular Disease." JAMA 274, 1049-1057 (1995)
(15) Genzel-Boroviczeny, O. et al.: "Unverändertes Risiko für Neuralrohrdefekte." Kinderärztliche Praxis Nr. 1, 6-9 (1997)

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Barbara Becher
Buchenstraße 20
71287 Weissach

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