THEMA AUSBILDUNG

Persönliche Anforderungen und Voraussetzungen, die ein Heilpraktikeranwärter zu erfüllen hat (Teil 1)

von Anja Siebert


Das Angebot an medizinischer Bedarfsdeckung ist überaus groß, es werden im Prinzip alle Bereiche einer medizinischen Versorgung durch die Ärzteschaft lückenlos ausgefüllt. Diese bieten darüber hinaus noch die diagnostische und therapeutische Sicherheit eines wissenschaftlich abgesicherten Vorgehens. Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben, welche Heilpraktiker in der Praxis zu erfüllen haben, die Erfüllung von individuellen Bedürfnissen hinsichtlich einer ganzheitlichen Medizin gegenüber der Patientenschaft. Dieser Aufgabe gerecht zu werden ist nicht leicht, denn hohe zu erfüllende Erwartungen und zu tragende Verantwortung begegnen einem Heilpraktiker täglich in der Praxis.

Gemäß dem Heilpraktikergesetz und seiner Durchführungsverordnung hat ein Heilpraktikeranwärter diesbezüglich nur einige Mindestbedingungen zu erfüllen. Hierzu zählen: Vollendung des 25. Lebensjahres und eine mindestens abgeschlossene Volksschulbildung. Desweiteren dürfen keine Tatsachen bestehen, die ergeben, daß ihm die sittliche Zuverlässigkeit fehlt, insbesondere, wenn schwere strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen. Ebenso dürfen sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt keine Anhaltspunkte ergeben, daß die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde (eingefügt durch die II. Durchführungsverordnung vom 03.04.1941).

Nach § 3 der Durchführungsverordnung entscheidet die untere Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Gesundheitsamt.

Neben den rein rechtlichen Vorbedingung, die ein Heilpraktikeranwärter zu erfüllen hat, um später einmal die Heilkunde ohne Approbation ausüben zu dürfen, gibt es auch eine ganze Reihe von persönlichkeitsspezifischen Voraussetzungen, die ebenfalls erbracht werden sollten, um der verantwortungsvollen Berufsausübung gerecht werden zu können.

Da keinerlei rechtliche bzw. gesetzliche Ausbildungsvorschriften für den Beruf des Heilpraktikers existieren, bleibt die Art der Berufsvorbereitung dem jeweiligen Aspiranten überlassen. Von autodidaktischem Selbststudium bis hin zur dreijährigen Vollzeitschule mit anschließendem Assistenzpraktikum ist auf diesem Gebiet alles nur Erdenkliche möglich.

Egal für welche Ausbildungsart man sich letztendlich entscheidet, einige wesentliche Voraussetzungen müssen in jedem Falle erfüllt werden.

Ähnlich wie bei einem Studium an der Universität hat sich der Lernende in Eigenverantwortung um die Aneignung des Ausbildungsstoffes bis hin zur Überprüfungsreife zu sorgen. Da genau jene auch keine genauen bzw. "faßbaren" Kriterien des abzufragenden Wissensstoffes gewährleistet, sollte alleine schon für dieses "Hindernis" ein ordentliches Kenntnisfundament gelegt werden. Man kann im Durchschnitt mit ca. drei bis vier Jahren Vorbereitung bis zur Überprüfungsreife rechnen. Eine gute physische und psychische Belastbarkeit sollte auf alle Fälle für die Ausbildung vorliegen. Weiterhin wäre als einer der wichtigsten Punkte in diesem Zusammenhang zu allererst eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft zu nennen - besonders im Hinblick auf den zu beherrschenden theoretischen und praktischen Stoff. Da es, wie gesagt, keine genauen Ausbildungsvorschriften gibt und manche Heilpraktikerschulen eine Wissensvermittlung z. T. nur in sehr knappen Zeitspannen durch z. B. Abendschule oder Wochenendunterricht gewährleisten, ist der Heilpraktikeranwärter somit selbst gefordert und gezwungen, sich die Menge des zu lernenden Materials zu strukturieren und selbst anzueignen. Darüber hinaus muß sich der zukünftige Heilpraktiker im Klaren sein, daß er primär nicht für die zu bestehende Überprüfung lernt, sondern für eine zukünftige Praxisreife.

