FACHFORUM

Mistelkraut - Herba Visci albi

von Peter Kaufhold

Mistelkraut beeinflußt das endokrine System positiv und wirkt damit auf den Stoffwechsel. Es reguliert den Blutdruck, hat einen günstigen Einfluß auf die Bauchspeicheldrüse und kann bei leichtem Diabetes hilfreich sein. Es beugt der Arteriosklerose und Schlaganfällen vor. Nach einem Schlaganfall trinkt man 6 Wochen 3 Tassen, danach 3 Wochen 2 Tassen und zum Schluß zwei Wochen 1 Tasse Misteltee täglich. Der Tee hilft auch bei Lungenblutungen und Darmblutungen im Verlauf von Typhus und Ruhr, stabilisiert den Kreislauf, wirkt beruhigend und stärkend auf das Herz (daher auch bei Ohrensausen, Schwindel, Sehstörungen), zudem bei Menstruationsstörungen und (durch Einfluß auf den Hormonhaushalt) auch bei Wechseljahresbeschwerden wie Herzklopfen, Hitzewallungen, Angstgefühlen und Atemnot (Dyspnoe); in die Nase geschnupft, stoppt er Nasenbluten.

Der frische Saft kann in vielen Fällen die Unfruchtbarkeit der Frau beheben, und nicht zuletzt wirkt Mistelextrakt parenteral appliziert gegen viele Arten von Krebs. Bei Erfrierungen und Gelenkschmerzen hilft eine kalt verrührte Salbe aus Mistelbeeren und Schweinefett.

Die Inhaltsstoffe der Droge weichen abhängig von der Wirtspflanze voneinander ab. Es muß zwischen oraler Anwendung der Droge in Form von wäßrigen Auszügen (Teezubereitungen) und parenteraler Anwendung isolierter Inhaltsstoffe (Injektionspräparate) unterschieden werden. In der Krebstherapie werden Präparate mit isolierten Mistelwirkstoffen nur parenteral (unter Umgehung des Magen-Darmkanals) verabreicht.

Nach Plinius, der die Mistel als Mittel gegen Epilepsie und Schwindel schätzte, galt schon den alten Druiden insbesondere die auf Eichen wachsende Pflanze als heilig und heilkräftig. Eine alte Druidenregel war: Der Mistelzweig muß mit Achtung und, wenn möglich, im 6. Monde gesammelt werden. Er muß mit einem goldenen Messer geschnitten werden. Das Pulver von Mistelzweigen macht Frauen fruchtbar. Hippokrates verordnete Mistelkraut gegen Milzsucht (Milzleiden, Milzbeschwerden), Paracelsus gegen Epilepsie, derweil H. von Bingen den Schleim aus Birnbaummistel gegen Leberleiden bzw. Leberverhärtung als Folge einer maßlosen Lebensführung einsetzte. Dazu ließ sie den Schleim zusammen mit Huflattich, Wegerichwurzeln und anderen Kräutern in Wein einlegen und morgens vor und nach dem Frühstück einnehmen. Gegen Seitenschmerzen riet sie, Mistelpulver in einen aus Leinsamen, Rindertalg und Pfirsichbaumharz gekochten Leim zu rühren und den Patienten damit einzureiben.

Lonicerus verordnete die Mistel als resorptionsförderndes, fieberwideriges, wurmtreibendes, blutstillendes, erweichendes, zerteilendes und geburtserleichterndes Mittel "von mittelmäßiger Complexion", nicht zu warm, auch nicht zu kalt, mehr feucht als trocken, "zerteilt und erweicht die Geschwulst."

Mistel von Eichen, Haselnußsträuchern und Birnbäumen (...) mit Wein gestoßen und getrunken, soll dem fallenden Siechtag (Epilepsie) der Kinder wehren, weshalb auch etliche den Kindern die Mistel um den Hals hängen. Was sich aus böser Feuchte zusammenzieht, als Ohrklammer (Mumps) und allerlei andere Geschwulst, das heilt der aus den weißgelben Beeren oder der Mistelrinde bereitete "Vogelleim". (Herstellung: Die zur Erntezeit gesammelten unreifen, noch grünen Beeren werden getrocknet, zerstoßen und für 12 Tage in Wasser eingelegt, so daß sie faulen. Danach werden sie nochmals gestampft und die Schalen ("Hülsen") entfernt. Den übrigbleibenden, nur äußerlich anzuwendenden Schleim nennt man Vogelleim), der allein oder mit dem Saft aus frischen, zerstoßenen Mistelblättern versetzt, erweicht, zerteilt und herauszieht. Vogelleim mit gleich viel Tannenharz und Wachs vermischt, benimmt die "Augenwerren" (Augenflimmern?); mit Weihrauch aufgelegt, heilt er alte, fließende Geschwüre. Vogelleim mit Goldschaum aufgestrichen, hilft gegen das Halsgeschwer (Halsgeschwür). Vogelleim, Viscus quercinus genannt, hat die Kraft, subtil zu machen und an sich zu ziehen und auch die Feuchtigkeiten auszutreiben, ist warm im dritten Grad. Vogelleim mit Harz vermengt, hilft gegen Milzverhärtung; mit Wachs vermengt, ist er gut wider die Gliedergicht (Gichtschmerzen, rheumatische Schmerzen, Gliederschmerzen, Neuralgien).

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