Der entscheidende Faktor ist hierbei, vor allem genügend Ruhe und freie Zeit für die Ausbildung und das Aneignen des Lernstoffes aufbringen zu können. Überaus häufig wird eine Heilpraktikerausbildung neben der schon bestehenden Berufstätigkeit angestrebt, was eine doppelte Belastung darstellt. Aus Erfahrung vieler Heilpraktikeranwärter sollte man - neben dem evtl. Besuch einer Heilpraktikerschule - pro Tag ca. zwei Stunden Zeitaufwand für das Lernen selbst einplanen. Das Vorhandensein einer guten schulischen Allgemeinbildung ist dabei von vornherein ein nicht zu unterschätzender Trumpf. Spezielle medizinische Sprachkenntnisse (Lateinisch, Griechisch) sowie Grundkenntnisse in naturwissenschaftlichen Disziplinen (Chemie, Physik, Biologie) würden das gesamte Lernen entschieden vereinfachen. Somit wäre eine berufliche Erst- oder Zusatzausbildung in einem medizinischen Heil- bzw. Heilhilfsberuf für einen Heilpraktikeranwärter von großem Nutzen, da er in diesem Metier schon diverse Grundkenntnisse - auch was berufskundliche Aspekte des Gesundheitswesens anbelangt - vorweisen könnte. Zugleich haben diese "Vorgebildeten" schon einen gewissen Ein- bzw. Überblick, was Diagnose und Therapieverfahren anbelangt sowie etwas mehr Sicherheit und Vertrautheit im Umgang mit Patienten.

Ein Interesse für naturwissenschaftliche Gegebenheiten und Tatsachen ist insgesamt ebenso unabdingbar, wie die Bereitwilligkeit, sich mit wissenschaftlich noch nicht abgeklärten und abgesicherten Diagnose- und Therapieansätzen auseinanderzusetzen bzw. ein Einfühlungsvermögen genau dafür zu entwickeln und aufzubringen. Es könnte u. U. für den Einen oder Anderen Schwierigkeiten mit sich bringen, sich mit Methoden, welche noch keine Verstehensbasis auf der kognitiven Ebene zulassen, identifizieren zu können. Sehr wichtig ist ein gesundes Kritikbewußtsein, mit welchem man sich an wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Themen und Fakten herantastet und auseinandersetzt, damit ein Lernen und Verstehen von medizinisch anerkannten und noch nicht anerkannten Methoden überhaupt möglich werden kann.

Das "Vertraut-machen" mit analytischen Denkstrukturen bzw. Denkrastern ist für einen zukünftigen naturheilkundlichen Therapeuten dringend notwendig. Eine lege-artis Ganzheitstherapie verlangt nicht nur das Eruieren von Störgrößen bei einem Patienten, sondern auch das folgerichtige Zusammensetzen und Ableitenkönnen von Krankheitssymptomen, um an die Ursachen der eigentlichen Grunderkrankung herankommen zu können. Alle physiologischen Prozesse des Körpers - sowohl somatischer wie auch psychischer Natur - stehen zueinander in einer Form der Koppelung und in gegenseitigen Abhängigkeiten. Anhand von pathologischen Zeichen bzw. Symptomen eine Krankheit richtig deuten zu können und zu diagnostizieren, setzt absolutes Verständnis und Kennen genau jener komplizierten Mechanismen voraus. Ein systematisches, analytisches Hinterfragen der pathologischen Geschehen auf den einzelnen Ebenen: Körper, Seele und Geist muß konsequent und folgerichtig analysiert sein.

Neben dem Gebiet der wissenschaftlichen und theoretischen Medizin, welches für sich schon überaus umfassend ist, muß sich der Aspirant noch mit juristischen Teilbereichen - man denke nur an die Rechts- und Berufskunde - befassen. Hier muß neben Geduld zusätzlich auch eine hohe Konzentrationsbereitschaft miteingebracht werden.

Da sich eine Heilpraktikerausbildung so u. U. über mehrere Jahre hinziehen kann, sollte eine solide finanzielle Absicherung vorhanden sein. Vor allen Dingen ist diese dann gefragt, wenn eine volle Berufstätigkeit bei Besuch einer Tagesschule nicht möglich ist. Neben den evtl. anfallenden Studiengebühren muß auch noch an finanzielle Mittel zum Kauf von Literatur, Unterrichtsmaterialien und medizinischen Geräten gedacht werden.

Fortsetzung der Thematik in der nächsten Ausgabe Eine komplette Zusammenfassung in Skriptform zum Thema Ausbildung mit allen aktuellen Informationen ist nach dem Erscheinen in der NATURHEILPRAXIS über die Autorin zum Preis von DM 79,- erhältlich.

Anschrift der Verfasserin:
A.S.i.t. - Anja Siegert
Pilgerwiesenstr. 15
73630 Remshalden

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Naturheilpraxis 11/99